Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 10.02.2022 zum Aktenzeichen 836 Ls 231 Js 167395/16 einen 65-jährigen Rechtsanwalt wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 13 vom 01.04.2022 ergibt sich:
Der Angeklagte kannte die mittlerweile verstorbene Geschädigte bereits seit den 1980er Jahren. Sie war eine enge Freundin seiner Eltern. Die bereits 1926 geborene, kinderlose Dame erteilte dem Angeklagten im Jahr 2008 eine umfassende notarielle General- und Vorsorgevollmacht. Im selben Jahr errichtete sie ein Testament, in dem sie unter anderem den Angeklagten als Erben einsetzte. In der Folgezeit änderte sie das Testament mehrfach. Welches Testament gültig ist, ist Gegenstand eines Zivilverfahrens.
Im Jahr 2010 wurde die Geschädigte aufgrund fortschreitender Demenz in einer Einrichtung beschützend untergebracht. Der Angeklagte übernahm für sie fortan die Verwaltung des nicht unerheblichen Vermögens. Unter anderem besaß die Dame zwei Eigentumswohnungen mit jeweils rund 80 qm Wohnfläche in guter Lage im Lehel in München.
Der Angeklagte veräußerte unter Verwendung der Generalvollmacht im Jahr 2015 eine der Wohnungen zu einem Kaufpreis von 600.000 € an seine Tochter und deren Ehemann. Eine zweite Wohnung veräußerte er zu einem Kaufpreis von 675.000 € an seinen Sohn und dessen Ehefrau. Tatsächlich hatten die Wohnungen beim Verkauf einen Wert von 1.100.000 € bzw. 1.130.000 €.
Der Angeklagte räumte den Verkauf der beiden Wohnungen ein. Er gab an, es sei ihm aber nicht darum gegangen „seinen Kindern etwas zuzuschustern“. Er habe über Jahre ein enges und freundschaftliches Verhältnis zu der Geschädigten entwickelt. Er sei daher davon ausgegangen, dass die Übertragung der Wohnungen an seine Kinder dem Willen der Geschädigten entspreche. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass er durch den Verkauf der Wohnungen auf dem freien Markt erheblich höhere Preise erzielen hätte können.
Das Schöffengericht glaubte dem Angeklagten nur teilweise und verurteilte ihn. Der vorsitzende Richter begründete dies wie folgt:
„Soweit der Angeklagte in seinem Geständnis einschränkend ausführt, dass ihn der objektive Marktwert der verkauften Wohnungen im Nachgang überrascht habe, wertet das Gericht dies als bloße Schutzbehauptung. Der Angeklagte tätigte bereits zuvor Immobilienverkäufe, so dass ihm der Immobilienmarkt in München und Umgebung jedenfalls bekannt gewesen ist. Auch aus der Vita des Angeklagten, der viele Jahre lang in München (…) Rechtsanwalt gewesen ist, lässt sich schlussfolgern, dass dieser jedenfalls mit den Preisen und Werten von Immobilien in München vertraut war. Jedenfalls hätte der Angeklagte die Pflicht gehabt, als Bevollmächtigter der Geschädigten (…) Auskunft über die realen Marktwerte der in Rede stehenden Wohnungen einzuholen.“
Zu Gunsten des Angeklagten spricht zunächst, dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Der Angeklagte ist 65 Jahre alt und ist nicht vorbestraft. Auch sprach erheblich zu Gunsten des Angeklagten, dass die Tat bereits knapp 7 Jahre zurückliegt. Weiter war strafmildernd zu werten, dass der durch die Untreue verwirklichte Schaden durch die Rückübereignung der Wohnungen vollumfänglich wieder gut gemacht wurde. Überdies war zu Gunsten des Angeklagte zu werten, dass die Geschädigte (…) jedenfalls zunächst zum Angeklagten offenbar ein vertrautes und freundschaftliches Verhältnis pflegte und (auch wenn die genaueren Umstände im Rahmen des hiesigen Verfahrens nicht aufgeklärt werden konnten) diese dem Angeklagten jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt eine gewisse Dispositionsfreiheit gewährte. Auch war noch strafmildernd zu werten, dass der Angeklagte durch die Folgen der Tat bereits erheblich belastet ist. So sieht er sich nicht nur erheblichen zivilrechtlichen Forderungen ausgesetzt, sondern er wird auch den berufsrechtlichen Folgen der Tat entgegensehen müssen. Schließlich ist auch das Geständnis des Angeklagten strafmildernd zu werten, auch wenn das Gericht dabei nicht verkennt, dass der Angeklagte bestrebt war, den Unrechtsgehalt der Tat zu relativieren.
Zu Lasten des Angeklagten ist sowohl in Fall 1 als auch in Fall 2 der erhebliche Schaden zu werten. Auch ist strafschärfend zu werten, dass die Geschädigte (…) zum Tatzeitpunkt bereits vollständig dement war und die Tat somit zu Lasten einer Person verübt wurde, welche sich nicht im Ansatz dagegen wehren konnte.“