Der Europäische Gerichtshof hat am 04.03.2021 zum Aktenzeichen C-362/19 P das Urteil des EuG aufgeboben, mit dem der Beschluss der Kommission, die für vier spanische Profifußballvereine geltende Steuerregelung als staatliche Beihilfe einzustufen, für nichtig erklärt wurde.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 32/2021 vom 04.03.2021 ergibt sich:
Die Klage des Fútbol Club Barcelona gegen diesen Beschluss ist rechtskräftig abgewiesen.
Ein 1990 erlassenes spanisches Gesetz verpflichtete alle spanischen Profisportvereine dazu, sich in Sport-Aktiengesellschaften umzuwandeln, mit Ausnahme der Profisportvereine, die in den Geschäftsjahren vor dem Erlass dieses Gesetzes ein positives Ergebnis erzielt hatten. Der Fútbol Club Barcelona (FCB) sowie drei weitere Profifußballvereine, die unter diese Ausnahme fielen – der Club Atlético Osasuna (Pamplona), der Athletic Club (Bilbao) und der Real Madrid Club de Fútbol (Madrid) – entschieden sich dementsprechend dafür, weiterhin als juristische Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht zu agieren, und profitierten als solche von einem besonderen Steuersatz auf ihre Einkünfte. Da dieser besondere Steuersatz bis 2016 niedriger war als derjenige, der für Sport-Aktiengesellschaften galt, befand die Kommission mit Beschluss vom 4. Juli 2016 (Beschluss (EU) 2016/2391 der Kommission vom 4. Juli 2016 über die staatliche Beihilfe SA.29769 (2013/C) (ex 2013/NN) Spaniens zugunsten bestimmter Fußballvereine (ABl. 2016, L 357, S. 1), dass das fragliche Gesetz, mit dem den vier betroffenen Vereinen ein Steuervorteil im Bereich der Körperschaftsteuer gewährt worden sei, eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilferegelung darstelle. Die Kommission wies Spanien an, diese Regelung aufzuheben und die den Begünstigten auf deren Grundlage gewährten Einzelbeihilfen zurückzufordern.
Nachdem der FCB gegen den streitigen Beschluss Klage erhoben hatte, erklärte das Gericht der Europäischen Union diesen Beschluss mit Urteil vom 26. Februar 2019 (Urteil vom 26. Februar 2019, Fútbol Club Barcelona/Kommission, T-865/16) für nichtig, und zwar mit der Begründung, die Kommission habe nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass den durch die fragliche Maßnahme Begünstigten ein wirtschaftlicher Vorteil gewährt worden sei. Insbesondere stellte das Gericht fest, dass die Kommission nicht ausreichend geprüft habe, ob der Vorteil aus dem ermäßigten Steuersatz durch den Abzugssatz für die Reinvestition außerordentlicher Gewinne neutralisiert worden sei. Dieser sei nämlich für Profifußballvereine, die als juristische Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht agiert hätten, ungünstiger gewesen als für Vereine, die als Sport-Aktiengesellschaften tätig gewesen seien.
Mit seinem Urteil vom 4. März 2021 gibt der Gerichtshof den Rechtsmittelanträgen der Kommission statt und hebt das angefochtene Urteil auf. Die Kommission hat ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund gestützt, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt hat, und zwar zum einen hinsichtlich des unter diese Vorschrift fallenden Begriffs des „Vorteils, der eine staatliche Beihilfe darstellen kann“, und zum anderen hinsichtlich der Pflichten, die ihr bei der Prüfung, ob eine Beihilfe vorliegt, insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen eines Vorteils obliegen. In diesem Zusammenhang präzisiert der Gerichtshof die Beweisanforderungen, denen die Kommission genügen muss, wenn sie prüft, ob eine Steuerregelung den durch sie Begünstigten einen Vorteil verschafft und demnach eine „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen kann.
Würdigung durch den Gerichtshof
Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des einzigen Rechtsmittelgrundes stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es befand, dass der streitige Beschluss als eine Entscheidung sowohl über eine Beihilferegelung (Im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) als auch über Einzelbeihilfen anzusehen sei, da sich die Kommission in ihrem Beschluss auch zu den Beihilfen geäußert habe, die den vier namentlich genannten begünstigten Vereinen einzeln gewährt worden seien. Im Fall einer Beihilferegelung ist nämlich zwischen dem Erlass dieser Regelung und den auf ihrer Grundlage gewährten Beihilfen zu unterscheiden. Einzelmaßnahmen, mit denen lediglich eine Beihilferegelung umgesetzt wird, stellen bloße Maßnahmen zur Durchführung der allgemeinen Regelung dar, die grundsätzlich nicht bei der Kommission angemeldet werden müssen.
Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass es sich bei der streitigen Maßnahme um eine Beihilferegelung handelt, da die für Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht geltenden besonderen Steuervorschriften, insbesondere der ermäßigte Steuersatz, allein aufgrund dieser Maßnahme jedem der beihilfefähigen, allgemein und abstrakt definierten Fußballvereine für unbestimmte Zeit und in unbestimmter Höhe zugutekommen können, ohne dass es näherer Durchführungsmaßnahmen bedürfte und ohne dass diese Vorschriften an die Durchführung eines bestimmten Vorhabens gebunden wären. Folglich kann der bloße Umstand, dass im vorliegenden Fall den Vereinen auf der Grundlage der fraglichen Beihilferegelung Beihilfen einzeln gewährt wurden, keinen Einfluss auf die Prüfung haben, zu der die Kommission hinsichtlich des Nachweises des Vorliegens eines Vorteils verpflichtet ist. Demnach hat das Gericht diesen Umstand zu Unrecht für maßgeblich erachtet.
Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass dieser Rechtsfehler auf die Schlussfolgerungen durchschlägt, die das Gericht hinsichtlich des Umfangs der Pflichten gezogen hat, die der Kommission in Bezug auf den Nachweis des Vorliegens eines Vorteils obliegen. Seine unzutreffende Prämisse hat das Gericht nämlich zu der Annahme veranlasst, dass die Kommission bei ihrer Prüfung nicht nur den Vorteil aus dem ermäßigten Steuersatz, sondern auch andere, nach Auffassung des Gerichts nicht abtrennbare Komponenten der fraglichen Steuerregelung hätte berücksichtigen müssen, wie etwa die Möglichkeit eines Steuerabzugs, da deren Beschränkung den genannten Vorteil möglicherweise neutralisiere. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Kommission eine Beihilferegelung zwar in ihrer Gesamtheit betrachten muss, wobei alle Komponenten – sowohl für die Begünstigten vorteilhafte als auch unvorteilhafte – zu berücksichtigen sind, die spezifische Merkmale der Regelung darstellen. Jedoch kann die Prüfung, ob ein Vorteil vorliegt, nicht von der finanziellen Lage abhängen, in der sich die durch die Regelung Begünstigten zum Zeitpunkt der späteren Gewährung von Einzelbeihilfen auf der Grundlage der Regelung befinden. Insbesondere kann die Unmöglichkeit, zum Zeitpunkt des Erlasses einer Beihilferegelung für jedes Steuerjahr den genauen Betrag des jedem einzelnen Begünstigten tatsächlich verschafften Vorteils zu bestimmen, die Kommission nicht an der Feststellung hindern, dass die Regelung ab diesem Zeitpunkt geeignet war, den durch sie Begünstigten einen Vorteil zu verschaffen, und gleichermaßen den betreffenden Mitgliedstaat nicht von der wesentlichen Pflicht entbinden, eine solche Regelung anzumelden. Wäre die Kommission, wie vom Gericht im angefochtenen Urteil angenommen, bei der Untersuchung einer Steuerregelung verpflichtet, anhand aktualisierter Daten zu prüfen, ob sich der Vorteil in späteren Steuerjahren tatsächlich verwirklicht hat und ob er gegebenenfalls durch Nachteile in anderen Steuerjahren ausgeglichen wurde, so würden dadurch diejenigen Mitgliedstaaten begünstigt, die ihrer Pflicht zur Anmeldung einer solchen Regelung nicht nachkommen. Folglich muss die Kommission erst im Stadium der etwaigen Rückforderung der auf der Grundlage der fraglichen Beihilferegelung gewährten Einzelbeihilfen die individuelle Situation der einzelnen Begünstigten prüfen, da für eine solche Rückforderung der genaue Betrag der Beihilfe zu ermitteln ist, die den Begünstigten in jedem Steuerjahr tatsächlich zuteilgeworden ist.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die aus der streitigen Maßnahme resultierende Beihilferegelung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses dadurch, dass sie bestimmten im Rahmen dieser Regelung förderfähigen Vereinen, darunter auch dem FCB, die Möglichkeit einräumte, im Wege einer Ausnahmeregelung weiterhin als Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig zu sein, diesen Vereinen einen geringeren Steuersatz gewährte, als er für Vereine galt, die als Sport-Aktiengesellschaften agierten. Damit war die fragliche Beihilferegelung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses geeignet, Vereine, die als Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht agierten, gegenüber Vereinen, die als Sport-Aktiengesellschaften agierten, zu begünstigen und ihnen damit einen gegebenenfalls unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fallenden Vorteil zu verschaffen.
Daraus folgt, dass die Kommission, um rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass die fragliche Beihilferegelung den durch sie Begünstigten einen unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fallenden Vorteil verschafft, im streitigen Beschluss weder die Auswirkungen des Abzugs für die Reinvestition außerordentlicher Gewinne noch die Möglichkeit, Abzüge in Form einer Steuergutschrift auf spätere Steuerjahre zu übertragen, prüfen und insbesondere nicht untersuchen musste, ob dieser Abzug bzw. diese Möglichkeit den aus dem ermäßigten Steuersatz resultierenden Vorteil neutralisieren würde. Folglich hat das Gericht mit der Feststellung, dass die Kommission eine solche Prüfung hätte vornehmen und erforderlichenfalls relevante Informationen hätte anfordern müssen, einen Rechtsfehler begangen. Daher hebt der Gerichtshof das angefochtene Urteil insoweit auf.
Hinsichtlich der Folgen dieser Aufhebung des angefochtenen Urteils weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass das Gericht im angefochtenen Urteil zwar der Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses stattgegeben hat, weil es dem zweiten Klagegrund gefolgt ist, mit dem im Wesentlichen gerügt worden war, die Prüfung des Vorliegens eines Vorteils sei unvollständig gewesen, zuvor aber den Klagegrund zurückgewiesen hat, mit dem der FCB beanstandet hatte, es liege ein Verstoß gegen Art. 49 AEUV vor, da die Kommission hätte feststellen müssen, dass die Pflicht der Profisportvereine, sich in Sport-Aktiengesellschaften umzuwandeln, gegen die durch diese Vorschrift garantierte Niederlassungsfreiheit verstoße. Unter diesen Umständen wäre es dem FCB oder auch Spanien, das die Anträge dieses Fußballvereins als Streithelfer unterstützt hat, möglich gewesen, die Stichhaltigkeit der Gründe für die Zurückweisung des fraglichen Klagegrundes mit einem Anschlussrechtsmittel anzugreifen, auch wenn das Gericht ihren Anträgen aus anderen Gründen stattgegeben hat. In Ermangelung eines solchen Anschlussrechtsmittels ist das angefochtene Urteil insoweit rechtskräftig.
Nach dieser Klarstellung erachtet der Gerichtshof den Rechtsstreit für entscheidungsreif und weist im Rahmen seiner dementsprechend vorgenommenen Würdigung die vier übrigen im ersten Rechtszug geltend gemachten Klagegründe zurück, mit denen gerügt wurde, die Kommission habe den durch die fragliche Maßnahme gewährten Vorteil fehlerhaft geprüft, gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen, gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen, da sie verkannt habe, dass die streitige Maßnahme durch die innere Logik des in Rede stehenden Steuersystems gerechtfertigt sei, sowie gegen die Regeln für die Rückforderung einer bestehenden Beihilfe verstoßen. Infolgedessen weist der Gerichtshof die Klage des FCB ab.