seit Jahren gelebten Betriebsvereinbarung zur Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit ist unwirksam

25. Januar 2022 -

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.08.2021 zum Aktenzeichen 1 AZR 56/20 entschieden, dass eine seit Jahren gelebten Betriebsvereinbarung zur Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit unwirksam ist.

Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB (ab 1. April 2017 § 611a Abs. 2 BGB) zur Zahlung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung – Regel- oder Normalarbeitszeit – fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber nach § 612 Abs. 1 BGB zu deren Vergütung verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Letzteres erfordert, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind (vgl. BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 13 f. mwN).

Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des Klägers wurde nicht aufgrund einer Betriebsvereinbarung geändert. Zwar beträgt nach Nr. 3 RBV die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für alle Mitarbeiter 40 Stunden (ohne Lohnausgleich). Diese Bestimmung ist aber wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam.

Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG verdeutlicht, dass es den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleibt, ob sie ergänzende Betriebsvereinbarungen zulassen wollen oder nicht. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten ist und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt; auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an. Der Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Allerdings greift diese nicht, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 13. August 2019 – 1 AZR 213/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 167, 264).

Danach wird der Regelungsgegenstand der Nr. 3 RBV von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfasst.

Die Sperrwirkung ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG räumt ihm lediglich bei einer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht ein. Seine Mitbestimmungsrechte erstrecken sich damit nicht auf die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (vgl. BAG 9. Juli 2013 – 1 ABR 19/12 – Rn. 18, BAGE 145, 330; 24. Januar 2006 – 1 ABR 6/05 – Rn. 17 mwN, BAGE 117, 27).

Die Parteien haben den Arbeitsvertrag des Klägers im Hinblick auf den Umfang der geschuldeten Arbeitszeit nicht dadurch konkludent abgeändert, dass sie diesen entsprechend den Vorgaben der RBV faktisch vollzogen haben. Zwar kann die widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers gemäß §§ 133, 157 BGB unter bestimmten Umständen als stillschweigende Annahme der Vertragsänderung angesehen werden. Erforderlich hierfür ist jedoch, dass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall erkennen kann und muss, dass seine widerspruchslose Weiterarbeit als Einverständnis mit der angebotenen Vertragsänderung verstanden wird (vgl. BAG 1. August 2001 – 4 AZR 129/00 – zu I 1 b bb (2) der Gründe mwN, BAGE 98, 293). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Es fehlt bereits an einem konkludenten Angebot einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten auf Abänderung des Arbeitsvertrags. Ein solches ergibt sich vor allem nicht aus der unwirksamen Regelung der Nr. 3 RBV. Die Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine vertragliche Willenserklärung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn deren Regelungsgegenstand die Gewährung einer Leistung betrifft und besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber wolle sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten, diese Leistung zu erbringen (vgl. BAG 19. November 2019 – 3 AZR 127/18 – Rn. 55 mwN; vgl. zur Gesamtzusage BAG 23. Januar 2018 – 1 AZR 65/17 – Rn. 27, BAGE 161, 305).

Darüber hinaus konnte der Kläger nicht erkennen, dass seine widerspruchslose Weiterarbeit nach Inkrafttreten der RBV als Einverständnis mit einer Vertragsänderung über den Umfang seiner Arbeitszeit hätte verstanden werden können. Soweit er in der Folgezeit in einem seine vertraglichen Regelungen übersteigenden Umfang Arbeitsleistungen erbracht hat, erfolgte dies aus seiner Sicht in Vollziehung der RBV. Dementsprechend ist es auch unerheblich, dass er regelmäßig die durch den Umfang der Schichtdauer bedingte Ausgleichsarbeit geleistet hat. Ebenso führt der Umstand, dass ihm die in Nr. 2 RBV vorgesehene Lohnerhöhung gewährt wurde, zu keinem anderen Ergebnis. Anhaltspunkte, dass die Vertragsparteien übereinstimmend von einer Unwirksamkeit der Regelung in Nr. 3 RBV ausgegangen sind und sie dennoch verbindlich vollziehen wollten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers habe bereits vor Inkrafttreten der RBV 37,5 Wochenstunden betragen, fehlt es an einem hinreichenden Vorbringen für die Annahme einer entsprechenden vertraglichen Änderung der Arbeitszeit. Der bloße Hinweis, dass nach Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 RBV die „regelmäßige tägliche Arbeitszeit“ (nur) „um 30 Minuten“ erhöht sein sollte, genügt nicht.

Soweit der Kläger Arbeitsleistungen im Rahmen einer seine Normalarbeitszeit übersteigenden (regelmäßigen) 40-Stunden-Woche erbracht hat, hat die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen dies (mit)veranlasst oder zumindest gebilligt. Der Einsatz des Klägers erfolgte im Schichtbetrieb (vgl. Nr. 3 Abs. 1 BV); soweit er darüber hinaus „Ausgleichsarbeit“ nach Nr. 3 Abs. 3 BV leistete, hatte dies „in Absprache mit dem Vorgesetzten“ zu erfolgen.

Der Kläger konnte auch eine Vergütung für geleistete Überstunden nach § 612 Abs. 1 BGB erwarten, so dass diese – mangels ausdrücklicher Vereinbarung – als stillschweigend vereinbart gilt. Dies ergibt sich schon daraus, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen (vgl. BAG 27. Juni 2012 – 5 AZR 530/11 – Rn. 19 mwN).

Den Vergütungsansprüchen stehen die betrieblichen Arbeitszeitkontenregelungen nicht entgegen. Die Unwirksamkeit von Nr. 3 RBV bedingt die Unwirksamkeit von Nr. 4 Abs. 1 RBV (wortgleich mit Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 1 BV). Die Bestimmungen zur weiteren Ausgestaltung der Arbeitszeitkonten in Nr. 4 BV sind damit gegenstandslos. Auf die streitige Frage, ob Nr. 4.3 Abs. 1 Satz 2 BV die Vergütung von Überstunden zumindest „oberhalb des Guthabenbereichs“ von 80 Stunden vorsieht oder ob auch diese Überstunden in das Arbeitszeitkonto einzustellen sind, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf die Frage, ob – wie die Revision des Klägers meint – Regelungen über Arbeitszeitkonten zu ihrer Wirksamkeit zwingend Ausgleichszeiträume enthalten müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt die Unwirksamkeit einzelner Regelungen einer Betriebsvereinbarung nicht notwendig zu deren Gesamtunwirksamkeit. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Betriebsvereinbarung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. BAG 15. Mai 2018 – 1 ABR 75/16 – Rn. 31, BAGE 162, 379). Das folgt aus ihrem Normcharakter, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität eine einmal gesetzte Ordnung aufrechtzuerhalten, soweit sie ihre Funktion auch ohne den unwirksamen Teil noch entfalten kann.

Danach erweist sich die Regelung in Nr. 4 Abs. 1 RBV (wortgleich mit Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 1 BV) zur Einführung von Arbeitszeitkonten im gewerblichen Bereich als unwirksam. Sie stellt ohne die Einführung der 40-Stunden-Woche keine sinnvolle und in sich geschlossene, praktikable Regelung mehr dar; insbesondere kann sie die ihr zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen. Die Betriebsparteien haben beide Regelungen materiell untrennbar miteinander verknüpft.

Das zeigt bereits der Regelungsanlass. Die Einführung der 40-Stunden-Woche und die Einführung von Arbeitszeitkonten im gewerblichen Bereich sind Teil des in Nr. 2 RBV ausgewiesenen Maßnahmenkatalogs zur langfristigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und einer damit verbundenen weiteren Standortsicherung. Die Regelungsverknüpfung drückt sich daneben im zeitpunktidentischen Inkrafttreten der RBV und der – diese umsetzende – BV zum 1. Oktober 2003 sowie der zeitgleichen Einführung der Arbeitszeitkonten und der 40-Stunden-Woche aus (Nr. 4 Abs. 2 Satz 2 und Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 RBV; Nr. 6 Abs. 2 BV).

Auch der sonstige Inhalt beider Betriebsvereinbarungen zeigt, dass die Arbeitszeitdauer (40-Stunden-Woche) mit der Einführung von Arbeitszeitkonten im Betrieb untrennbar verknüpft war.

Hierfür spricht deutlich Nr. 1 BV. Danach dient diese Betriebsvereinbarung der Umsetzung der RBV in Bezug auf die 40-Stunden-Woche und die Einführung von Zeitkonten im gewerblichen Bereich. Beiden Maßnahmen haben die Betriebsparteien damit einen spezifischen Regelungszusammenhang beigemessen.

Die inhaltliche Gestaltung der Regelungen bestätigt, dass ohne Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden die Arbeitszeitkonten im gewerblichen Bereich nicht eingeführt worden wären. Die für alle gewerblichen Arbeitnehmer einzurichtenden Zeitkonten waren nach der erkennbaren Regelungsvorstellung der Betriebsparteien notwendig, weil die Dauer der wöchentlichen Schichtzeiten (vgl. Nr. 3 BV) nicht mit der wöchentlichen Soll-Arbeitszeit von (regelmäßig) 40 Wochenstunden korrespondierte. Um die Einhaltung dieser „regelmäßigen“ Wochenarbeitszeit sicherzustellen und gleichzeitig die Umsetzung des in Nr. 3 Abs. 2 und Abs. 3 BV vorgesehenen Mechanismus für die „Ausgleichsarbeitszeit“ zu ermöglichen, sollten Konten eingeführt werden, in denen diejenigen Zeiten, die unter- oder oberhalb der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 RBV lagen (vgl. Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BV), erfasst und miteinander „verrechnet“ werden. Damit dienten die Arbeitszeitkonten der erfassungstechnischen Administration der 40-Stunden-Woche.

Die Unwirksamkeit von Nr. 4 Abs. 1 RBV hat zur Folge, dass sämtliche Regelungen zur Ausgestaltung der Arbeitszeitkonten in Nr. 4 BV gegenstandslos sind. Da diese maßgeblich auf der Einführung der (regelmäßigen) 40-Stunden-Woche aufbauen, verbleibt für sie ohne wirksame Vereinbarung dieser betrieblichen Arbeitszeit kein sinnvoller Anwendungsbereich.

Die Ansprüche auf die Zahlung von Überstundenzuschlägen können gleichfalls nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung verneint werden.

Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Zahlung von Zuschlägen iHv. 25 % für jede geleistete Überstunde scheitere daran, dass der Kläger eine entsprechende betriebliche Übung nicht dargelegt habe, ist dies rechtsfehlerhaft. Insoweit hat es die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt.

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (BAG 19. Februar 2020 – 5 AZR 189/18 – Rn. 15 mwN). Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 18. März 2020 – 5 AZR 36/19 – Rn. 52 mwN, BAGE 170, 172). Dabei trägt nicht der Arbeitgeber die Darlegungslast dafür, dass er für den Arbeitnehmer erkennbar irrtümlich glaubte, die betreffenden Leistungen in Erfüllung einer (zB tarifvertraglichen) Verpflichtung erbringen zu müssen. Vielmehr ist es Sache der klagenden Partei, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Dazu gehört im Falle der betrieblichen Übung auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Leistungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen – etwa aufgrund eines Tarifvertrags – verpflichtet zu sein (vgl. BAG 18. März 2020 – 5 AZR 36/19 – aaO).

Ausgehend von diesen Anforderungen hätte das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Klägers zum Vorliegen einer betrieblichen Übung der Zahlung von Überstundenzuschlägen nicht als unsubstantiiert ansehen dürfen.

Der Kläger hat vorgebracht, dass im Zeitraum von 1991 bis 2002 mehreren – von ihm namentlich genannten – Arbeitnehmern entsprechende Zuschläge gezahlt worden seien. Dass er nicht im Einzelnen aufgezeigt hat, für welche konkret geleisteten Arbeitsstunden die Zuschläge gezahlt worden sind, ist unschädlich. Der Kläger hat keine Kenntnis über sämtliche im fraglichen Zeitraum von anderen Arbeitnehmern geleisteten und vergüteten Überstunden. Aufgrund des Umstands, dass anderen Arbeitnehmern Zuschläge für Überstunden zugeflossen sind, durfte er jedenfalls von der von ihm vorgebrachten allgemeinen Vergütungspraxis ausgehen.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts muss der Kläger nicht darlegen, dass er selbst im fraglichen Zeitraum Überstundenzuschläge erhalten hat. Eine bestehende betriebliche Übung kommt allen Arbeitnehmern zugute, mit denen unter ihrer Geltung ein Arbeitsverhältnis begründet wird (vgl. BAG 15. Mai 2012 – 3 AZR 610/11 – Rn. 64, BAGE 141, 222).

Soweit das Landesarbeitsgericht Vortrag dazu vermisst hat, die Zuschläge seien ohne individual- oder kollektivrechtliche Grundlage an alle Mitarbeiter geleistet worden, vernachlässigt es, dass der Kläger ein mehrjährig wiederholtes gleichförmiges Verhalten der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen, für welches keine andere Rechtsgrundlage ersichtlich war, behauptet hat. Das ist ausreichend. Ein „vorsorglicher“ Vortrag zum Fehlen jeglicher ggf. in Betracht kommender Rechtsgrundlage – etwa aufgrund Nachbindung oder Nachwirkung einschlägiger tariflicher Regelungen (§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG) – ist nach bisherigem Sachstand weder notwendig noch aufgrund der Einlassungen der Beklagten angezeigt.

Soweit das Landesarbeitsgericht die Abweisung der Ansprüche auf Zahlung von Überstundenzuschlägen zudem darauf gestützt hat, dass der Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen habe, an welchen Tagen er konkret über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus Überstunden geleistet hat, fehlt es an Feststellungen und einer hierauf bezogenen Würdigung, warum eine Schätzung nicht zulässig sein soll. Steht fest, dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für einzelne Überstunden nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen, sofern die Schätzung nicht mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte willkürlich wäre (vgl. BAG 13. Dezember 2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 53; 25. März 2015 – 5 AZR 602/13 – Rn. 18, 20, BAGE 151, 180). Voraussetzung für eine Schätzung ist lediglich, dass die klagende Partei nicht jede einzelne Überstunde belegen kann, sich aber in einem den Umständen nach zumutbaren Maß um eine Substantiierung bemüht und dem Gericht eine tatsächliche Grundlage für die Schätzung geliefert hat. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, aus welchen Gründen es diese Anforderungen als nicht erfüllt angesehen hat. Das erscheint auch insoweit inkonsequent, als es im Zusammenhang mit dem hilfsweisen Begehren des Klägers („Plusstunden in sein Arbeitszeitkonto einzustellen“) sehr wohl eine solche Schätzung vorgenommen hat.