Regress bei Verordnung von Cannabisarzneimittel ohne die vorgeschriebene vorherige Genehmigung

Das Sozialgericht Stuttgart hat am 01.09.2020 zum Aktenzeichen S 12 KA 469/20 entschieden, dass wenn ein Vertragsarzt Cannabisarzneimittel verordnet, ohne die nach § 31 Absatz 6 Satz 2 SGB V vorgeschriebene vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse einzuholen, ist die Prüfungsstelle auf Antrag der Krankenkasse verpflichtet, den Arzt für die entstandenen Verordnungskosten in Regress zu nehmen.

Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 02.08.2021 ergibt sich:

Die Kläger verordneten ihrem Patienten Dronabinol. Erst danach stellten sie einen Antrag auf Kostenübernahme einer medikamentösen Behandlung mit Cannabis bei der Krankenkasse. Gegen den Regressbescheid der Prüfungsstelle erhoben die Kläger Klage und trugen vor, dass die angewandte Therapie aus medizinischer Sicht wirksam gewesen sei und im vorliegenden Fall einen medizinischen Zusatznutzen für den Patienten gehabt habe, werde von der Krankenkasse nicht beanstandet. Eine sonst nicht zu vermeidende stationäre Behandlung hätte höchstwahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung des psychischen Zustandes des Patienten sowie zu einem erheblichen Mehrkostenaufwand geführt.

Das Sozialgericht entschied, angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V bleibe für das Argument, die Verordnung sei medizinisch sinnvoll oder sogar notwendig gewesen, kein Raum. Nach dem Willen des Gesetzgebers trage das Genehmigungserfordernis dem Ausnahmecharakter der Regelung Rechnung. Selbst in besonders eilbedürftigen Situationen lasse der Gesetzgeber ganz bewusst nicht eine nachträgliche Genehmigung genügen, sondern verpflichte vielmehr die Krankenkasse zu einer besonders raschen Entscheidung (§ 31 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Der durch eine unzulässige Arzneimittelverordnung eingetretene Schaden entfalle auch nicht dadurch, dass dieselben Kosten (oder gar höhere Kosten) bei rechtmäßiger anderweitiger Verordnung entstanden wären. Der Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung setze ferner kein Verschulden des Arztes voraus. Der Beklagten habe bei der Festsetzung des Regresses auch kein Ermessensspielraum zugestanden.