Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat am 07,10,2020 zum Aktenzeichen 15 A 2750/18 entschieden, dass der Rat der Stadt Gladbeck die Rechte der Ratsfraktion der Partei DIE LINKE verletzt hat, indem er bei der Durchführung einer Sitzung gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen hat.
Aus der Pressemitteilung des OVG NRW vom 07.10.2020 ergibt sich:
Dieser Verstoß habe aber nicht die Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse zur Autobahn A 52 zur Folge, so das Oberverwaltungsgericht.
Im Mittelpunkt der Tagesordnung der Ratssitzung vom 26.11.2015 stand der mögliche Ausbau der B 224 zur Autobahn A 52. Wegen des erwarteten großen Zuschauerandrangs wurden für die Ratssitzung vorab Eintrittskarten vergeben. Insgesamt 24 Karten wurden an die Presse, an bestimmte Funktionsträger und an Personen im Umfeld des Bürgermeisters vergeben. 25 Plätze erhielten die Ratsfraktionen nach Proporz. Das verbleibende Kontingent von 24 der insgesamt 73 Plätze vergab die Verwaltung nach der Reihenfolge der telefonischen Anfragen an interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die Ratsfraktion DIE LINKE hält dieses Vergabesystem für rechtswidrig.
Das VG Gelsenkirchen hatte ihrer Klage, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der in der fraglichen Sitzung gefassten Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gerichtet ist, stattgegeben.
Das OVG Münster hat der dagegen gerichteten Berufung des beklagten Rates der Stadt teilweise stattgegeben.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts hat der Rat der Stadt gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen verstoßen und dadurch Rechte der Klägerin verletzt. Sitzungsöffentlichkeit bedeute, dass grundsätzlich eine Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten bestehe. Es sei zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Teil der vorhandenen Zuhörerplätze bestimmten Interessenten vorbehalten und damit der allgemeinen „Jedermanns“-Öffentlichkeit entzogen werde. Voraussetzung dafür sei zum einen, dass für die dadurch bewirkte Beschränkung der Öffentlichkeit mit den Prinzipien der Sitzungsöffentlichkeit zu vereinbarende sachliche Gründe vorlägen, und dass daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibe. Diesen Anforderungen sei die Kartenvergabe nicht gerecht geworden. Der Rechtsverstoß führe allerdings nicht zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Während beim vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit die Willensbildung und die Beschlussfassung jeder unmittelbaren Beobachtung und Teilnahme durch die Bevölkerung entzogen seien, fänden diese Vorgänge bei einer fehlerhaften Platzvergabe gleichwohl vor den Augen der – wenn auch unvollkommenen – Öffentlichkeit statt. Der Verfahrensverstoß habe daher kein vergleichbares Gewicht, das die Rechtsfolge der Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse rechtfertigen würde.
Das OVG Münster hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BVerwG zugelassen.