Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 11.5.2023 zum Aktenzeichen 1 U 310/20 entschieden, dass die Stadt wegen pflichtwidrig unterlassener Kronenuntersuchung eines Straßenbaums Schadensersatz für einen durch einen herabfallenden Ast totalbeschädigten Fiat 500 zahlen muss.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 37/2023 vom 25.05.2023 ergibt sich:
Es ist nicht pflichtwidrig, wenn die Stadt Frankfurt am Main ihre Dienstanweisung für die Baumkontrolle an der sog. FLL-Richtlinie orientiert und grundsätzlich auch ältere, geschädigte Bäume im öffentlichen Straßenbereich nur einmal jährlich kontrolliert. In begründeten Fällen sind allerdings kürzere Intervalle und besondere Untersuchungen erforderlich. Da die Stadt hier trotz sichtbarer Vitalitätsbeeinträchtigungen einer auf dem Bürgersteig stehenden Robinie keine gesonderte Untersuchung der Baumkrone vorgenommen hatte, haftet sie der Klägerin auf Schadensersatz, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichte Entscheidung.
Die Klägerin hatte ihren Fiat 500 im August 2019 in Frankfurt am Main in einem Wohngebiet geparkt. Von einer Robinie auf dem Bürgersteig brach nachts ein großer Ast ab und stürzte auf das Fahrzeug. Dieses erlitt einen Totalschaden. Die beklagte Stadt Frankfurt am Main hatte den Baum letztmals im August 2018 kontrolliert.
Das Landgericht hatte der Schadensersatzklage in Höhe von gut 6.500 € stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Stadt hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin könne Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verlangen, begründete das OLG seine Entscheidung.
Grundsätzlich genüge eine Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht, „wenn sie Straßenbäume regelmäßig auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse beobachtet und eine eingehende Untersuchung dort vornimmt, wo besondere Umstände wie das Alter des Baumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen“, führte der Senat unter Rückgriff auf höchstrichterliche Rechtsprechung aus. Ob dies konkret eine zweimalige jährliche Kontrolle in belaubtem und unbelaubtem Zustand erfordere oder aber eine einmalig jährliche Kontrolle ausreiche, werde in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Der Senat halte es sachverständig beraten nicht für pflichtwidrig, dass die Stadt Frankfurt am Main die im öffentlichen Straßenraum stehenden Bäume nicht generell in halbjährlichem Abstand einer Sichtkontrolle in belaubtem und unbelaubtem Zustand unterziehe. Die Stadt stütze ihre Dienstanweisung für die Baumkontrolle dabei auf die sog. FLL-Richtlinie (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V). Diese gebe den fachlichen Standard zutreffend wieder und beruhe auf der Erfahrung von zahlreichen mit der Baumpflege befassten Fachverbänden. Demnach sei es grundsätzlich ausreichend, „bei einem stärker geschädigten Baum, der sich in der Reife- oder Altersphase befindet und an einem Standort mit berechtigterweise höheren Sicherheitserwartung des Verkehrs steht, ein Kontrollintervall von einem Jahr festzulegen, soweit die Schädigungen so geartet sind, dass sich voraussichtlich nicht innerhalb eines Jahres auf die Verkehrssicherheit auswirken.“
Die Richtlinie sehe in begründeten Fällen allerdings kürzere Intervalle und besondere Untersuchungen vor. Derartige Besonderheiten hätten hier vorgelegen. Nach Angaben des Sachverständigen habe die Stadt nicht ausreichend berücksichtigt, „dass das äußere Erscheinungsbild der Baumkrone (…) mit einer gesunden und vitalen Robinie nicht annähernd vergleichbar war“. Die Krone habe sich vielmehr als ausgesprochen schütter dargestellt. Dies Erscheinungsbild habe sich auch nicht erst seit der letzten Regeluntersuchung entwickeln können, sondern müsse in ähnlicher und auffälliger Weise schon seinerzeit bestanden haben. Die wiederholte und das übliche Maß übersteigende Beseitigung von Totholz und sog. Starkästen beinhaltete einen weiteren Hinweis auf die Vitalitätsbeeinträchtigung. Schließlich seien auch wegen der Trockenheit 2018 zusätzliche Kontrollen des in seiner Vitalität bereits beeinträchtigten Baumes erforderlich gewesen. Diese besonderen Umstände wären Anlass gewesen, „in kürzerem Abstand und unter Benutzung eines Hubsteigers oder Einsatz eines Baumkletterers den Kronenbereich besonders zu kontrollieren“, betont das OLG.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.