Rückzahlung von Fortbildungskosten

11. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 28.05.2021 zum Aktenzeichen 10 Sa 460/20 entschieden, dass wenn in einem Fortbildungsvertrag über eine 6­-wöchige Qualifikation zum Werkpolier eine 3-­jährige Bin­dung vereinbart wird, dies die zulässige Bindungsdauer von 1 Jahr für Ausbildungen, die bis zu 2 Monate dauern, erheblich überschreitet und zur Unangemessenheit der Klausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB führt.

Zunächst ist bei den Regeln des Fortbildungsvertrages vom Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen auszugehen. Die Fortbildungsvereinbarung weist außer den persönlichen Daten des Beklagten keine individuellen Besonderheiten auf. Dies – wie auch das äußere Erscheinungsbild – begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich bei den Bestimmungen um allgemeine Geschäftsbedingen im Sinne von § 305 Absatz 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2018 – 9 AZR 383/18 -, Randziffer 15).

Für die Wirksamkeit von entsprechenden Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen gilt, dass als vertragliche Vereinbarung, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, nur dann zulässig sind, wenn die Ausbildung– und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, sei es, dass bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Außerdem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikation zu beurteilen. Grundsätzlich gilt dabei: Bei einer Fortbildungsdauer bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Abweichungen hiervon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Es geht nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Richtwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind (vgl. BAG, Urteil vom 15.09.2009 – 3 AZR 173/08 -, Randziffer 38).

Nach der o. g. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist grundsätzlich die zulässige Bindungsdauer von einem Jahr bei einer Ausbildungsdauer bis zu zwei Monaten hier gravierend überschritten, in dem der Fortbildungsvertrag vom 22.10.2018 eine Bindungsdauer von drei Jahren vorsieht. Dies führt zur Unangemessenheit der von der Beklagten verwendeten Klausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.

Eine Abweichung von dieser grundsätzlichen Festlegung ist vorliegend nicht geboten.

Von einem außergewöhnlich großen Vorteil im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nach Absolvierung der Fortbildung zum Werkspolier durch den Beklagten im vorliegenden Einzelfall nicht auszugehen. Die Klägerin führt hierbei den möglichen Aufstieg des Beklagten zum Werkpolier und die dadurch einhergehende Höhergruppierung nach dem Bundesrahmentarifvertrag des Baugewerbes in die Lohngruppe 6 an, die eine Steigerung des bisherigen Lohns des Beklagten in Höhe von 16,50 € brutto stündlich auf den Stundenlohn als Werkpolier im Umfang auf 23,70 € brutto bewirken würde. Allerdings ist dies keine unmittelbare Folge der Absolvierung des Lehrgangs. Eine Garantie für eine Höhergruppierung ist hierdurch nicht gegeben (vgl. hierzu Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29.10.2010 – 19 Sa 329/10 -, Randziffer 51). Dies zeigt sich im vorliegenden Einzelfall auch daran, dass sich diese Option für den Beklagten bis zum Ausspruch der Eigenkündigung Ende Juli 2019 nicht realisiert hatte, was auch aus der letzten Gehaltsabrechnung zu schließen ist, die weiterhin von dem Stundenlohn in Höhe von 16,50 € brutto ausgeht.

Erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen der Klägerin für die Durchführung der Fortbildung des Beklagten rechtfertigen ebenfalls kein Abweichen von den vorgenannten grundsätzlichen Festlegungen. Hierzu hat der Beklagte zutreffend auf den Status der Klägerin als mittelständisches Unternehmen verwiesen. Zudem fließt der erhebliche Teil der entstandenen Fortbildungskosten – nämlich der Umfang der Entgeltfortzahlung den Freistellungszeitraum – in Höhe des darauf entfallenden Bruttolohns von 3.069,00 € nebst Arbeitgeberabgaben bereits bei der Festlegung der Grundsätze zur angemessenen Dauer der Bindung ein und vermag eine darüber hinausgehende erhebliche wirtschaftliche Aufwendung ohne weiteres nicht zu rechtfertigen (vgl. hierzu Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29.10.2010 – 19 Sa 329/10 -, Randziffer 52).

Im Rahmen des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine geltungserhaltende Reduktion nicht vorgesehen (vgl. BAG, Urteil vom 15.09.2009– 3 AZR 173/08 -, Randziffer 48).

Auf eine an die Unwirksamkeit anknüpfende ergänzende Vertragsauslegung kann sich die Klägerin für eine teilweise Aufrechterhaltung der Rückzahlungsklausel im Umfang einer zulässigen Bindungsdauer nicht berufen.

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt unter Umständen in Betracht, in denen das Gesetz ohnehin vorsieht, dass ein Verstoß gegen die Schutzvorschriften des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen ausnahmsweise Auswirkungen auf den Bestand des Vertrages hat, also dann, wenn das Festhalten an ihn für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. In diesen Fällen ergibt sich aus der gesetzlichen Wertung, dass es nicht bei der bloßen Unwirksamkeit einer Klausel verbleiben kann. Auch unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt jedoch nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders die Annahme einer unzumutbaren Härte und damit einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Entscheidend ist, ob die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel eine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitslebens kommt bei einer mit einer Rückzahlungsverpflichtung für Fortbildungskosten verbundenen zu langen Bindungsdauer eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. In Einzelfällen sind Abweichungen von der in den Grundstrukturen festgelegten Zulässigkeit von Bindungsklauseln möglich, etwa wenn die Fortbildung dem Arbeitnehmer ungewöhnlich große Vorteile bringt oder der Arbeitgeber gar erhebliche Mittel aufwendet. Es ist also für den Arbeitgeber nicht immer voraussehbar, welche Bindungsdauer angemessen ist. Er trägt damit ein Prognoserisiko (vgl. BAG, Urteil vom 14.01.2009 – 3 AZR 900/07 -, Randziffer 28 ff.).

Hierbei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die grundsätzlich zulässige Bindungsdauer von einem Jahr mit der von der Beklagten gewählten Bindungsdauer von drei Jahren erheblich überschritten worden ist und sich daher ein Prognoserisiko hier nicht mehr realisiert hat. Die dreijährige Bindungsdauer kam mit Rücksicht auf die Ausbildungsdauer von etwas über einem Monat, die an der unteren Schwelle für eine zulässige Bindungsdauer von einem Jahr liegt, von vornherein nicht in Betracht und war mit der gewählten Bindungsdauer von drei Jahren deutlich überschritten. Insofern erweist sich die Beklagtenseite nicht als schutzwürdig für ein von ihr eingegangenes Prognoserisiko. Eine ergänzende Vertragsauslegung war daher nicht vorzunehmen.