Der Europäische Gerichtshof hat am 26.01.2021 zum Aktenzeichen C-422/19 und C-423/19 entschieden, dass ein Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets seine Verwaltung zur Annahme von Barzahlungen verpflichten kann, aber er kann diese Zahlungsmöglichkeit auch aus Gründen des öffentlichen Interesses beschränken.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 8/2021 vom 26.01.2021 ergibt sich:
Eine solche Beschränkung könne insbesondere gerechtfertigt sein, wenn die Barzahlung aufgrund der sehr großen Zahl der Zahlungspflichtigen zu unangemessenen Kosten für die Verwaltung führen könne, so der EuGH.
Zwei deutsche Staatsbürger, die in Hessen zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet sind, boten dem Hessischen Rundfunk an, diesen Beitrag in bar zu entrichten. Unter Verweis auf seine Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge, die jede Möglichkeit der Beitragszahlung in bar ausschließt (§ 10 Abs. 2 der Satzung des Hessischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge v. 05.12.2012), lehnte der Hessische Rundfunk ihr Angebot ab und sandte ihnen Zahlungsbescheide.
Die beiden deutschen Staatsbürger klagten gegen diese Zahlungsbescheide, und der Rechtsstreit gelangte zum BVerwG. Das BVerwG hat festgestellt, dass der in der Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks statuierte Ausschluss der Möglichkeit, den Rundfunkbeitrag mit Euro-Banknoten zu zahlen, gegen eine höherrangige Bestimmung des Bundesrechts verstoße, wonach auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel seien (§ 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.1992 – BGBl. 1992 I, 1782, geändert durch Gesetz vom 04.07.2013 – BGBl. 2013 I, 1981).
Da das BVerwG jedoch Zweifel daran hat, ob diese Bestimmung des Bundesrechts mit der ausschließlichen Zuständigkeit in Einklang steht, die die Union im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten hat, deren Währung der Euro ist, hat es den EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Außerdem hat es die Frage aufgeworfen, ob der Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel es den öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten verbietet, die Möglichkeit der Erfüllung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht in bar auszuschließen, wie es bei der Zahlung des Rundfunkbeitrags in Hessen der Fall ist (BVerwG, EuGH-Vorlage v. 27.03.2019 – 6 C 6/18).
Der EuGH hat entschieden, dass ein Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen der Organisation seiner öffentlichen Verwaltung eine Maßnahme erlassen kann, die diese Verwaltung zur Annahme von Barzahlungen verpflichtet, oder auch unter bestimmten Voraussetzungen aus einem Grund des öffentlichen Interesses eine Ausnahme von dieser Verpflichtung vorsehen kann.
In einem ersten Schritt hat der EuGH den Begriff der „Währungspolitik“ ausgelegt, in deren Bereich die Union die ausschließliche Zuständigkeit für die Mitgliedstaaten hat, deren Währung der Euro ist (gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV; nach Art. 2 Abs. 1 AEUV kann in diesem Bereich nur die Union gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen).
Dieser Begriff beschränke sich nicht auf die operative Ausführung der Währungspolitik, sondern beinhalte auch eine normative Dimension, die darauf abziele, den Status des Euro als einheitliche Währung zu gewährleisten. Ferner werde dadurch, dass nur den von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Euro-Banknoten der Status eines „gesetzlichen Zahlungsmittels“ zuerkannt werde, der offizielle Charakter dieser Banknoten im Euro-Währungsgebiet verbürgt, indem ausgeschlossen werde, dass auch andere Banknoten diesen Charakter aufweisen können (Der Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel ist in Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV, Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank – ABl. 2016, C 202, 30 sowie Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 03.05.1998 über die Einführung des Euro – ABl. 1998, L 139, 1 verankert). Insoweit bedeute der Begriff des auf eine bestimmte Währungseinheit lautenden „gesetzlichen Zahlungsmittels“, dass es im Allgemeinen nicht abgelehnt werden könne, dass dieses Zahlungsmittel zur Begleichung einer auf diese Währungseinheit lautenden Schuld verwendet werde. Im Übrigen spiegele der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber zum Erlass der für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung erforderlichen Maßnahmen ermächtigt sei (Art. 133 AEUV), das Erfordernis wider, für alle Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einheitliche Grundsätze festzulegen, und trage zur Verfolgung des vorrangigen Ziels der Währungspolitik der Union bei, nämlich die Preisstabilität zu gewährleisten.
Daher sei festzustellen, dass allein die Union dafür zuständig sei, den Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel zu präzisieren. Die Mitgliedstaaten können, wenn der Union eine ausschließliche Zuständigkeit übertragen werde, keine in diese Zuständigkeit fallende Bestimmung erlassen oder beibehalten, selbst wenn die Union ihre ausschließliche Zuständigkeit nicht ausgeübt haben sollte.
Allerdings sei es weder für die Verankerung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel noch für die Wahrung der Wirksamkeit dieses Status erforderlich, eine absolute Verpflichtung zur Annahme dieser Banknoten als Zahlungsmittel zu statuieren. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Union die Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Verpflichtung erschöpfend und einheitlich festlegt, sofern die Zahlung mit Bargeld in der Regel möglich sei.
Der EuGH ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, für die Regelung der Modalitäten der Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen zuständig sind, sofern es in der Regel möglich ist, mit Euro-Bargeld zu zahlen. Somit könne ein Mitgliedstaat eine Maßnahme erlassen, die seine öffentliche Verwaltung zur Annahme von Barzahlungen verpflichte.
Der Status der Euro-Banknoten und -münzen als gesetzliches Zahlungsmittel impliziere zwar grundsätzlich eine Verpflichtung zur Annahme dieser Banknoten und Münzen, diese Verpflichtung könne aber von den Mitgliedstaaten grundsätzlich aus Gründen des öffentlichen Interesses eingeschränkt werden, vorausgesetzt, dass diese Einschränkungen im Hinblick auf das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse verhältnismäßig seien, was u.a. bedeute, dass andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden verfügbar sein müssten.
Insoweit liege es im öffentlichen Interesse, dass die Begleichung von Geldschulden gegenüber öffentlichen Stellen dergestalt erfolgen könne, dass diesen keine unangemessenen Kosten entstehen, die sie daran hindern würden, ihre Leistungen kostengünstiger zu erbringen. Daher könne der Grund des öffentlichen Interesses, der sich aus der Notwendigkeit ergibt, die Erfüllung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht zu gewährleisten, eine Beschränkung der Barzahlungen rechtfertigen, insbesondere, wenn die Zahl der Beitragspflichtigen, bei denen die Forderungen einzutreiben seien, sehr hoch sei.
Es sei jedoch Sache des BVerwG zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Hinblick auf das Ziel des tatsächlichen Einzugs des Rundfunkbeitrags verhältnismäßig sei, insbesondere in Anbetracht dessen, dass die anderen rechtlichen Zahlungsmittel möglicherweise nicht allen beitragspflichtigen Personen leicht zugänglich seien.