Rechtmäßigkeit der Weitersendung und öffentlichen Zugänglichmachung einer Funksendung – Wahlberichterstattung über die Bundestagswahl – „Berliner Runde“

24. Oktober 2022 -

Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 21. Oktober 2022 zum Aktenzeichen 6 U 61/22 im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren die 13-minütige Live – Weitersendung der Funksendung „Berliner Runde“ bzw. deren öffentliche Zugänglichmachung durch die Antragsgegnerinnen als urheberrechtswidrig beurteilt und insoweit die vorangegangenen Entscheidungen des Landgerichts Köln bestätigt. Die Sendung betrifft die Berichterstattung über die Bundestagswahl am 26. September 2021.

Aus der Pressemitteilung des OLG Köln vom 24.10.2022 ergibt sich:

Die Antragstellerin ist eine gebührenfinanzierte, öffentlich – rechtliche Rundfunkanstalt in der Bundesrepublik Deutschland, die unterschiedliche mediale Angebote betreibt, darunter das bundesweit ausgestrahlte Fernsehprogramm ZDF. Die Antragsgegnerin zu 1 ist ein bundesdeutsches Medienunternehmen und als solches hundertprozentiges Tochterunternehmen der Antragsgegnerin zu 3, die ihrerseits ein großes europäisches Verlagshaus und Alleingesellschafterin der Antragsgegnerin zu 2 ist. Gegenstand der Antragsgegnerin zu 2 ist die Entwicklung, Erstellung, Verbreitung und Vermarktung von Multimedia-Inhalten auf unterschiedlichen Medienplattformen.

Am Tag der Bundestagswahl strahlte die Antragstellerin im Rahmen ihres Fernsehprogramms u.a. die Wahlberichterstattung „Berliner Runde“ aus, welche zwischen 20:15 und 21:15 Uhr gesendet wurde. Die ersten 13 Minuten der Sendung wurden auf dem von der Antragsgegnerin zu 1 betriebenen Fernsehsender zeitgleich zwischen 20:15 und 20:28 Uhr gezeigt und im Internet unter der URL https://www.textentfernt.html sowie über YouTube unter der URL https://www.youtube.com/ textentfernt bereitgehalten.

Mit einstweiliger Verfügung vom 22. Oktober 2021 hatte das erstinstanzlich zuständige Landgericht Köln der Antragsgegnerin zu 1 verboten, Ausschnitte der Funksendung „Berliner Runde“ der Antragstellerin ohne Zustimmung der Berechtigten zu senden und/oder senden zu lassen. Den Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 hatte das Landgericht verboten, Ausschnitte der bezeichneten Funksendung ohne Zustimmung der Berechtigten öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen (Az. 14 O 354/21, abrufbar über die Datenbank www.nrwe.de). Auf den gegen den Beschluss gerichteten Widerspruch der Antragsgegnerinnen hin hatte das Landgericht die einstweilige Verfügung mit am 3. März 2022 verkündeten Urteil (Az. 14 O 354/21) bestätigt.

Die dagegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerinnen hat der Senat nun mit am 21. Oktober 2022 verkündeten Urteil zurückgewiesen. Mit dem Landgericht hat er namentlich einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus §§ 97, 87 Abs. 1 UrhG bejaht. Die Antragsgegnerinnen haben – so der Senat – in die Rechte der Antragstellerin eingegriffen. Dies betreffe zunächst das Recht der Weitersendung; auch im Lichte an dem Sendesignal vorgenommener optischer Änderungen und eingeblendeter inhaltlicher Ergänzungen liege eine Weitersendung durch die Antragsgegnerin zu 1 vor. Seitens der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 sei ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung hinsichtlich des Senderechts der Antragstellerin erfolgt. Die Eingriffe seien auch rechtswidrig, namentlich führten die Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) und das Zitatrecht (§ 51 UrhG) zu keinem anderen Ergebnis. Die Berichterstattung der Antragsgegnerinnen betreffe schon nicht ein im Laufe eines Tagesereignisses wahrnehmbar gewordenes Werk, zudem habe sich der von der Antragstellerin beanstandete Eingriff in das Recht des Sendeunternehmens nicht in einem durch ihren Zweck gebotenen Umfang gehalten. Die Berichterstattung sei gemäß § 50 UrhG nur dann privilegiert, wenn sie verhältnismäßig sei; hieran fehle es, da die 13-minütige Weitersendung auch unter Berücksichtigung des hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit nicht erforderlich gewesen sei. Vielmehr hätten ohne Verfehlung des Informationszwecks auch einzelne pointierte Aussagen der Politiker dargestellt werden können, auch wenn hierfür ein gewisser zeitlicher Versatz notwendig gewesen wäre. Das Zitatrecht nach § 51 UrhG streite nicht für die Antragstellerin, da der Umfang der Darstellung vom Zitatzweck nicht umfasst sei.