Reform der Finanzaufsicht Bafin und des Wirtschaftsprüferwesens auf Weg gebracht

16. Dezember 2020 -

Das Bundeskabinett hat als Reaktion auf den Wirecard-Skandal umfangreiche Reformpläne für die Finanzaufsicht Bafin und das Wirtschaftsprüferwesen auf den Weg gebracht und den vom Bundesministerium der Finanzen und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) beschlossen.

Aus der Pressemitteilung des BMJV vom 16.12.2020 ergibt sich:

„Der Gesetzentwurf ist ein entscheidender Schritt, um die Bilanzkontrolle zu stärken, die Wirtschaftsprüfung zu reformieren und härter gegen kriminelle Machenschaften vorzugehen“, erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Mit dem Gesetz wolle die Regierung dafür sorgen, „dass auf Bilanzen und die Testate von Wirtschaftsprüfern mehr Verlass ist“. Damit werde das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt gestärkt. „Mein klares Ziel bleibt, die Reformen noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen“, erklärte Scholz.

Das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz setzt laut den Angaben die zentralen Elemente eines von Scholz zuvor vorgestellten Aktionsplans zur Stärkung der Bilanzkontrolle und Finanzmarktaufsicht um. Vorgesehen ist unter anderem eine Verschärfung des Bilanzkontrollverfahrens. So soll das zweistufige, auf konsensuale Mitwirkung der geprüften Unternehmen ausgerichtete Bilanzkontrollverfahren grundlegend reformiert werden. „Es wird künftig stärker staatlich-hoheitlich geprägt sein“, so die Ministerien.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) solle mehr Kompetenzen und Durchgriffsrechte gegenüber Unternehmen erhalten, unter anderem Durchsuchungs- und Beschlagnahmerechte. Für Anlass- und Verdachtsprüfungen soll die Bafin nach den Plänen künftig unmittelbar zuständig sein. Zudem soll sie im Rahmen der Bilanzkontrolle Auskunftsrechte gegen Dritte, die Möglichkeit forensischer Prüfungen sowie das Recht erhalten, die Öffentlichkeit früher als bisher über ihr Vorgehen bei der Bilanzkontrolle zu informieren. Eine privatrechtlich organisierte Prüfstelle für Rechnungslegung sei künftig nur für Stichprobenprüfungen von Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften zuständig und unterliege künftig umfangreichen Berichts- und Auskunftspflichten gegenüber der Bafin.

Neu geordnet wird nach dem Gesetzentwurf auch die Finanzierung des Bilanzkontrollverfahrens: Stichprobenprüfungen sollen wie bislang über Umlage finanziert werden – Verdachts- oder Anlassprüfungen der Bafin hingegen von den betroffenen Unternehmen. Geplant sind zudem auch strengere Regeln für die Abschlussprüfung.

Das FISG setzt die zentralen Elemente des Aktionsplans zur Stärkung der Bilanzkontrolle und Finanzmarktaufsicht um.

Wichtige Punkte des Gesetzentwurfs sind:

  1. Verschärfung des Bilanzkontrollverfahrens

Das zweistufige, auf konsensuale Mitwirkung der geprüften Unternehmen ausgerichtete Bilanzkontrollverfahren soll grundlegend reformiert werden. Es wird künftig stärker staatlich-hoheitlich geprägt sein. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll mehr Kompetenzen und Durchgriffsrechte gegenüber Unternehmen erhalten, u. a. Durchsuchungs- und Beschlagnahmerechte. Für Anlass- und Verdachtsprüfungen soll die BaFin künftig unmittelbar zuständig sein. Zudem soll sie im Rahmen der Bilanzkontrolle Auskunftsrechte gegen Dritte, die Möglichkeit forensischer Prüfungen sowie das Recht erhalten, die Öffentlichkeit früher als bisher über ihr Vorgehen bei der Bilanzkontrolle zu informieren.
Eine privatrechtlich organisierte Prüfstelle für Rechnungslegung ist künftig nur für Stichprobenprüfungen von Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften zuständig. Die Kompetenzverteilung zwischen der Prüfstelle und der BaFin wird neu justiert: die Prüfstelle unterliegt umfangreichen Berichts- und Auskunftspflichten gegenüber der BaFin.
Damit der für die Aufklärung mutmaßlicher Rechnungslegungsverstöße erforderliche Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden und Ministerien sichergestellt wird, werden Verschwiegenheitspflichten in dem erforderlichen Maße aufgehoben. Des Weiteren wird auch die Finanzierung des Bilanzkontrollverfahrens neu geordnet. Stichprobenprüfungen sollen wie bislang über Umlage finanziert werden. Verdachts- bzw. Anlassprüfungen der BaFin werden von den betroffenen Unternehmen finanziert.

  1. Strengere Regeln für die Abschlussprüfung

Die Unabhängigkeit der Abschlussprüferinnen und Abschlussprüfer vom geprüften Unternehmen soll gestärkt werden. Auch für Kapitalmarktunternehmen soll fortan eine verpflichtende externe Prüferrotation nach zehn Jahren gelten. Zudem soll die Pflicht zur Trennung von Prüfung und Beratung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse wesentlich ausgeweitet werden. Konkret heißt das, dass künftig für dasselbe Unternehmen neben der Prüfung Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen nicht mehr erbracht werden dürfen.
Die zivilrechtliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen soll verschärft werden. Die Haftungshöchstgrenzen werden bei der Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen um das Vierfache heraufgesetzt (auf zukünftig 16 Millionen Euro). Für die Prüfung nicht kapitalmarktorientierter Banken und Versicherungen soll künftig eine Haftungshöchstgrenze von 4 Millionen gelten. Bei grob fahrlässigem Verhalten der Prüfer soll es künftig keine Haftungshöchstgrenze mehr geben. Dies soll die Qualität der Abschlussprüfung stärken und die erforderlichen Anreize für eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung setzen.

  1. Verschärfung des Bilanzstraf- und Bilanzordnungswidrigkeitenrechts

Auch im Bereich des Bilanzstrafrechts und im Bereich des Bilanzordnungswidrigkeitenrechts sollen notwendige Anpassungen vorgenommen werden, um Verstöße in Zukunft strenger ahnden zu können. Ein falscher „Bilanzeid“ der Unternehmensverantwortlichen soll künftig mit bis zu fünf Jahren (statt bisher mit bis zu drei Jahren) Freiheitsstrafe sanktioniert werden können. Das gilt auch für ein inhaltlich unrichtiges Testat des Abschlussprüfers zu dem Abschluss eines Unternehmens von öffentlichem Interesse. Im Bilanzordnungswidrigkeitenrecht sollen insbesondere die Bußgeldvorschriften für Abschlussprüfer, die Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen, inhaltlich ausgeweitet und der Bußgeldrahmen von 50.000 Euro auf bis zu 5.000.000 Euro deutlich angehoben werden.

  1. Reform der Corporate Governance

Die internen Kontrollen in den Unternehmen sollen ausgeweitet werden. Der Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse sind, wird in seinen Kompetenzen gestärkt und verpflichtet einen Prüfungsausschuss einzurichten. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses soll ein unmittelbares Auskunftsrecht gegenüber denjenigen Leitern von Zentralbereichen erhalten, die die Aufgaben des Prüfungsausschusses betreffen. Börsennotierte Aktiengesellschaften sollen verpflichtet werden, ein angemessenes und wirksames internes Kontrollsystem sowie ein entsprechendes Risikomanagementsystem einzurichten.

  1. Erweiterte Befugnisse der BaFin gegenüber Unternehmen mit wesentlichen Bankfunktionen

Die BaFin soll unmittelbare Eingriffsbefugnisse gegenüber Unternehmen erhalten, auf die wesentliche Bereiche wie z.B. Bank- bzw. IT-Funktionen ausgelagert werden. Das erlaubt der BaFin eine effektivere Aufsicht auch dort, wo sich Unternehmen für wichtige Funktionen Dritter bedienen. Es sollen neue Anzeigepflichten für Auslagerungen geschaffen und eine Pflicht zur Führung eines Auslagerungsregisters eingeführt werden. Zudem soll sich die BaFin bei Auslagerungen in Drittstaaten an einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten halten können.

  1. Beschränkung der privaten Finanzgeschäfte der BaFin-Beschäftigten

Um schon den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, soll der private Handel der BaFin-Beschäftigten in Finanzinstrumenten weitgehend begrenzt werden.

  1. Prospektpflicht für Edelmetall-/Goldanlagen

Zum Schutz der Anleger sollen Geschäftsmodelle, bei denen eine Anlage in Edelmetallen und am Ende der Laufzeit eine Auskehrung mit Verzinsung erfolgt, als Vermögensanlage eingestuft werden und damit zukünftig der Prospektpflicht unterfallen. Dadurch soll die BaFin auch insoweit ein Produktinterventionsrecht erhalten und in die Lage versetzt werden, unlautere Praktiken effizienter zu unterbinden.

  1. Verbesserung der Qualität von Börsensegmenten und Informationsaustausch

Die Befugnisse der Börsen bei der Sanktionierung von Verstößen sollen gesetzlich flankiert werden, um Sanktionen transparenter und wirksamer zu machen. Dazu soll der Ausschluss von Emittenten aus den Qualitätssegmenten der Börse bei Verstößen erleichtert und die Möglichkeit geschaffen werden, getroffene Sanktionsmaßnahmen durch die Börse zu veröffentlichen (sog. Naming and Shaming). Darüber hinaus soll der Informationsaustausch zwischen der BaFin und den Börsenaufsichtsbehörden verbessert werden.

  1. Erweiterte Befugnisse für die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen

Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen soll zukünftig in bestimmten Fällen einige steuerliche Grunddaten automatisiert abrufen können. Zudem soll die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen künftig in geeigneten Fällen elektronisch von Gerichten, Behörden und Notaren übermittelte Anzeigen über grundstücksbezogene Rechtsvorgänge und Entscheidungen erheben können.

Weitere Information
Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität(Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) (PDF, 2 MB)