Polizei muss Trans­mann weiter beschäf­tigen

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 06.04.2022 zum Aktenzeichen 2 B 402/21 entschieden, dass die Polizei vorläufig einen Trans­mann weiter beschäf­tigen muss.

Nach Auffassung des Senats kann indes nicht ohne eine Beweisaufnahme in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner vor der Einstellung vorsätzlich unwahre Angaben über eine psychotherapeutische Behandlung oder eine psychologische Beratung gemacht hat. Zwar wurde in dem vor Begründung des Beamtenverhältnisses und der Eignungsuntersuchung ausgefüllten Fragebogen (26. August 2019) angegeben, dass der Antragsteller sich nicht in einer solchen Behandlung befinde. Allerdings fanden zu diesem Zeitpunkt bereits probatorische Sitzungen jedenfalls der Eltern mit einem Psychotherapeuten statt; nach Angaben des Antragstellers ohne seine Einbeziehung, aber offenbar in seiner Anwesenheit in der Praxis des Therapeuten. Dafür, dass zu diesem Zeitpunkt (Sommer 2019) – noch – keine Therapie des Antragstellers persönlich stattfand, mag auch sprechen, dass offenbar für das Jahr 2019 keine psychotherapeutischen Leistungen bei der Krankenkasse des Antragstellers geltend gemacht worden sein sollen. Dass der Antragsteller selbst und nicht nur seine Eltern beraten wurden, dafür spricht – mit erheblichem Gewicht – die diesbezügliche, ausdrückliche Angabe in seinem Schreiben vom 20. Mai 2021, dass er sich im Juli 2019 „in psychotherapeutische Behandlung begeben“ habe. Allerdings wird bei einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren auch einzubeziehen sein, dass der Antragsteller beim Ausfüllern des Fragebogens noch minderjährig war und ihm eine differenzierte Betrachtung, ob er selbst oder seine Eltern beraten wurden und ob er gegebenenfalls hierzu beim Antragsgegner nachfragen müsse, vielleicht nicht abverlangt werden konnte. All diese Fragen können nicht „nach Aktenlage“ beurteilt werden, sondern bedürfen einer Klärung im Hauptsacheverfahren, dessen Ausgang damit offen ist.

Ausgehend davon hat der Senat eine Interessenabwägung vorzunehmen. Unter Einbeziehung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 38 Satz 1 SächsVerf (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 20. September 2019 – 2 BvR 880/19 -, juris) überwiegt dabei das private Interesse des Antragstellers, seine Ausbildung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens fortzusetzen und gegebenenfalls zu beenden, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Widerruf.

Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller mit dem erfolgreichen Bestehen der Laufbahnprüfung die Laufbahnbefähigung für die Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene erwirbt. Laufbahnprüfung und Laufbahnbefähigung könnten ihm dann (wohl) nicht mehr genommen werden, wenn in einem Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeverfügung bestätigt würde (vgl. Senatsbeschl. v. 22. Februar 2019 – 2 B 9/19 -, juris Rn. 7). Jedoch folgt aus dem Anspruch des Antragstellers, der sich aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 38 Satz 1 SächsVerf) ergibt und auf eine tatsächlich und rechtlich wirksame Überprüfung der Rücknahmeverfügung gerichtet ist, dass das Interesse des Antragsgegners an der Sicherung seiner Entscheidungsfreiheit, wen er ins Beamtenverhältnis übernimmt, zurücktreten muss, zumal es nicht um die Berufung ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, sondern in das auf Widerruf geht.