Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 26.07.2019 zum Aktenzeichen 142 C 2276/19 entschieden, dass es einem Händler von Musik-CDs nicht zumutbar ist, jede von ihm vertriebene CD oder jeden Titel auf jegliche rechtsverletzende Inhalte zu untersuchen.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 14/2020 vom 21.02.2019 ergibt sich:
Die Klägerinnen, zwei Töchter einer durch eine TV-Doku-Soap der Allgemeinheit bekannt gewordenen Familie G., hatten bereits vor dem LG München I wegen eines Liedtextes der Rapper Jigzaw und Kollegah gegen den Produzenten der entsprechenden Musik-CD „Post mortem“ am 15.10.2018 eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung derer Weiterverbreitung erreicht. Der beklagte Händler bot unter seinem Internetshop dieses Album „Post Mortem“ als limitiertes Boxset zum Preis von 47,99 Euro an und verkaufte es zehnmal. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.10.2018 mahnten die Klägerinnen den Beklagten ab, forderten die Unterlassung der gewerblichen Verbreitung der CD, da sie menschenverachtende und persönlichkeitsrechtsverletzende Textteile über die beiden Klägerinnen enthalte, und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Der Beklagte teilte zunächst telefonisch mit, den Vertrieb eingestellt zu haben. Am 01.11.2018 gab der Beklagte die geforderte schriftliche Unterlassungserklärung ab. Die Klägerinnen stellten ihm über ihren Anwalt sodann Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 984,60 Euro in Rechnung.
Die von ihren Eltern vertretenen Klägerinnen argumentieren, dass die Rechtswidrigkeit der Textzeilen auch für Laien ohne weiteres und sofort erkennbar gewesen sei. Nach deren Verbreitung sei es in seinem wirtschaftlichen Interesse gewesen, dass ihn die Klägerinnen zur Vermeidung eines teureren Rechtsstreits bereits vorgerichtlich zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderten. Wer aus Kostengründen riskiere, die von ihm angebotenen Produkte vorher nicht auf Rechtmäßigkeit zu prüfen, müsse die Folgen auch selbst wirtschaftlich tragen. Die Beklagte meint, dass im Text ja nur eine der Töchter, in den diskriminierenden Stellen aber jeweils eine Mehrzahl von – dann wohl anderen – Personen angesprochen würden, so dass die Klägerinnen gerade nicht in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt seien. Er habe auch nicht fahrlässig gehandelt: Bei etwa 2.000 ständig verfügbaren Titeln bei einer Regelspielzeit von 1:30 Stunde hätte er über 375 Tage lang jeweils acht Stunden lang gebraucht, um sämtliche Tonträger anzuhören.
Das AG München hat die Klage auf Zahlung von Kosten in Höhe von 984,60 Euro für die anwaltliche Unterlassungsaufforderung abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts haftet der Beklagte nicht als Täter einer selbst begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Weder hatte der Beklagte Kenntnis von dem rechtsverletzenden Inhalt der streitgegenständlichen CD, noch ist vorgetragen, dass er, nachdem er aufgrund der Abmahnung durch die Klägerinnen von der Rechtswidrigkeit erfahren hatte, weiterhin angeboten hätte. Zutreffend sei, dass der Beklagte eine Vielzahl von CDs verkaufe und ihm diesbezüglich gewisse Prüfpflichten treffen. Dabei könne ihm zugemutet werden, dass er bei Kenntnis von Rechtsverstößen (von Dritten) eine Überprüfung auch im eigenen Rechtskreis dahingehend vornehmen müsse, ob es durch seine eigene Handlung zu einer weiteren Verletzung oder einer Vertiefung der Verletzung komme. Dem Beklagten sei es, erst recht insoweit als er als Störer in Anspruch genommen werden soll, nicht zuzumuten, jede von ihm vertriebene CD oder jeden Titel auf jegliche rechtsverletzende Inhalte zu untersuchen. Das würde wegen des damit verbundenen immensen Aufwands sein Geschäftsmodell gefährden, das nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt sei. Dadurch werden die Betroffenen auch nicht schutzlos gestellt. Vielmehr könnten sie sich, wie auch durch die einstweilige Verfügung vor dem LG München I getan, gegen das Musiklabel oder aber auch gegen die beiden Künstler/Rapper wenden. Hierbei könne ein effektiver und umfassender Stopp des weiteren Vertriebs erreicht werden. Künftigen Vertriebshandlungen stehe entgegen, dass der Beklagte ab dem Zeitpunkt, in dem er durch den Rechteinhaber auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden sei, Prüfpflichten treffen, bei deren Nichteinhaltung er als Unterlassungsschuldner hafte.
Das Urteil ist nach Berufungsrücknahme seit 19.12.2019 rechtskräftig.