Der Bayerische Verfassungsgerichtshof in München hat am 23.11.2020 zum Aktenzeichen Vf. 59-VII-20 entschieden, dass die Regelung zur häuslichen Quarantäne für Ein- und Rückreisende in der vom 10.04. bis zum 15.05.2020 geltenden Fassung verfassungsgemäß war.
Aus der Pressemitteilung des VerfGH München vom 24.11.2020 ergibt sich:
Gegenstand der Regelung war, dass Personen, die auf dem Land-, See-, oder Luftweg aus einem Staat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in den Freistaat Bayern einreisten, verpflichtet waren, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. Die angegriffene Regelung beruhte auf der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. §§ 28 ff. IfSG.
Der Antragsteller macht geltend, die angegriffene Verordnungsregelung habe gegen das Grundrecht auf Freiheit der Person verstoßen, weil den hiervon Betroffenen das Recht genommen worden sei, sich an jedem beliebigen Ort aufzuhalten. Dieser Grundrechtseingriff sei von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt gewesen. Die Absonderungspflicht habe auch gegen das Übermaßverbot verstoßen. Die für bestimmte Berufsgruppen und Fallgestaltungen vorgesehenen Ausnahmen erschienen willkürlich. Es sei beispielsweise nicht einzusehen, weshalb sich der Antragsteller nach der Rückkehr von einem länger als 48 Stunden dauernden Jagdaufenthalt in seinem von ihm allein genutzten Jagdhaus in Österreich in häusliche Absonderung hätte begeben müssen, während eine Stewardess, die bei Auslandsflügen in voll besetzten Maschinen mit eingeschränkter Luftzirkulation wesentlich höherer Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei, hiervon verschont geblieben wäre. Auch das Grundrechte auf Freizügigkeit, die allgemeine Handlungsfreiheit, die Berufsfreiheit und das Eigentumsgrundrecht seien verletzt.
Die Bayerische Staatsregierung hält die Popularklage für unzulässig, weil die angegriffene Regelung bereits außer Kraft getreten sei. Jedenfalls sei sie unbegründet, weil weder gegen Grundrechte noch gegen andere Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen worden sei.
Der VerfGH München hat die Popularklage abgewiesen.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs war die Regelung zur häuslichen Quarantäne für Ein- und Rückreisende in der vom 10. April bis zum 15. Mai 2020 geltenden Fassung war mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Sie habe nicht wegen einer offensichtlichen und gravierenden Abweichung von den Vorgaben der bundesrechtlichen Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verstoßen. Der Verfassungsgerichtshof habe eine auf einer bundesrechtlichen Ermächtigung beruhende Vorschrift des Landesrechts – anders als die Fachgerichtsbarkeit – nicht umfassend daraufhin zu überprüfen, ob der Normgeber die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm zutreffend beurteilt habe. Die Rüge, die beanstandete Regelung sei durch die bundesrechtliche Ermächtigungsnorm des § 32 IfSG i.V.m. §§ 28 ff. IfSG nicht gedeckt gewesen, könne nur mittelbar als Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips geprüft werden. Eine offensichtliche und gravierende Abweichung des § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV von den Vorgaben der Ermächtigung lasse sich jedoch nicht feststellen.
In den Schutzbereich des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art. 102 Abs. 1 BV) sei nicht eingegriffen worden. Zwar habe § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV die betroffenen Personen dazu verpflichtet, sich nach der Einreise zu einer selbst gewählten Unterkunft zu begeben und sich dort für einen Zeitraum von 14 Tagen in Eigenregie abzusondern. Die Einreise-Quarantäneverordnung habe jedoch keine Eingriffsbefugnisse geregelt, mittels derer ein Verbleiben in der selbst gewählten Unterkunft oder eine Rückkehr zu dieser unter Einsatz direkten Zwangs hätte durchgesetzt werden können. Als Sanktion im Fall eines Verstoßes gegen die Absonderungspflicht sei vielmehr nur die Verhängung eines Bußgelds vorgesehen gewesen. Eine über die Rechtspflicht zur Anwesenheit in der Unterkunft hinausgehende, unmittelbarem Zwang vergleichbare Beschränkung der Bewegungsfreiheit sei durch § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV somit nicht hervorgerufen worden.
Ebenso wenig seien Grundrechte der Bayerischen Verfassung, wie insbesondere das Recht auf Freizügigkeit (Art. 109 Abs. 1 BV), in unzulässiger Weise eingeschränkt gewesen. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Normgeber dem Schutz von Leben und Gesundheit höheres Gewicht eingeräumt hat als den durch die Pflicht zur Absonderung hervorgerufenen Beeinträchtigungen.
Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Einreisenden (Art. 118 Abs. 1 BV) sei nicht gegeben gewesen. § 1 Abs. 1 Satz 1 EQV habe in Verbindung mit der Ausnahmeregelung des § 2 EQV vorrangig den Infektionsrisiken entgegengewirkt, die von einem nicht durch dringende Gründe gerechtfertigten Einreiseverkehr ausgingen. Dies habe ein durch plausible, sachliche Gründe getragenes Regelungskonzept dargestellt.