Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 30.6.2022 zum Aktenzeichen 2 Rv 34 Ss 789/21 entschieden, dass auch derjenige, der die eigene Identität lediglich vor politischen Gegnern verbergen möchte, weil er von diesen ausgehende Repressalien befürchtet, sich bei der Teilnahme an einer Demonstration nicht vermummen darf. Wer dennoch das eigene Gesicht verhüllt, macht sich wegen Verstoßes gegen das versammlungsrechtliche Vermummungsverbot strafbar.
Aus der Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 07.07.2022 ergibt sich:
Mit dieser Aussage hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe durch Urteil vom 30. Juni 2022 einer Revision der Staatsanwaltschaft Freiburg gegen eine freisprechende Entscheidung des Landgerichts Freiburg vom 14. Juli 2021 stattgegeben. Der Senat hat betont, dass das Vermummungsverbot in § 17a Abs. 2 Nr. 1 des Versammlungsgesetzes den Zweck verfolgt, bereits abstrakten Gefährdungen im Rahmen von Versammlungen entgegenzuwirken. Diese sieht der Senat darin, dass das Auftreten Vermummter die Bereitschaft zur Gewalt und zur Begehung von Straftaten indiziert und provoziert. Vermummte stellen bei einer Demonstration regelmäßig den Kern der Gewalttäter und können diejenigen Demonstrationsteilnehmer, die ohnehin zur Anwendung von Gewalt neigen, in ihrer Gewaltbereitschaft bestärken. Der von einigen Land- und Amtsgerichten befürworteten Einschränkung des Verbots der Vermummung, wenn diese lediglich aus Gründen des Selbstschutzes erfolgt, hat der 2. Strafsenat daher in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte eine Absage erteilt. Der Senat hat dabei auch auf die in § 17a Abs. 3 Satz 2 des Versammlungsgesetzes vorgesehene Möglichkeit hingewiesen, dass die Versammlungsbehörde in begründeten Fällen eine Befreiung von dem Vermummungsverbot erteilen kann.
In dem durch den Senat entschiedenen Fall hatte sich ein 41 Jahre alter Angeklagter gegen den Tatvorwurf mit der Einlassung verteidigt, er habe sich „aus Angst vor einer Identifizierung durch die ‚Nazis‘ vermummt“, da er befürchtet habe, von den Teilnehmenden eines Aufzugs der „Alternative für Deutschland“, der in unmittelbarer Nähe an ihm vorbeigezogen sei, fotografiert oder gefilmt zu werden.
Das Verfahren wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.