Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 29. August 2023 zum Aktenzeichen 2 B 987/23 die Beschwerde der Stadt Gießen im Zusammenhang mit dem geplanten Gießener Verkehrsversuch zurückgewiesen und damit die Rechtswidrigkeit des Verkehrsversuchs bestätigt.
Aus der Pressemitteilung des Hess. VGH Nr. 16/2023 vom 30.08.2023 ergibt sich:
Die Stadt Gießen beabsichtigt die Verkehrsführung auf dem Anlagenring um die Innenstadt in mehreren Abschnitten umfassend zu ändern, insbesondere eine zweispurige Fahrradstraße einzurichten. Im Zuge der ersten Umbauphase für den Verkehrsversuch traf die Stadt Gießen drei verkehrsrechtliche Anordnungen, welche die Braugasse, die Landgrafenstraße und die Senckenbergstraße betreffen.
Gegen diese verkehrsrechtlichen Anordnungen haben zwei Anwohner vor dem Verwaltungsgericht Gießen einen erfolgreichen Eilantrag gestellt (näher dazu die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. Juli 2023). Die Stadt Gießen hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde erhoben.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde mit Beschluss vom 29. August 2023 zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der für das Verkehrsrecht zuständige 2. Senat im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung eines Verkehrsversuchs erfordere nach der Straßenverkehrsverordnung die Feststellung einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs sowie besondere Umstände, die den Versuch bzw. dessen spätere Umsetzung zwingend erforderlich machen. Die Stadt habe weder die erforderliche Gefahr noch derartige besondere Umstände plausibel dargelegt. Sie habe sich zudem mit den Stellungnahmen des Polizeipräsidiums Mittelhessen sowie des Regierungspräsidiums Gießen, die erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Sinnhaftigkeit des Versuchs geäußert hätten, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Insbesondere habe die Stadt Befürchtungen, es drohten etwa durch die vorgesehene Mitbenutzung der Fahrradstraße durch Busse neue Gefahren für die Verkehrssicherheit, nicht ausgeräumt, sondern ignoriert. Auch seien Alternativen, etwa eine geänderte Radverkehrsführung durch die Innenstadt, nicht ausreichend geprüft worden. Da nur auf einzelnen Abschnitten des Anlagenrings erhöhte Unfallgefahren für Radfahrer bestünden, sei auch nicht erkennbar, weshalb die Einbeziehung des gesamten Anlagenrings in den Verkehrsversuch notwendig sei. Dies gelte auch in Anbetracht der hohen Verkehrsbedeutung des Anlagenrings für den Kraftfahrzeugverkehr und der demgegenüber derzeit geringen Nutzung durch Radfahrer.
Die von der Stadt herangezogenen Erwägungen zum Klimaschutz könnten eine verkehrsbehördliche Anordnung nicht begründen, sondern allenfalls im Rahmen der Ermessenserwägungen beim Vorhandensein verschiedener Modelle zur Gefahrenbeseitigung berücksichtigt werden.
Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar.