Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 15.09.2020 zum Aktenzeichen VI ZB 60/19 entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der nicht auf allen ermittelbaren Faxnummern eines Gerichts einen rechtzeitigen Zustellversuch unternimmt, eine Fristversäumnis zu verschulden hat.
Zwar dürfen Verfahrensbeteiligte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die ihnen vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze ausnutzen.
Auch dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden.
Dies gilt sowohl für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts als auch für Störungen der Übermittlungsleitungen.
Denn in diesen Fällen liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumnis nicht in der Sphäre des Nutzers.
Dementsprechend hat der Versender mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer grundsätzlich das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss vor 0.00 Uhr zu rechnen ist.
Dabei muss der Versender allerdings Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten und die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehören.
Derartigen Verzögerungen hat der Versender durch einen zeitlichen – zur geschätzten Übermittlungszeit hinzuzurechnenden – Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen.
Dieser Sicherheitszuschlag beträgt etwa 20 Minuten.
Stellt sich aber heraus, dass eine Telefaxverbindung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen wegen einer technischen Störung nicht zustande kommt, muss der Versender alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Fristwahrung ergreifen.
Gelingt es ihm trotz zahlreicher Anwählversuche nicht, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, so hat er aus einer allgemein zugänglichen Quelle – wie etwa der Startseite des Internetauftritts des Berufungsgerichts – eine weitere Telefaxnummer des Gerichts in Erfahrung zu bringen und den Schriftsatz an dieses Empfangsgerät zu versenden.
Ein solches Vorgehen ist insbesondere dann geboten, wenn das Gericht aufgrund seiner Struktur – etwa aufgrund seiner Außensenate – über mehrere Faxanschlüsse verfügt.