Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18. März 2022 zum Aktenzeichen 2 BvR 1232/20 entscheiden, dass die Richterbesoldung nach Altersstufen wegen Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verfassungswidrig ist.
Der Beschwerdeführer ist Richter am Amtsgericht im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt. Er wurde bis April 2010 nach Lebensaltersstufen besoldet.
Am 26. März 2012 legte der Beschwerdeführer Widerspruch gegen die Höhe seiner Besoldung ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Besoldung nach Altersstufen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung darstelle. Den Widerspruch wies das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch das Finanzamt (im Folgenden: Beklagter), zurück. Ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei verfristet.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Beschwerdeführer Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg und beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihm eine angemessene Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung für den Zeitraum von August 2006 bis April 2010 zu zahlen. Dies begründete er unter anderem damit, dass die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG in Fällen der altersdiskriminierenden Besoldung nicht mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz vereinbar sei.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Beklagten vom 5. Juni 2018 an das Verwaltungsgericht Halle vor, wonach dort 10.667 Anträge oder Widersprüche mit der Rüge einer altersdiskriminierenden Besoldung eingegangen seien. 3.513 hätten zu einer Zahlung geführt; 6.516 seien wegen Versäumung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG abgelehnt worden.
Mit Urteil vom 21. Juni 2018 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass der Beschwerdeführer die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten habe. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mache die Frist von zwei Monaten die Ausübung der dem Beamten vom Unionsrecht verliehenen Rechte weder unmöglich noch erschwere sie diese übermäßig. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vorgelegten Schreiben des Beklagten an das Verwaltungsgericht Halle. Danach seien 61 % der Anträge wegen Fristversäumnis abgelehnt worden; 39 % hätten demgegenüber Erfolg gehabt. Dies spreche gegen eine übermäßige Erschwernis der Geltendmachung. Das Gericht sehe auch keinen Anlass, von Amts wegen weitere Ermittlungen darüber anzustellen, in wie vielen Fällen Beamten über das beklagte Land hinaus unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 4 AGG eine Entschädigung versagt worden sei. Ob und wann ein Betroffener einen Antrag stelle, hänge von mannigfaltigen Umständen wie der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, der Entschlusskraft oder der Ausprägung des Bedürfnisses nach letzter Klärung des Vorliegens anspruchsbegründender Merkmale vor Geltendmachung des Anspruchs ab. Ob und wie viele Antragsteller an der Frist scheiterten, sei deshalb für die Frage, ob den Beamten die Geltendmachung der Rechte unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde, letztlich nicht von Bedeutung. Dass die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG den Maßgaben des Effektivitätsgrundsatzes genüge, sei im Übrigen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt.
Gegen das Urteil beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zur Begründung führte er aus, dass das Verwaltungsgericht rechtsirrig davon ausgehe, es liege kein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz vor. Dies ergebe sich aus den vom Beklagten mit Schreiben vom 5. Juni 2018 mitgeteilten Zahlen. Jedenfalls führe die durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte Festlegung des Fristbeginns für die Betroffenen zu einer übermäßigen Erschwerung der Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte.
Mit Verfügung vom 15. Oktober 2018 teilte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt dem Beschwerdeführer mit, dass nach Auskunft des Verwaltungsgerichts Halle beabsichtigt sei, noch im Oktober 2018 dem Europäischen Gerichtshof eine auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz bezogene Auslegungsfrage zur Anwendung des § 15 Abs. 4 AGG in Verfahren wegen altersdiskriminierender Besoldung vorzulegen. Es werde daher angeregt, zu überdenken, ob das Ruhen des Zulassungsverfahrens beantragt werden solle.
Nachdem das Verfahren zum Ruhen gebracht worden war, beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 die Wiederaufnahme des Verfahrens und wies auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Februar 2020 – C-773/18 u.a. – hin. Tatsächlich habe die Gefahr bestanden, dass er und weitere betroffene Beamte und Richter am Tag der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai – C-297/10 u.a. – am 8. September 2011 nicht hätten erkennen können, dass sie in Bezug auf ihre Besoldung diskriminiert worden seien. Dies ergebe sich daraus, dass dieses Urteil nicht die Beamtenbesoldung, sondern die tarifrechtliche Vergütung betroffen habe. Der Beklagte habe im Anschluss an die Verkündung die Auffassung vertreten, dass dieses nicht auf Beamte und Richter übertragbar sei. Nicht nur der Beschwerdeführer habe die Bedeutung des Urteils für seine eigene Besoldung nicht sofort erkannt; mehr als 60 % der Widersprüche von Beamten und Richtern des Landes Sachsen-Anhalt seien wegen Verspätung zurückgewiesen worden. Es bedürfe keiner Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt die Rechtslage in einer Weise geklärt gewesen sei, dass die Frist des § 15 Abs. 4 AGG zu laufen begonnen habe, da dies hier jedenfalls noch nicht der Fall gewesen sei.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 11. Juni 2020 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Die vom Beschwerdeführer allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigten die Zulassung der Berufung nicht. Ohne Erfolg berufe er sich auf die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 5. Juni 2018 genannten Zahlen. Wie der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 27. Februar 2020 ausgeführt habe, gehe insbesondere aus dem Umstand, dass mehrere Tausend Beamte und Richter des Landes Sachsen-Anhalt ihre Anträge innerhalb der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist eingereicht haben, klar hervor, dass der im vorliegenden Fall festgesetzte Fristbeginn die Ausübung der durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht habe. Soweit der Europäische Gerichtshof weiter ausführe, dass dagegen andere Anhaltspunkte dafür sprächen, dass die Ausübung dieser Rechte übermäßig erschwert worden sei, da der Fristbeginn so festgesetzt worden sei, dass die Gefahr bestanden habe, dass sie nicht innerhalb der Zweimonatsfrist hätten erkennen können, dass sie diskriminiert worden seien, sei zwar im Rahmen der dahingehenden Überprüfung auch der vom Beschwerdeführer in den Mittelpunkt seines Zulassungsvorbringens gestellte Gesichtspunkt des hohen Anteils der als verspätet zurückgewiesenen Widersprüche zu berücksichtigen. Diesem Aspekt komme jedoch nicht das ihm vom Beschwerdeführer beigemessene maßgebliche Gewicht zu, aufgrund dessen die Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstlichen Zweifeln unterliegen könnte; erst recht stelle das aufgezeigte Zahlenverhältnis keinen „Beleg“ für einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz dar. Vielmehr habe bereits das Verwaltungsgericht überzeugend dargetan, dass die Frage, ob und wann ein Betroffener einen Entschädigungsantrag stelle, „von mannigfaltigen Umständen wie der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, der Entschlusskraft und der Ausprägung des Bedürfnisses nach letzter Klärung des Vorliegens anspruchsbegründender Merkmale vor Geltendmachung des Anspruchs“ abhänge. Die rechnerische Quote der an der Ausschlussfrist gescheiterten Besoldungsempfänger gebe deshalb keinen Aufschluss darüber, ob diese Frist die Geltendmachung der Rechte übermäßig erschwert habe. Auch der Europäische Gerichtshof stütze seine diesbezüglich im Urteil vom 27. Februar 2020 geäußerten Zweifel auf andere, vom Beschwerdeführer jedenfalls nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gesichtspunkte. Auch die weiteren Einwände des Beschwerdeführers griffen nicht durch. Die Festsetzung von Ausschlussfristen und die nach § 15 Abs. 4 AGG vorgesehene Frist von zwei Monaten seien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar.
Der Beschwerdeführer hat am 10. Juli 2020 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges. Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Gibt das Prozessrecht den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass diese für die Rechtsmittelführenden leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <136 f.> m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2018 – 2 BvR 350/18 -, Rn. 15). Dementsprechend dürfen an die Begründung des Zulassungsantrages nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie an die spätere Berufungsbegründung nach § 124a Abs. 3 VwGO, für die zusätzliche Zeit zur Verfügung steht. Erst recht kann dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht abverlangt werden, dem Gericht vollständig die Begründung zu liefern, die es im Fall der Stattgabe selbst zu entwickeln hätte (vgl. BVerfGE 125, 104 <139>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2020 – 1 BvR 2705/16 -, Rn. 18).
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist vor diesem Hintergrund geklärt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erst dann gegeben sind, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; denn das Zulassungsverfahren hat nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen. Ernstliche Zweifel sind vielmehr bereits dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <140>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2018, a.a.O., Rn. 16).
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Das Oberverwaltungsgericht hat in einer unzumutbaren und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise das Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes verneint und die Darlegungsanforderungen überspannt.
Der Beschwerdeführer hat bereits mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil rechtsirrig davon ausgegangen sei, der Fristbeginn des § 15 Abs. 4 AGG ab Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (Urteil vom 8. September 2011 – C-297/10 u.a. -, juris) verstoße nicht gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Dabei hat er sich insbesondere auf die vom Beklagten im Schreiben vom 5. Juni 2018 an das Verwaltungsgericht Halle vorgelegten Zahlen berufen, wonach circa 65 % der Anträge auf Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung wegen Versäumung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG abgelehnt worden seien. Damit hat der Beschwerdeführer einen tragenden Rechtssatz der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit einer schlüssigen Argumentation in Frage gestellt.
Zwar entsprach die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6.13 -, BVerwGE 150, 234, juris, Rn. 52; Urteil vom 6. April 2017 – 2 C 20.15 -, juris, Rn. 12). Zudem hatte der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG einer Frist wie der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen nicht entgegenstehe, sofern zum einen diese Frist nicht weniger günstig sei als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe und zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich mache oder übermäßig erschwere (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – C-246/09 -, juris, Rn. 42). Im Hinblick auf eine altersdiskriminierende Besoldung ist der Europäische Gerichtshof außerdem davon ausgegangen, dass die maßgeblichen Vorgaben aus der Richtlinie 2000/78/EG mit der Verkündung des Urteils Hennigs und Mai erläutert und verdeutlicht worden seien (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – C-501/12 u.a. -, juris, Rn. 104; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 – 2 C 20.15 -, juris, Rn. 14). Von dieser Rechtsprechung war auch das Verwaltungsgericht in dem mit dem Zulassungsantrag angefochtenen Urteil ausgegangen.
Im Laufe des Zulassungsverfahrens hat der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung jedoch präzisiert und auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Halle entschieden, dass der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen sei, dass er es einem Mitgliedstaat verbiete, den Beginn einer Ausschlussfrist von zwei Monaten für die Stellung eines Antrags auf Ersatz des Schadens, der aus einer Maßnahme entstanden sei, die eine Diskriminierung wegen des Alters darstelle, auf den Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshof festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer ähnlichen Regelung festgestellt wurde, wenn die Gefahr bestehe, dass die Betroffenen nicht innerhalb der Frist erkennen könnten, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert wurden; dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat Uneinigkeit bestehe, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar ist (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2020 – C-773/18 u.a. -, juris).
Vor diesem Hintergrund überspannt das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an das Vorliegen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn es davon ausgeht, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigten die Zulassung der Berufung nicht.
Zwar weist das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend darauf hin, dass nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere aus dem Umstand, dass mehrere Tausend Beamte und Richter des Landes Sachsen-Anhalt ihre Anträge innerhalb der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehen Frist eingereicht haben, klar hervorgehe, dass der im vorliegenden Fall festgesetzte Fristbeginn die Ausübung der durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht habe (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2020, a.a.O., Rn. 86). Jedoch hat der Europäische Gerichtshof mit seinen weiteren Ausführungen die Gefahr gesehen, dass die Beamten und selbst die Richter des Landes Sachsen-Anhalt nicht innerhalb von zwei Monaten nach Verkündung des Urteils in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 hätten erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert worden seien (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2020, a.a.O., Rn. 90). Diese Gefahr wurde nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs sowohl dadurch bestätigt, dass die Kläger der dortigen Ausgangsverfahren nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts die Bedeutung dieses Urteils für ihre eigene Besoldung nicht sofort erkannt hätten, als auch dadurch, dass über 60 % der Widersprüche von Beamten und Richtern des Landes Sachsen-Anhalt wegen Verspätung zurückgewiesen worden seien (EuGH, a.a.O., Rn. 91).
Soweit das Oberverwaltungsgericht hierzu ausführt, dem vom Beschwerdeführer in den Mittelpunkt seines Zulassungsvorbringens gestellten Gesichtspunkt des hohen Anteils der als verspätet zurückgewiesenen Widersprüche komme nicht das ihm vom Beschwerdeführer beigemessene Gewicht zu, aufgrund dessen die Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstlichen Zweifeln unterliegen könnte, wird dies dem Charakter des Zulassungsverfahrens nicht gerecht. Es ist gerade nicht erforderlich, dass mit dem Zulassungsantrag bereits sämtliche Gründe dargelegt werden, die zu einer stattgebenden Entscheidung führen würden. Daher war es vorliegend ausreichend, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung den tragenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichts, der Fristbeginn verstoße nicht gegen den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz, damit in Frage gestellt hat, dass sich aus den vom Beklagten mit Schreiben vom 5. Juni 2018 mitgeteilten Zahlen ergebe, dass circa 65 % aller Entschädigungsanträge wegen Versäumung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG abgelehnt worden seien. Indem das Oberverwaltungsgericht diesem Argument bereits im Zulassungsverfahren eine nur untergeordnete Bedeutung beigemessen hat, versperrt es in unzulässiger Weise den Zugang zur nächsten Instanz, in der eine vertiefte Auseinandersetzung damit stattfinden müsste.
Anders als das Oberverwaltungsgericht offenbar meint, genügte das verwaltungsgerichtliche Urteil auch nicht bereits deshalb den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien für die Auslegung des Effektivitätsgrundsatzes, weil es davon ausgegangen ist, die Entscheidung, ob und wann ein Betroffener einen Antrag auf Entschädigung stelle, hänge „von mannigfaltigen Umständen wie der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, der Entschlusskraft oder der Ausprägung des Bedürfnisses nach letzter Klärung des Vorliegens anspruchsbegründender Merkmal[e] vor Geltendmachung des Anspruchs ab“. Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 27. Februar 2020 ausgeführt, es obliege dem vorlegenden Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis der Ausgangsrechtsstreitigkeiten verfüge, anhand sämtlicher einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Beginn der Frist des § 15 Abs. 4 AGG so festgelegt worden sei, dass die Ausübung der ihnen durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte durch die Beamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalt übermäßig erschwert worden sei (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2020, a.a.O., Rn. 93). Daraus folgt, dass das Fachgericht bei entsprechenden Anhaltspunkten eine umfassende Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen hat, um zu prüfen, ob der Fristbeginn gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt. Eine solche Prüfung hat das Verwaltungsgericht hier jedoch nicht vorgenommen. Es hat die von ihm aufgezählten Umstände vielmehr zur Begründung dafür angeführt, von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen zu den vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Zahlen anzustellen, da diese für die Frage, ob den Beamten die Geltendmachung der Rechte unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde, letztlich nicht von Bedeutung seien.
Darüber hinaus überspannt das Oberverwaltungsgericht auch die Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes, wenn es ausführt, der Europäische Gerichtshof stütze seine im Urteil vom 27. Februar 2020 geäußerten Zweifel im Wesentlichen auf andere, vom Beschwerdeführer jedenfalls nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegte Gesichtspunkte.
Da der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung und dem dortigen Verweis auf die Anzahl der wegen Fristversäumung abgelehnten Anträge auf Entschädigung die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bereits hinreichend in Zweifel gezogen hat, war es nicht erforderlich, auch die weiteren vom Europäischen Gerichtshof im Urteil vom 27. Februar 2020 angeführten Umstände schon im Rahmen des Zulassungsantrages vollständig geltend zu machen. Dies gilt umso mehr, als die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangen war und der Beschwerdeführer dementsprechend nicht wissen konnte, auf welche Gesichtspunkte der Europäische Gerichtshof im Einzelnen abstellen würde. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht mit seiner ausdrücklichen Anregung, im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Halle das Ruhen des Verfahrens zu beantragen, zum Ausdruck gebracht, dass es dieser Entscheidung eine Relevanz auch für das den Beschwerdeführer betreffende Zulassungsverfahren beimisst.
Schließlich bestand vorliegend die Besonderheit, dass in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall eine Klägerin des Ausgangsverfahrens Richterin an einem Gericht des ‒ auch im vorliegenden Ausgangsverfahren beklagten ‒ Landes Sachsen-Anhalt war. Daher war insbesondere der vom Europäischen Gerichtshof berücksichtigte Umstand, dass das Land Sachsen-Anhalt und die zuständigen Bundesbehörden im Anschluss an die Verkündung des Urteils vom 8. September 2011 – C-297/10 u.a. – die Auffassung vertreten hätten, dass dieses nicht auf Beamte und Richter übertragbar sei und diese Auffassung von der Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte geteilt worden sei (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2020, a.a.O., Rn. 88), ohne weiteres auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Ungeachtet des Umstands, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand mit seinem Antrag auf Wiederaufgreifen des Berufungszulassungsverfahrens vorgetragen hat, hätte es daher jedenfalls nahegelegen, ihn bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu berücksichtigen.