Der Europäische Gerichtshof hat am 12.05.2021 zum Aktenzeichen C-11/20 entschieden, dass Griechenland dadurch gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, dass es versäumt hat, die an griechische Landwirte zum Ausgleich widriger Witterungsverhältnisse gezahlten rechtswidrigen Beihilfen zurückzufordern.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 77/2021 vom 12.05.2021 ergibt sich:
Die griechische Agrarversicherungsanstalt (ELGA) – eine öffentliche Einrichtung mit dem Zweck, landwirtschaftliche Betriebe gegen Schäden zu versichern, die durch natürliche Risiken verursacht werden – leistete im Jahr 2009 an griechische Landwirte Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 425 Mio. Euro für Schäden, die ihnen im Jahr 2008 infolge widriger Witterungsverhältnisse entstanden waren. Mit Beschluss 2012/157/EU vom 7. Dezember 2011 (bekannt gegeben unter Aktenzeichen K [2011] 7260 – ABl. 2012, L 78, S. 21) stufte die Kommission diese Maßnahmen als rechtswidrige staatliche Beihilfen ein und erklärte sie für mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Sie gab den griechischen Behörden daher auf, sie von den Empfängern zurückzufordern. Griechenland beantragte beim Gericht der Europäischen Union, diesen Beschluss für nichtig zu erklären und seine Vollziehung auszusetzen, bis ein Urteil in der Sache ergangen sei. Im Jahr 2012 ordnete der Präsident des Gerichts mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. September 2012 (T-52/12 R „Griechenland/Kommission“) die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses an, soweit er Griechenland verpflichtete, die unvereinbaren Beihilfen von den Empfängern zurückzufordern. Dennoch wies das Gericht im Jahr 2014 die Klage in der Sache ab (EuG, Urt. v. 16.07.2014 – T-52/12 „Griechenland/Kommission“). Griechenland legte daraufhin ein Rechtsmittel beim Gerichtshof ein und beantragte, das Urteil des Gerichts aufzuheben und die Vollziehung des Beschlusses der Kommission bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel auszusetzen. Der Gerichtshof wies den Antrag auf Aussetzung (Beschluss des Vizepräsidenten des EuGH v. 03.12.2014 – C-431/14 P R „Griechenland/Kommission“) sowie das Rechtsmittel zurück und bestätigte die Verpflichtung des griechischen Staates, die Beihilfen zurückzufordern (EuGH, Urt. v. 08.03.2016 – C-431/14 P „Griechenland/Kommission“).
Die Kommission ist der Auffassung, dass Griechenland nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen alle zur Durchführung des Beschlusses erforderlichen Maßnahmen getroffen habe und sie nicht hinreichend über die in Anwendung des Beschlusses getroffenen Maßnahmen informiert habe: Sie hat daher beschlossen, beim Gerichtshof eine Klage wegen Vertragsverletzung zu erheben.
Mit seinem Urteil vom heutigen Tag gibt der Gerichtshof der Vertragsverletzungsklage der Kommission statt.
Er stellt zunächst fest, dass Griechenland bei Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist (11. Juni 2012) nicht alle erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um die rechtswidrigen staatlichen Beihilfen von den Empfängern zurückzufordern. Die Frist von vier Monaten, die für die Vollziehung des Beschlusses der Kommission gesetzt wurde, wäre am 9. April 2012 abgelaufen. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Kommission dem Antrag Griechenlands, die Rückforderung der Beihilfen um zwei Monate aufzuschieben, stattgab, lief die Frist jedoch am 11. Juni 2012 ab.
Mehr als acht Jahre nach Erlass des Beschlusses der Kommission haben die griechischen Behörden nämlich noch immer nicht seine Durchführung betrieben.
Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass es Griechenland nicht absolut unmöglich war, die Beihilfen zurückzufordern. Die administrativen oder technischen Schwierigkeiten aufgrund der hohen Zahl der Empfänger erlauben nicht die Annahme, dass die Rückforderung technisch nicht durchführbar ist. Zudem zeigte Griechenland im Juni 2015, also drei Jahre nach Ablauf der vorgenannten Frist, seine Absicht an, Vorschriften zu erlassen, um diese administrative Schwierigkeit zu beseitigen.
Was sodann das Argument Griechenland betrifft, wonach es den interministeriellen Erlass zum Zweck der Rückforderung von Beträgen, die höher als 5 000 Euro seien, nicht erlassen habe, weil die Kommission sich dem entgegengestellt habe, stellt der Gerichtshof klar, dass die Kommission ihre Besorgnis in Bezug auf eine willkürlich festgelegte Grenze, unterhalb deren keine Rückforderung erfolgen sollte, zum Ausdruck gebracht hat. Dies hinderte Griechenland jedoch nicht daran, die Änderung des rechtlichen Rahmens fortzusetzen, um sicherzustellen, dass der Beschluss der Kommission durchgeführt würde.
Was die Anführung sozialer Unruhen angeht, zu denen die Rückforderung der Beihilfen geführt hätte, haben die griechischen Behörden nicht dargetan, dass eine reale Gefahr einer Reaktion seitens der Landwirte bestanden habe, die Folgen für die öffentliche Ordnung gehabt hätte, denen sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht hätten begegnen können.
Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass Griechenland es versäumt hat, die Kommission über die in Anwendung des Beschlusses getroffenen Maßnahmen hinreichend zu informieren. Mit dem Beschluss der Kommission wird Griechenland auferlegt, bestimmte Auskünfte hinsichtlich der Rückforderung der Beihilfe innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses mitzuteilen. Da der Beschluss am 8. Dezember 2011 bekannt gegeben wurde, lief diese Frist am 8. Februar 2012 ab. Selbst wenn unterstellt wird, dass sich die Frist von zwei Monaten um zwei Monate verlängerte, weil die Kommission dem erwähnten Antrag stattgegeben hatte, hatten die griechischen Behörden die Auskünfte noch immer nicht mitgeteilt.
Zum einen hatte Griechenland zum Zeitpunkt des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache der Kommission noch immer nicht die Dokumente zum Nachweis dessen, dass die Rückzahlung der Beihilfe bei den Empfängern angemahnt wurde, übermittelt. Zum anderen hat es die Kommission nicht fortlaufend über die Fortschritte beim Erlass nationaler Maßnahmen informiert, die erforderlich waren, um die Beihilfen vollständig zurückzufordern. Nachdem Griechenland im Juni 2016 mitgeteilt hatte, dass es noch keine Maßnahmen zur Rückforderung erlassen habe, hat es nämlich keine weiteren Informationen übermittelt: Auf alle expliziten Anfragen und Erinnerungsschreiben der Kommission reagierte Griechenland nicht.