Das Oberlandesgericht Oldenburg hat am 14.05.2020 zum Aktenzeichen 1 Ws 140/20 entschieden, dass die bloße Möglichkeit, dass ein Richter als Zeuge vernommen werde, noch nicht zu seinem Ausschluss führt.
Aus der Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 22.05.2020 ergibt sich:
Das OLG Oldenburg hat in dem Strafverfahren gegen Mitarbeiter aus dem Klinikum Oldenburg wegen einer möglichen Mitverantwortlichkeit für die Straftaten des ehemaligen Krankenpflegers Niels H. entschieden, dass die drei Richter der Schwurgerichtskammer Oldenburg nicht aus gesetzlichen Gründen ausgeschlossen sind.
Zum Hintergrund: Nach der Verurteilung des ehemaligen Krankenpflegers Niels H. zu lebenslanger Haft hat die Staatsanwaltschaft im September 2019 Anklage gegen (teils ehemalige) Mitarbeiter des Klinikums Oldenburg erhoben. Drei der Angeschuldigten haben sich auf den Standpunkt gestellt, die damals zuständigen Richter seien in dem neuen Verfahren aus gesetzlichen Gründen ausgeschlossen und dürften daher nicht entscheiden.
Ein Richter ist nach § 22 StPO zum Beispiel dann ausgeschlossen, wenn er selbst oder sein Lebenspartner Opfer der Straftat ist oder wenn er mit dem Täter eng verwandt ist. Nach § 22 Nr. 5 StPO ist er auch dann ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge vernommen worden ist. Die Richter, so die Verteidigung, hätten aus dem Verfahren gegen Niels H. entscheidungserhebliche Kenntnisse erlangt, die für das Verfahren gegen die Klinikmitarbeiter relevant seien. Sie kämen als Zeugen in Betracht. Die Richter der Schwurgerichtskammer erstatteten eine sog. Selbstanzeige und zeigten an, dass sie in dem Vorverfahren tätig geworden waren.
Das LG Oldenburg hatte die Ablehnung der Richter des Schwurgerichts zurückgewiesen. Hiergegen legten drei der Angeschuldigten Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG Oldenburg hat jetzt die Entscheidung des Landgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts besteht kein gesetzlicher Ablehnungsgrund. Die Richter der Schwurgerichtskammer seien bislang nicht als Zeugen vernommen worden. Die bloße Möglichkeit reiche für eine Ablehnung nicht aus, weil dann ja jeder Angeklagte einen missliebigen Richter dadurch ausschließen könne, dass er ihn als Zeuge benenne. Es sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch überhaupt nicht absehbar, ob die Richter tatsächlich als Zeugen vernommen werden müssten.
Die Richter seien auch nicht deshalb auszuschließen, weil sie den Sachverhalt teilweise aus dem Vorverfahren kennen. Eine solche sogenannte „Vorbefassung“ führe nicht zu einem gesetzlichen Ausschluss. Solche Vorbefassungen kommen in Straf- wie auch in Zivilverfahren häufig vor und sind vom Gerichtsverfassungsrecht auch vorgesehen.
Auch das Urteil im Verfahren gegen Niels H. sei daher nicht gleichsam als schriftliche Zeugenaussage in dem Verfahren gegen die Mitarbeiter des Klinikums anzusehen. Die Selbstanzeige der Richter des Schwurgerichts rechtfertige ihren Ausschluss ebenfalls nicht. Denn die Richter hätten nur ihre Vorbefassung offengelegt und keine darüber hinausgehenden Erklärungen abgegeben, die einen Ausschluss rechtfertigen würden.
Das Verfahren geht jetzt zurück zum LG Oldenburg. Mehrere Angeschuldigte haben bereits gegen die Richter der Schwurgerichtskammer einen Befangenheitsantrag gestellt. Befangen ist ein Richter dann, wenn Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, etwa weil er sich unsachlich oder wertend über einen Beteiligten geäußert hat (§ 24 StPO). Ob dies vorliegend der Fall war, ist jetzt vom Landgericht zu prüfen, wobei auch gegen diese Entscheidung eine Beschwerde zum Oberlandesgericht möglich ist.