Das Oberlandesgericht Braunschweig hat am 08.07.2020 zum Aktenzeichen 11 U 101/19 entschieden, dass ein Verbraucher, der trotz Widerruf des zur Finanzierung des Kfz-Kaufvertrags geschlossenen Verbraucherdarlehens das ihm von der Verkäuferin gewährte Rückgaberecht ausübt, sich in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch setzt, so dass die Ausübung des Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich zu werten ist.
Aus dem Newsletter des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) – Urteile zum Verbraucherrecht vom 13.10.2020 ergibt sich:
Im vorliegenden Fall streiten sich die Parteien um die Wirksamkeit des Widerrufs eines zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugkaufs geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages. Der Kläger erwarb 2014 einen Pkw zu privaten Zwecken. Mit der Verkäuferin vereinbarte er ein verbrieftes Rückgaberecht. Er beantragte zur Finanzierung des Kaufpreises bei der Beklagten die Gewährung eines Darlehens, das in 48 Monatsraten und einer Schlussrate zurückgeführt werden sollte. Dem Darlehensantrag waren die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite, die Darlehensbedingungen sowie eine Widerrufsinformation beigefügt. Die Beklagte nahm den Darlehensantrag an und zahlte die Darlehensvaluta an die Verkäuferin aus. Mit Schreiben vom 11.04.2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte auf, die von ihm erbrachten Tilgungsleistungen auf sein Konto zu überweisen. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht.
Das LG Braunschweig hatte die Klage abgewiesen.
Das OLG Braunschweig hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Kläger den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss. Sie beginne jedoch nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt habe, die die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalte. Diese Vorgaben seien im vorliegenden Fall von der Beklagten erfüllt worden.
Schließlich könne der Kläger sich auf ein etwaiges Widerrufsrecht auch nicht mehr berufen, weil es sich hierbei nach den Umständen des hier vorliegenden Einzelfalls um eine unzulässige Rechtsausübung handeln würde. Eine Rechtsausübung könne unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergebe, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar sei und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen. Vor diesem Hintergrund stelle das Verhalten des Klägers, der das streitgegenständliche Fahrzeug unter Ausübung seines verbrieften Rückgaberechts nach Erklärung des Widerrufs zurückgegeben habe, einen unauflösbaren Selbstwiderspruch dar. Indem der Kläger von diesem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht habe, habe er zum Ausdruck gebracht, an dieser Vereinbarung, die eine Ergänzung des zwischen der Verkäuferin und ihm geschlossenen Kaufvertrags darstelle, festhalten zu wollen, obwohl sich der von ihm erklärte Widerruf im Falle seiner Wirksamkeit auch auf den zwischen ihm und der Verkäuferin geschlossenen Kaufvertrag erstrecken würde.