Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 22.12.2020 zu den Aktenzeichen 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20 und 1 BvR 2777/20 die Eilanträge von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf Erlass von einstweiligen Anordnungen zur Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag, mit dem eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags geplant ist, mangels ausreichender Begründung abgelehnt.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG vom 22.12.2020 ergibt sich:
Die Beschwerdeführer rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden unter Verweis auf die Rechtsprechung des BverfG zur Rundfunkfinanzierung eine Verletzung ihrer Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Mit dem Unterlassen der Zustimmung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag (1. MÄStV) und in dessen Folge der unterlassenen Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch den Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt weiche der Landtag von Sachsen-Anhalt aus verfassungsrechtlich unzulässigen programmlichen und medienpolitischen Gründen von den durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüften und korrigierten Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten ab. Damit werde der Grundsatz der Programmneutralität und Programmakzessorietät der Finanzierungsentscheidung verletzt. Nachprüfbare Gründe für die Abweichung von den Feststellungen der KEF habe der Landtag Sachsen-Anhalt weder erörtert noch seien sie sonst ersichtlich. Art. 1 des 1. MÄStV sei einstweilen in Geltung zu setzen. Die Verfallsklausel des Art. 2 Abs. 2 des 1. MÄStV müsse vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Kraft gesetzt werden, um dem Land Sachsen-Anhalt auf Anordnung des BVerfG gemäß § 35 BVerfGG ein Inkraftsetzen des geänderten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags auch nach Ablauf des Jahres 2020 zu ermöglichen. Zu dem Antrag der Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2756/20 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben Stellung genommen: die Bundesregierung; in einer gemeinsamen Stellungnahme die Regierungen der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein; die Regierungen Bremens und des Saarlands. Die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, jedenfalls aber für unbegründet.
Das BVerfG hat die Eilanträge abgelehnt.
Nach Auffassung des BVerfG sind die Verfassungsbeschwerden weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG erscheint eine Verletzung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zumindest möglich. Die Beschwerdeführer hätten jedoch nicht in der den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen. Auf eine Folgenabwägung komme es daher nicht an.
Die Beschwerdeführer legten nicht näher dar, dass eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags irreversibel zu schweren Nachteilen führte.
Das BVerfG habe früher ausgeführt, dass sich eine möglicherweise durch das Fehlen hinreichender Mittel ausgelöste Verschlechterung des Programmangebots angesichts der Zeitgebundenheit der Wirkungen des Rundfunks nicht schlicht durch eine entsprechende finanzielle Mehrausstattung in späteren Zeiträumen kompensieren lasse. Sei in vergangenen Zeiträumen ein verschlechtertes Angebot ausgestrahlt worden, könne dies durch spätere Mehrausstattung tatsächlich nicht mehr ausgeglichen werden. Daraus gehe die Irrevisibilität der Folgen eines verspäteten Inkrafttretens des geänderten Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags jedoch nicht ohne Weiteres hervor. Dies hätten die Beschwerdeführer vielmehr näher aufzeigen müssen. Denn wenn das Programmangebot tatsächlich erbracht werde, sei nach den genannten Grundsätzen eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen durchaus nicht ausgeschlossen. Sofern die Beschwerdeführer also geltend machen wollen, eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags löse eine Verschlechterung des Programmangebots aus und verletzte irreparabel ihre Rundfunkfreiheit, hätten sie substantiiert darlegen müssen, bei Nichtinkrafttreten ab dem 01.01.2021 mangels Beitragserhöhung zu dem von der KEF geprüften Programmangebot nicht in der Lage zu sein, obwohl im Fall des Obsiegens im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen in Betracht kommt. Zwar sei ohne Weiteres plausibel, dass die Beschwerdeführer trotz der Aussicht auf spätere finanzielle Mehrausstattung nicht auf unbegrenzte Zeit in der Lage wären, das Programmangebot gewissermaßen in eigener „Vorleistung“ zu realisieren. Nicht ohne Weiteres plausibel sei hingegen, dass dies – mit Blick auf entsprechende spätere Mehrausstattung – nicht für eine gewisse Zeit möglich sein sollte. Insofern hätte es genauerer Angaben bedurft. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf eine Deckungslücke bis Ende des Jahres 2024 oder aber jedenfalls bis Ende des Jahres 2022 reiche schon deshalb nicht aus, weil nicht nachvollzogen werden könne, warum im Falle eines Abwartens der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden der Finanzbedarf bis Ende des Jahres 2022 oder sogar bis Ende des Jahres 2024 ungedeckt bleiben sollte.
Im Übrigen wäre den Anstalten jedenfalls ein Ausgleich zu gewähren, falls ihnen auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Festsetzung des Beitrags Mittel – etwa für nötige Investitionen – entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF erforderlich war, um die Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen. Auch insofern hätten die Beschwerdeführer darlegen müssen, warum ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl irreversible Nachteile eintreten sollten. Hierzu tragen die Beschwerdeführer ebenfalls nicht substantiiert vor.
Die Beschwerdeführer tragen auch hinsichtlich der Verfallsklausel in Art. 2 Abs. 2 des 1. MÄStV, deren einstweilige Außerkraftsetzung sie beantragen, die in § 32 BVerfGG vorausgesetzte Dringlichkeit nicht substantiiert vor. Sie begründeten nicht näher, inwiefern die Verfallsklausel nach dem 31.12.2020 einer Realisierung der angestrebten Beitragserhöhung rechtlich oder tatsächlich im Wege stehen sollte. Sie legten auch nicht dar, weshalb es für den Fall, dass eine einstweilige Außerkraftsetzung der Verfallsklausel in Art. 2 Abs. 2 des 1. MÄStV in dem vorliegenden Eilverfahren unterbleibe, nicht möglich sein sollte, dem Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführer in der Hauptsache zu entsprechen. Insbesondere erläuterten sie nicht weiter, warum die Verfallsklausel – wie sie behaupten – vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Kraft gesetzt werden müsste, um dem Land Sachsen-Anhalt – etwa auf Anordnung des BVerfG gemäß § 35 BVerfGG – ein Inkraftsetzen der Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags auch nach Ablauf des Jahres 2020 zu ermöglichen.