Schwangerschaft während der Corona-Pandemie – Beschäftigungsverbot entfällt

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 29.03.2021 zum Aktenzeichen­ 2 Sa 1230/20 entschieden, dass wenn in der Coronakrise die Beschäftigung fällt, endet für die Schwangere das Beschäftigungsverbot.

Es gelten die allgemeinen Regeln zur Kurzarbeit oder zum Annahmeverzug.

Der Klägerin stand nach dem Entfall sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb der Beklagten durch die Coronakrise kein Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG mehr zu. Die Tatsache, dass die Beklagte das Beschäftigungsverbot ab März 2020 für die Berechnung des Vergütungsanspruchs außer Acht gelassen hat, war damit nicht benachteiligend.

Das nach § 16 MuSchG ausgestellte ärztliche Beschäftigungsverbot wird dann wirkungslos, wenn eine Beschäftigung aus anderen Gründen als einer durch die Weiterbeschäftigung drohenden Gefahr für Mutter und/oder Kind ohnehin nicht mehr möglich ist. So hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Gefährdung für die Gesundheit der Mutter oder ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung der einzige Grund sein darf, weshalb mit der Arbeit ausgesetzt werden muss (BAG 22.03.1995, 5 AZR 874/93; BAG 05.07.1995, 5 AZR 135/94; BAG 12.03.1997, 5 AZR 766/95; BAG 13.02.2002, 5 AZR 588/00). Das Bundesarbeitsgericht ist dabei stets davon ausgegangen, dass beispielsweise eine akute Erkrankung, die Lohnfortzahlungspflichten auslöst, einem Beschäftigungsverbot entgegensteht. Unzweifelhaft würde das Beschäftigungsverbot auch seine Wirkung verlieren, wenn eine Schwangere inhaftiert wird und aus diesem Grund gehindert ist, ihre Arbeitspflicht zu erfüllen. Gleiches gilt, wenn das Betriebsgebäude abbrennt oder auf Grund einer behördlich verfügten Betriebsschließung wegen Hygieneproblemen für alle Mitarbeiter/innen eine Beschäftigung entfällt. In diesen Fällen ist der besondere Mutterschutz nicht erforderlich, da dann gilt, was für alle gilt, da eine Gefahr für die Schwangerschaft von vorneherein ausgeschlossen ist.

Auch der neugefasste Wortlaut des Mutterschutzgesetzes aus dem Jahr 2017 ändert an dieser Rechtsfolge nichts. Nach wie vor setzt der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG (früher § 11 MuSchG) voraus, dass die Gefährdung durch ein Weiterarbeiten der einzige Grund dafür ist, warum die Schwangere mit der Arbeit aussetzen muss. Ist die Arbeit aus anderen Gründen unmöglich, entfällt die Sonderstellung der Schwangeren und es gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln. Der Schutz der Schwangeren geht also nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um Gefahren für die Gesundheit der Schwangeren oder ihres Kindes abzuwenden, die gerade dadurch entstehen, dass die Schwangere ihre Beschäftigung weiterführt.

Die Rechtsansicht der Klägerin, dass sich aus § 21 MuSchG ergebe, dass Kurzarbeit ein Beschäftigungsverbot nicht verdränge, ist unzutreffend. Der Wortlaut des § 21 MuSchG besagt lediglich, das in dem Falle, in dem Kurzarbeit während des Referenzzeitraumes (hier die letzten drei vollen abgerechneten Kalendermonaten vor Eintritt der Schwangerschaft) gegeben ist, diese außer Betracht bleibt. Denn die Schwangere soll sich im Falle, dass die Kurzarbeit zu dem Zeitpunkt beendet ist, zu dem eine Beschäftigung möglich ist und deshalb ein Beschäftigungsverbot erforderlich ist, nicht schlechter stehen als andere Arbeitnehmerinnen, die nicht schwanger sind und deshalb ihre volle Vergütung durch Arbeit erzielen können.

Damit hat die Beklagte ersichtlich keinen gesetzlichen Anspruch aus § 18 MuSchG, der dem besonderen Schutz der schwangeren Frau dient, missachtet, da das Beschäftigungsverbot nach dem Entfall sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten gegenstandslos geworden war.

Eine benachteiligende Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft oder wegen ihres Geschlechts liegt auch nicht in der partiellen verkürzten Vergütungszahlung, welche nach Klärung der Rechtslage nachgezahlt wurde. Zunächst wurde die Klägerin nicht schlechter behandelt als alle anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, weil die Beklagte lediglich davon ausgegangen ist, der Klägerin stehe ebenfalls nur Vergütung in Höhe des Kurzarbeitergeldes zu. Ein Nachteil gegenüber den anderen Mitarbeitern ist damit nicht verbunden gewesen, sodass es unabhängig vom Geschlecht bereits an einer benachteiligenden Handlung fehlt. Die Klägerin wurde so behandelt, als habe sie die Zustimmung zur Kurzarbeit erteilt. Ein mit dem Geschlecht zusammenhängendes Differenzierungskriterium ist nicht erkennbar.

Auch die Tatsache, dass die Klägerin erst verspätet um ihre Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten wurde, stellt keine benachteiligende Handlung dar. Denn hierdurch blieb der Klägerin ihr folgt voller Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug uneingeschränkt erhalten. Die verspätete Anfrage ist damit nicht nachteilig i.S.d. AGG.

Die Klägerin war somit wegen ihres Geschlechts bzw. der nur beim weiblichen Geschlecht gegebenen Schwangerschaft zu keinem Zeitpunkt schlechter gestellt als die anderen Mitarbeiter der Beklagten oder die nicht schwangeren Mitarbeiterinnen. Durch die verzögerte Abfrage ihrer Zustimmung zur Kurzarbeit hat sie ihren Annahmeverzugsanspruch behalten. Die irrtümliche Gleichbehandlung mit allen anderen in Kurzarbeit befindliche Mitarbeitern, gegebenenfalls auch in der Erwartung, die Klägerin sei so solidarisch wie der Rest der Belegschaft, stellt die Klägerin nicht schlechter als alle anderen Mitarbeiter.