Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der auf einer Insel kanzleiansässig ist, auf der es nur 4 weitere Rechtsanwälte gibt, dennoch die Berufungsfrist wahren muss, wenn er an einem Burnout erkrankt.
Die Bundesrichter führten aus, dass auch ein Einzelanwalt auf einer Insel allgemeine Vorkehrungen dafür treffen muss, dass Fristen gewahrt werden, und zwar auch dann, wenn er überraschend an einer Burnout-Erkrankung leidet und ausfällt.
Im konkreten Fall hat ein erkrankter Rechtsanwalt, der als Einzelanwalt ohne Mitarbeiter auf einer Nordseeinsel tätig ist, eine Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Nach seiner Genesung hat der Rechtsanwalt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und diesen mit seiner plötzlich aufgetretenen Burnout-Erkrankung begründet. Der Rechtsanwalt argumentierte, dass er aufgrund der Erkrankung nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Berufungsbegründung rechtzeitig anzufertigen oder eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen.
Der Rechtsanwalt ist der Ansicht, dass er die Symptome des Burnouts nicht deuten konnte, weil er an einem derartigen Krankheitsbild noch nie litt und die Symptome auch nicht kannte. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, als Einzelanwalt ohne Mitarbeiter spezielle Vorkehrungen für einen derartigen Fall zu treffen. Zudem seien die anderen 4 Kollegen auf der Insel nicht bereit gewesen, ihn zu vertreten.
Die BGH-Richter wiesen den Rechtsanwalt darauf hin, dass ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen muss, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Dies gelte auch für einen Einzelanwalt ohne eigenes Personal: Dieser müsse ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen, z. B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen.
Die BGH-Richter ließen für den Insel-Rechtsanwalt weder die Burnout-Erkrankung, noch die Tatsache gelten, dass er auf der Insel keinen vertretungsbereiten Rechtsanwaltskollegen gefunden habe. Denn der Rechtsanwalt hätte auch auf dem Festland nach einem vertretungsbereiten Kollegen suchen müssen; dies tat er aber nicht.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. vertritt Rechtsanwalt im Berufsrecht der Rechtsanwälte.