Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 30.04.2024 zum Aktenzeichen 12 Cs 148 Js 130025/23 entschieden, dass die anlasslose Äußerung „Da ist ja wieder der Rassistenverein“ in der Öffentlichkeit gegenüber Polizeibeamten eine Beleidigung gemäß § 185 StGB darstellt.
Im Oktober 2023 gegen 20.50 Uhr wurden die beiden uniformierten Polizeibeamten EPHM K. und POK’in Sc. (…) aufgrund eines Notrufs beauftragt, den (…)-Platz in Stuttgart anzufahren. Dort sollte sich eine männliche alkoholisierte Person aufhalten, die aufgrund ihrer Alkoholisierung störend in Erscheinung getreten sei.
Die beiden Polizeibeamten fuhren daher die ihnen genannte Örtlichkeit an (…). Auf dem Überweg kam ihnen neben anderen Passanten auch der Angeklagte entgegen. Als der Angeklagte auf Höhe der beiden Polizeibeamten war, schaute er EPHM K. direkt in die Augen und sagte bewusst an die beiden Polizeibeamten in normaler Lautstärke gewandt: „Da ist ja wieder der Rassistenverein“. Diese Äußerung, die sowohl von den beiden Polizeibeamten als auch von den übrigen Passanten gut zu hören war, tätigte der Angeklagte, um seine Missachtung gegenüber den beiden Polizeibeamten auszudrücken.
Sowohl EPHM K. als auch POK’in Sc., die beide keine Rassisten sind, waren von dieser Äußerung des Angeklagten sehr betroffen und konnten nicht verstehen, wieso der Angeklagte sie ohne jeden Anlass auf offener Straße derart ehrenrührig betitelte.
Die beiden Polizeibeamten unterzogen den Angeklagten anschließend einer Personenkontrolle und belehrten ihn wegen des Vorwurfs der Beleidigung. Als die beiden Polizeibeamten nach Abschluss der Personenkontrolle zeitlich verzögert an der ca. 30 Meter entfernten Einsatzstelle (…) ankamen, konnte der Störer nicht mehr angetroffen werden, so dass sie ihren Einsatz abbrechen mussten.
Beide Polizeibeamte stellten form- und fristgerecht Strafantrag gegen den Angeklagten wegen Beleidigung.
Der Angeklagte gab in der Berufungshauptverhandlung zu, gegenüber den beiden Polizeibeamten gesagt zu haben: „Da ist ja wieder der Rassist*innenverein!“. Er sieht hierin jedoch kein strafbares Verhalten.
Im Einzelnen ließ er sich dahingehend ein, dass die Polizei ein Problem mit menschenverachtenden und rassistischen Strukturen innerhalb der eigenen Reihen habe.
Als Fallbeispiele führte er Folgendes aus:
Der SWR habe erst Anfang diesen Monats getitelt: „Über 130 Polizisten in Baden-Württemberg standen in den vergangenen vier Jahren unter dem Verdacht, rechtsextrem zu sein“.
Der Polizeibeauftragte des Bundes beim Deutschen Bundestag, Uli Grötsch von der SPD, sehe ein enormes Bedrohungspotenzial: „Wir leben in Zeiten, in denen von Rechtsextremen gezielt versucht wird, die Polizei zu destabilisieren“, habe Grötsch dem Stern gesagt. (https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/bw-polizei-ermittlungen-gegen-rechtsextreme-gesinnungen-100.html)
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integration und Migrationsforschung habe erst Ende letzten Jahres offengelegt, dass mehr als ein Drittel der befragten muslimischen Männer von Diskriminierung und Rassismus bei der Polizei berichtet hätten.
Hitler-Bilder und Hakenkreuze aus Chat-Gruppen von baden-württembergischen Polizist*innen hätten es vor knapp über einem Jahr sogar in den baden-württembergischen Landtag geschafft. „Wie kann es sein, dass in Chat-Gruppen der baden-württembergischen Polizei jahrelang Nazisymbole kursierten, ohne dass das ans Tageslicht kam?“ sei eine Frage gewesen, die sich die Abgeordneten dabei gestellt hätten.
(https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/landtag-bw-konsequenzen-rechte-chatgruppen-polizei-100.html)
Insgesamt 70 Polizeibeamten*innen, quer übers Land verteilt, hätten an diesen rechtsextremistischen Chat-Gruppen teilgenommen. Jahrelang habe es kein einziger von diesen oder deren Kollegen gemeldet!
Stuttgart bleibe davon nicht verschont! Stuttgarter Polizist*innen würden auch heute noch von „Kanacken“ reden, wie eine 2020 an die Öffentlichkeit gelangte Tonspur belege. Volksverhetzende und rassistische Chats von Polizeibeamt*innen? Dies gebe es auch in Stuttgart wie 2021 veröffentlicht worden sei! Acht Polizist*innen seien dabei inkludiert.
Aufgeflogen seien die acht allerdings nicht, weil andere Polizist*innen ihrer Wache sie gemeldet hätten. Nein! Aufgeflogen seien diese erst, nachdem gegen einen der Polizeibeamt*innen anderweitig strafrechtlich ermittelt worden sei. Dabei sei aufgefallen, dass dieser volksverhetzende Inhalte sowie Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gespeichert und mit seinen Polizeikameraden in Einzelchats ausgetauscht habe.
(https://www.heidelberg24.de/baden-wuerttemberg/stuttgart-polizei-rassismus-volksverhetzung-beamte-ludwigsburg-prasedium-staatsanwaltschaft-bild-video-verfahren-zr-90654943.html)
Aber keine Sorge: Da bei drei der beteiligten Polizist*innen nur „ein paar“ volksverhetzende Inhalte gefunden worden seien, hätte die Staatsanwaltschaft das Verfahren damals gegen diese direkt wieder fallen gelassen. Polizist*innen mit solchen Inhalten auf ihren Smartphones seien für die Staatsanwaltschaft also in Ordnung? Schweigen sei Komplizenschaft! Die Staatsanwaltschaft gehe nicht konsequent gegen den Rassismus in den Organen der Staatsgewalt vor! Sie würde wegschauen! Damit sei sie Teil des Problems!
Und dies seien aus zeitlichen Gründen nur ein paar der vielen rassistischen Vorfälle in der Polizei. Die Fälle würden beispielhaft zeigen, dass sich Rassist*innen innerhalb der Polizei aufhalten würden, ihr Rassismus von ihren Kameraden stillschweigend hingenommen würde und selbst in Form von Racial Profiling ausgeübt werde! Und das zum alltäglichen Nachteil von diskriminierten Menschen!
Warum sei die Polizei rassistisch?
Wer auf dem rechten Auge blind sei und sämtliche rechtsextremen Vorkommnisse als „Einzelfälle“ abtue, dürfe sich über Kritik, an eben diesen Strukturen, nicht beschweren. Anstatt dass rechte und menschenverachtende Ideologien unter dem Deckmantel von Kameradschaft und Korpsgeist geduldet würden, würden wir eine effektive Aufarbeitung rassistischer Strukturen innerhalb der Polizei brauchen.
Die Polizei darum aktuell im Ganzen als „rassistisch“ zu bezeichnen, sei somit völlig legitim. Die Berichterstattung zahlreicher Medien zeige: Die Polizei habe offensichtlich ein Problem mit Rassismus. Das sei eine Tatsache und keine Beleidigung.
Kritik sei keine Beleidigung!
Wenn man jene auf eine Behörde bezogene Kritik zweier Mitglieder dieser Behörde gegenüber anspreche, soll es diese Kritik jedoch zu einer Beleidigung machen? Dies sei lachhaft!
Polizist*innen in Uniform seien nicht als Privatpersonen unterwegs. Sie würden eine Behörde vertreten und hätten in unserer Gesellschaft das Gewaltmonopol inne. Keiner der beiden Polizist*innen sei durch die Bezeichnung der Polizei als „Rassist*innenverein“ persönlich als rassistisch bezeichnet worden. Er habe Kritik an der Polizei als Gesamtes geäußert.
Anstatt ihre Zeit einzusetzen, gegen Menschen vorzugehen, die den Rassismus bei der Polizei anprangern, sollten sie lieber ihre Ressourcen einsetzen, um den Rassismus in der Polizei zu bekämpfen!
- Objektives Tatgeschehen
Das objektive Tatgeschehen steht neben der insoweit geständigen Einlassung des Angeklagten zur Überzeugung der Strafkammer fest aufgrund der glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der Zeugen EPHM K. und POK’in Sc.
So berichtete EPHM K., dass er und seine Kollegin POK’in Sc. aufgrund eines Notrufs als Streifenbeamte in Uniform beauftragt worden seien, den (…) in Stuttgart anzufahren. Dort würde sich ein männlicher, alkoholisierter Störer aufhalten. Daher seien er und seine Kollegin mit ihrem Dienstfahrzeug zu der Örtlichkeit gefahren. Sie hätten den Polizeiwagen vor der (…) abgestellt und seien zu Fuß über den Gleisüberweg in Richtung des gegenüberliegenden (…) gegangen. Auf dem Überweg sei ihnen der Angeklagte entgegengekommen. Als dieser auf Höhe von ihnen angekommen sei, habe der Angeklagte ihm in die Augen geschaut und gegenüber ihm und seiner Kollegin in normaler Lautstärke gesagt: „Da ist ja wieder der Rassistenverein“. Diese Aussage sei an ihn und seine Kollegin adressiert gewesen und für die übrigen Passanten, die sich dort aufgehalten hätten, gut hörbar gewesen. Aufgrund dieser Äußerung hätten sie den Angeklagten einer Personenkontrolle unterzogen und wegen des Vorwurfs der Beleidigung belehrt. Zeitlich verzögert seien sie an der von dem Gleisüberweg ca. 30 Meter entfernten Einsatzörtlichkeit am (…) eingetroffen und hätten den Störer nicht mehr antreffen können, so dass sie den Einsatz abgebrochen hätten. Von der Äußerung des Angeklagten sei er persönlich sehr betroffen, da er kein Rassist sei und er nicht verstehen könne, wieso er von dem Angeklagten auf offener Straße ohne jeden Anlass derart betitelt werde.
Die Zeugin POK’in Sc. berichtete übereinstimmend zu ihrem Kollegen EPHM K., dass sie zusammen mit ihrem Kollegen als Streifenbeamte (…) beauftragt worden seien, den (…) in Stuttgart aufgrund eines Störers anzufahren. Sie hätten ihr Dienstfahrzeug an der (…) abgestellt und seien zu zweit in Uniform über den Gleisübergang zu dem gegenüberliegenden (…) gegangen. Auf dem Gleisüberweg sei ihnen der Angeklagte entgegengekommen und habe auf ihrer Höhe gegenüber ihnen beiden gesagt: „Da ist ja wieder der Rassistenverein“, wobei er bei dieser Aussage ihrem Kollegen EPHM K. in die Augen geschaut habe. Diese Aussage habe der Angeklagte in normaler Lautstärke geäußert und sei für sie und die anderen Passanten, die sich auf dem Überweg befunden hätten, gut hörbar gewesen. Aufgrund der Äußerung des Angeklagten hätten sie ihn einer Personenkontrolle unterzogen und ihn wegen des Vorwurfs der Beleidigung belehrt. Anschließend seien sie weiter zu der Einsatzstelle am (…) gegangen, hätten den Störer jedoch nicht mehr antreffen können. Die Äußerung des Angeklagten habe sie sehr getroffen, da sie keine Rassistin sei und sie sich das überhaupt nicht erklären könne, wieso der Angeklagte sie ohne Anlass so bezeichnet habe.
Die Aussagen der beiden Polizeibeamten waren zur Überzeugung der Strafkammer glaubhaft. Beide berichteten über den Vorgang sachlich, übereinstimmend und ohne Belastungstendenzen. So gaben beide Zeugen auf Nachfrage an, dass der Angeklagte die Äußerung „Da ist ja wieder der Rassistenverein“ in normaler Lautstärke gesagt habe und diese nicht geschrien oder skandiert habe. EPHM K. betonte bei seiner detailreichen Schilderung nachvollziehbar, dass er sich an den Vorfall deshalb noch so gut erinnern könne, da es sich für ihn um einen ungewöhnlichen und aufgrund seiner Anlasslosigkeit nicht alltäglichen Vorfall gehandelt habe. Die persönliche Betroffenheit der beiden Zeugen über den gegenüber ihnen als Polizeibeamte erhobenen Vorwurf trugen beide überzeugend und mitschwingend vor. Beide gaben zur Überzeugung der Kammer glaubhaft an, keine Rassisten zu sein. Wieso der Angeklagte gegenüber ihnen diesen Vorwurf erhoben habe, konnten sich beide glaubhaft betroffen und ratlos über diesen Vorgang nicht erklären.
Dass der Angeklagte mit seiner Äußerung nicht irgendeine unbestimmte Institution der Polizei, eine unbestimmte Polizeibehörde oder eine nicht näher abgrenzbare Gruppe von Polizeibeamten meinte, sondern sich seine Äußerung gezielt gegen die beiden ihm entgegenkommenden uniformierten und daher als Polizeibeamte gut wahrnehmbaren Amtsträger wandte, um seine Missachtung diesen gegenüber auszudrücken, ergab sich aus den überzeugenden Angaben der beiden Polizeibeamten. So schilderten diese übereinstimmend, dass der Angeklagte sich mit seinem Ausdruck genau gegen sie beide gewandt habe, indem er die Äußerung ihnen gegenüber gesagt und dabei EPHM K. in die Augen geblickt habe. Die Äußerung sei von dem Angeklagten nicht einfach so – ohne Bezug zu ihnen – in den Raum gestellt worden, sondern explizit mit der an sie gerichteten Adressierung „da ist ja wieder“ auf sie beide gerichtet gewesen, so dass die Kammer keinen Zweifel an der Zielgerichtetheit der Missachtung gegenüber den beiden Polizeibeamten hatte.
Der Angeklagte hat sich daher wegen Beleidigung gem. § 185 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen gem. § 52 StGB strafbar gemacht.
Das Vorbringen des Angeklagten „Da ist ja wieder der Rassistenverein“ stellt keine Tatsachenbehauptung, sondern eine herabwürdigende, ehrverletzende Wertung der beiden Polizeibeamten dar, weshalb § 185 StGB einschlägig ist.
Eine Tatsachenbehauptung scheidet schon deshalb aus, da die deutsche Polizei aus Polizeibehörden der Länder und des Bundes besteht und keine Vereinsstruktur aufweist und daher auch die beiden Polizeibeamten keine „Mitglieder“ in einem solchen „Verein“ sein können.
Ein „Rassist“ ist eine Person, die eine andere Person aufgrund ihrer Herkunft oder Ethnie geringschätzt und sich ihr aus diesem Grund gegenüber anders verhält. Indem eine Person als „Rassist“ bezeichnet wird, auf die diese Beschreibung nicht zutrifft, wird diese in ihrer Ehre auf massive Weise mit eindeutig abwertendem Charakter herabgesetzt.
Indem hier die beiden Polizeibeamten mit der Äußerung „Da ist ja wieder der Rassistenverein“ betitelt wurden und beide zur Überzeugung der Strafkammer keine Rassisten sind, wurden beide Polizeibeamte in ihrer Ehre verletzt.
Unschädlich ist dabei, dass der Angeklagte die Äußerung in dem Gewand der scheinbaren Kollektivbeleidigung vorgenommen hat. Zwar äußerte er sich gegenüber den beiden Polizeibeamten nicht mit der persönlichen Anrede „Sie sind ein Rassist“. Nichts anderes als dieser Vorwurf gegenüber den beiden Polizeibeamten ergab sich jedoch aus der Gesamtheit aller Umstände unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts bei dem zu ermittelnden objektiven Sinngehalt der Aussage des Angeklagten. Mit dem gegenüber den Polizeibeamten verwendeten Ausspruch „Rassistenverein“ bringt der Angeklagte zum Ausdruck, dass die Polizei ein „Rassistenverein“ ist und alle Polizisten damit als dessen „Mitglieder“ Rassisten sind. Das Vorbringen des Angeklagten, mit seinem Ausspruch dabei nur die Polizei als Institution als „rassistisch“ bezeichnet zu haben, wird vorliegend von dem klaren Wortlaut seiner Aussage widerlegt. In seiner getätigten Äußerung spricht er eben nicht von „rassistischem Verein“, sondern von „Rassistenverein“, was impliziert, dass der „Verein“ aus Rassisten als „Mitglieder“ besteht und damit nicht eine Institutsbeleidigung, sondern eine Beleidigung der Polizeibeamten als Rassisten vorliegt. Da die Aussage des Angeklagten hierbei nicht ohne Bezug war, sondern er diese zielgerichtet gegenüber den beiden Polizeibeamten tätigte und mit dem Ausdruck „da ist ja wieder“ seine Aussage auch verbal an diese beiden adressierte, stand zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Äußerung „Rassistenverein“ trotz Benutzung der eines Sammelbegriffs vergleichbaren Bezeichnung auf die beiden geschädigten Polizeibeamten konkret als Individualbeleidigung richtete und nicht auf eine nicht abgegrenzte Personenmehrheit von Polizeibeamten, auf unbestimmte Institutionen der Polizei oder unbestimmte Polizeibehörden (vgl. insoweit OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Juni 2008, 1 Ss 329/08).
Die Aussage des Angeklagten ist auch nicht gem. § 193 StGB gerechtfertigt.
Vorliegend lag keine Formalbeleidigung oder eine nach dem Bundesverfassungsgericht eng auszulegende und bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise gegebenen Schmähkritik vor, bei deren Vorliegen im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden kann.
Damit war eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten aus Art. 5 GG und den Persönlichkeitsrechten der Geschädigten aus Art. 2 GG geboten, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei der jedoch alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen sind und bei der es auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt.
Diese Abwägung führt vorliegend dazu, dass dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Polizeibeamten der Vorzug zu geben ist.
Für den Vorrang der Meinungsfreiheit spricht zwar, dass es sich bei der Äußerung des Angeklagten um eine einmalige Äußerung gegenüber den Polizeibeamten gehandelt hat und der Personenkreis, der Kenntnis von dieser Äußerung erhalten hat, mit den Passanten auf dem Gleisüberweg überschaubar war.
Demgegenüber ist jedoch zu sehen, dass der von dem Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung vorgebrachte Sachbezug, auf rassistische Strukturen innerhalb der Polizei aufmerksam machen zu wollen, in der Situation vor Ort objektiv nicht erkennbar war. Auch tätigte der Angeklagte seine Äußerung nicht im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen der Beamten, die auf ein rassistisches Verhalten – wie zum Beispiel einer Kontrolle von nur dunkelhäutigen Menschen -schließen lassen könnten (vgl. insoweit LG Mannheim, Urteil vom 27. Juni 2023, 15 NBs 404 Js 33134/21). Vorliegend erfolgte gerade keine inhaltliche oder argumentative Befassung mit dem Vorgehen der Polizeibeamten. Weder boten die Verfahrensbeteiligten noch der Verfahrensablauf irgendeine Veranlassung für die Äußerung des Angeklagten. Vielmehr handelte es sich um eine zufällige Begegnung zwischen den Polizeibeamten und dem Angeklagten, ohne dass die Polizeibeamten in irgendeiner Art und Weise Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt haben. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass es zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört, dass Bürger Amtsträger in anklagender und personalisierender Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden können. Vielmehr muss der Einzelne ohne Furcht vor Sanktionen die Maßnahmen von Polizeibeamten scharf kritisieren dürfen. Jedoch übten im vorliegenden Fall die Polizeibeamten keinerlei Maßnahmen der öffentlichen Gewalt aus, die es zu kritisieren hätte geben können, sondern waren lediglich auf dem Weg zu einem per Notruf angeforderten Einsatz. Das Recht auf Äußerung freier Meinung alleine wie vorliegend zu missbrauchen, Amtsträger in Uniform gezielt öffentlich, anlass- und grundlos persönlich zu diffamieren, ohne dass dies im Rahmen eines von beiden Seiten öffentlichkeitswirksam gesuchten Meinungsaustauschs stattfindet, gebietet es vorliegend im Rahmen der Gesamtabwägung dem Persönlichkeitsrecht der Polizeibeamten den Vorrang einzuräumen, zumal es sich bei dem Vorwurf, Rassist zu sein, um einen hohen herabwürdigen Angriff auf die Ehre der betroffenen Polizeibeamten handelt, durch den das Vertrauen der Bürger in die Integrität der betroffenen Polizeibeamten erschüttert werden kann.
Damit war die Äußerung des Angeklagten im Rahmen der Güterabwägung nicht hinnehmbar. Die Grenze zur Ausübung der Meinungsfreiheit war überschritten, so dass sich der Angeklagte wegen Beleidigung gem. § 185 StGB strafbar gemacht hat.