Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 04. März 2024 zum Aktenzeichen 2 BvR 184/22 entschieden, dass ein Rechtsstreit betreffend den Kauf eines gebrauchten Pkw über die Internetauktionsplattform eBay verfassungswidrig war.
Am 7. März 2018 bot der Beklagte des fachgerichtlichen Verfahrens sein Fahrzeug auf der Internetauktionsplattform eBay unter Angabe eines Startpreises von einem Euro an und beendete die Auktion vorzeitig am 10. März 2018. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin und hiesige Beschwerdeführerin mit einem Gebot von 4.160 Euro Höchstbietende. Einen Mindestpreis – der niedrigste Preis, zu dem der angebotene Artikel gekauft werden kann – legte der Beklagte nicht fest. § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay lautete zum Zeitpunkt der Auktion (auszugsweise):
Bei Auktionen nimmt der Käufer das Angebot durch Abgabe eines Gebots an. Die Annahme erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Käufer nach Ablauf der Angebotsdauer Höchstbietender ist. Ein Gebot erlischt, wenn ein anderer Käufer während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt.
Bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Verkäufer kommt zwischen diesem und dem Höchstbietenden ein Vertrag zustande, es sei denn der Verkäufer war dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.
Unter der Überschrift „Berechtigte Gründe für die vorzeitige Beendigung eines Angebots“ gab die Plattform eBay als möglichen Abbruchgrund unter anderem den Umstand an, dass sich der Angebotsersteller beim Eingeben eines Angebots geirrt habe. Als Beispiele hierfür wurden ein „wesentlicher Fehler bei der Beschreibung des Artikels“ oder ein „Fehler bei [der] Angabe von Start- oder Mindestpreis“ genannt.
Die Beschwerdeführerin forderte vom Beklagten schließlich im Klageweg zunächst Übergabe und Übereignung des angebotenen Pkws Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises. Die Parteien stritten im landgerichtlichen Verfahren insbesondere um die Frage, ob der Beklagte zum Abbruch der Auktion berechtigt gewesen sei. Der Beklagte berief sich insoweit insbesondere auf die irrtümlich unterbliebene Eingabe eines Start- oder Mindestpreises und auf die fehlende Angabe von Unfallschäden am streitgegenständlichen Fahrzeug.
Im Laufe des landgerichtlichen Verfahrens stellte sich heraus, dass der Beklagte das Fahrzeug bereits vor der streitgegenständlichen Internetauktion auf eBay angeboten und im Auktionsangebot ebenfalls nicht auf die noch nicht reparierten Unfallfolgen hingewiesen sowie auch hier keinen Start- oder Mindestpreis angegeben hatte. Der zum damaligen Zeitpunkt Höchstbietende hatte die Erfüllung des Kaufvertrags unter Hinweis auf die Unfallschäden abgelehnt. Daraufhin hatte der Beklagte das alte Angebot ohne Änderungen erneut bei eBay eingestellt. Er hatte die Auktion nach fünf Tagen abgebrochen. In der Zeit waren 74 Gebote abgegeben worden. Auf Nachfrage hatte der Beklagte gegenüber dem Bruder der Beschwerdeführerin geäußert, dass er die Auktion deshalb abgebrochen habe, weil er den Unfallschaden selbst habe reparieren wollen.
Mit Urteil vom 20. Dezember 2018 wies das Landgericht Frankenthal (Pfalz) die Klage mit der Begründung ab, der Beklagte sei zur Rücknahme des Angebots berechtigt gewesen, weil er irrtumsbedingt vergessen habe, einen Start- oder Mindestpreis anzugeben. Von den dahingehenden Angaben des Beklagten sei das Gericht nach dessen persönlicher Anhörung im Termin überzeugt. Es entspreche zudem „allgemeiner Lebenserfahrung“ und liege „auf der Hand“, dass der Beklagte das Fahrzeug nicht zum Preis von einem Euro habe verkaufen wollen.
Gegen das Urteil legte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Aufgrund des Unfallschadens verlangte sie statt Erfüllung nunmehr Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 2.340 Euro. Die Beschwerdeführerin begründete die Berufung unter anderem damit, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagte zum Abbruch der Internetauktion berechtigt gewesen sei. Der vom Beklagten behauptete Irrtum beim Einstellen des Angebots sei von der Beschwerdeführerin bestritten worden und der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe weder Beweis angeboten, noch habe das Landgericht eine entsprechende Beweisaufnahme durchgeführt. Schon deshalb sei das landgerichtliche Urteil fehlerhaft. Ohnehin sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Landgericht angesichts der Umstände von der Richtigkeit der Ausführungen des Beklagten überzeugt gewesen sei.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2021 wies das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken die Parteien des Berufungsverfahrens unter anderem darauf hin, dass es seiner Ansicht nach auf die Frage ankomme, ob die Voraussetzungen für einen berechtigten Abbruch der Auktion gegeben seien. Es sei jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Abbruchgrund nicht vorliege. Ausführungen zur Beweislast erfolgten in dem Beschluss nicht.
Mit Urteil vom 10. August 2021 wies das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken die Berufung zurück und ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu. Zur Begründung führte es aus, die Beschwerdeführerin trage die Darlegungs- und Beweislast auch hinsichtlich des Umstands, dass der Beklagte die Auktion vorzeitig unberechtigt im Sinne der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay abgebrochen habe. Dem Beklagten komme hinsichtlich der Umstände, aus denen sich eine Berechtigung zum Abbruch ergebe, nur eine sekundäre Darlegungslast zu.
Das Oberlandesgericht sei „nach Wiederholung der Parteianhörung des Beklagten […] nicht davon überzeugt, dass beim Beklagten nicht zugleich auch noch ein zur vorzeitigen Beendigung berechtigender Abbruchgrund gegeben“ war. Insgesamt habe „die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der anspruchsbegründenden Umstände in Gestalt des Abschlusses eines Kaufvertrages durch eine unberechtigte vorzeitige Beendigung der Auktion auf der Grundlage der Bestimmung in § 6 Nr. 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma ‚eBay‘ nicht nachzukommen [vermocht], sodass sie beweisfällig geblieben“ sei.
Im Urteil ist nicht erläutert, weshalb das Oberlandesgericht von dieser Beweislastverteilung ausgeht.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2021 erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge und beantragte die Fortführung des Verfahrens gemäß § 321a Abs. 5 ZPO. Zur Begründung führte sie aus, das Oberlandesgericht sei überraschenderweise von einer Beweislast der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Nichtvorliegens der den Auktionsabbruch rechtfertigenden Umstände ausgegangen. Aus dem bisherigen Verfahrensverlauf sei erkennbar gewesen, dass sowohl die Beschwerdeführerin und der Beklagte als auch das Landgericht Frankenthal (Pfalz) insoweit von einer Beweislast des Beklagten ausgegangen seien. Diese Beweislastverteilung entspreche auch der ständigen Rechtsprechung. Der Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Juli 2021 sei ebenfalls dahingehend zu verstehen gewesen. Daher habe das Oberlandesgericht jedenfalls gemäß § 139 Abs. 2 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es die Beweislast abweichend davon bei der Beschwerdeführerin sehe. Da es dies nicht getan habe, liege eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, die zu einer Gehörsverletzung der Beschwerdeführerin führe. Durch den unterbliebenen Hinweis sei es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, das Verfahren sachgerecht zu führen und unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts auf eine andere Entscheidung hinzuwirken. Insbesondere habe sich die Beschwerdeführerin ohne den Hinweis nicht veranlasst gesehen, weitere Fragen an den Beklagten zu stellen, weil deutlich gewesen sei, dass dessen Angaben ohnehin nicht ausgereicht hätten, um seiner Darlegungs- und Beweislast nachzukommen. Des Weiteren sei ein – von der Beschwerdeführerin nunmehr im Rahmen der Anhörungsrüge nachgeholtes – Beweisangebot allein deshalb unterblieben, weil die Beschwerdeführerin nicht von einer ihr obliegenden Beweislast ausgegangen sei. Gleiches gelte für den Antrag auf Zulassung der Revision, der aufgrund des fehlenden Hinweises unterblieben sei. Die Zulassung der Revision sei auch zwingend erforderlich gewesen, weil das Oberlandesgericht in seiner Rechtsauffassung von einhelliger Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte und auch des Bundesgerichtshofs abgewichen sei.
Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass eine Gehörsverletzung nicht gegeben sei. Zunächst sei der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Anhörungsrüge gestellte Beweisantrag gemäß § 530, § 520 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 296 Abs. 1 ZPO präkludiert, weil das Beweisangebot nicht bereits im Rahmen der Berufungsbegründung erfolgt sei. Zudem trage die Klägerin nicht vor, welche Fragen sie gestellt und welche Vorhalte sie gemacht hätte, sodass nicht festgestellt werden könne, ob diese für die Entscheidung des Oberlandesgerichts möglicherweise erheblich gewesen wären.
Einen Hinweis zur Frage der Beweislast habe der Senat nicht erteilen müssen, weil er zuvor nicht zu erkennen gegeben habe, dass er die Beweislast bei dem Beklagten sehe. Weiter führt das Oberlandesgericht aus, dass auch ein Rechtsfehler bei der Beurteilung der Beweislast nicht zu einer erfolgreichen Anhörungsrüge führe, weil das „Gehörsrügeverfahren […] nicht der allgemeinen ‚Richtigkeitskontrolle‘ einer nicht anfechtbaren gerichtlichen Entscheidung“ diene. Schließlich begründe auch der fehlende Antrag auf Zulassung der Revision keine Gehörsverletzung, da der Senat von Amts wegen eine mögliche Zulassung der Revision prüfe und es keines entsprechenden Antrags bedürfe.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
Nicht nur die einfachgesetzliche Vorschrift des § 139 ZPO, sondern auch der – insoweit durch § 139 ZPO konkretisierte – Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hätte das Oberlandesgericht im vorliegenden Berufungsverfahren dazu verpflichtet, die Beschwerdeführerin auf die beabsichtigte Entscheidung zur Beweislastverteilung hinsichtlich des Vorliegens eines Abbruchgrundes hinzuweisen. Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts war insoweit in keiner Weise vorhersehbar und kam daher für die Beschwerdeführerin völlig überraschend. Das Oberlandesgericht wich durch die Entscheidung zur Beweislastverteilung im streitgegenständlichen Verfahren nämlich sowohl von allgemein anerkannten Beweislastregeln (1) als auch – soweit ersichtlich – von sämtlicher sich zu dieser Rechtsfrage äußernder Rechtsprechung und Literatur (2) ab.
Bereits die Formulierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Internetauktionsplattform eBay legt ihrem Wortlaut nach nahe, dass der Angebotsersteller die Beweislast für das Vorliegen eines berechtigten Abbruchgrundes trägt. Nach materiellen Beweisregeln grenzt die Negativformulierung „es sei denn“ innerhalb eines anspruchsbegründenden Tatbestandes ein vom Anspruchsgegner zu beweisendes (negatives) Tatbestandsmerkmal von den vom Anspruchsteller zu beweisenden Tatbestandsmerkmalen ab (vgl. etwa BGHZ 175, 152 <157 Rn. 11>). Bereits aus diesem Grund lag es hier nahe, die Darlegungs- und Beweislast entsprechend beim Beklagten zu sehen.
Zudem ergibt sich diese Beweislastverteilung auch aus der rechtlichen Konstruktion des Vertragsschlusses über die Plattform eBay – unabhängig davon, wie man die Möglichkeit der berechtigten Angebotsrücknahme nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay dogmatisch im Einzelnen einordnet. So wertet der Bundesgerichtshof die Erstellung einer Internetauktion auf der Plattform eBay in ständiger Rechtsprechung als ein unter dem Vorbehalt der berechtigten Rücknahme abgegebenes Verkaufsangebot (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015 – VIII ZR 284/14 -, juris, Rn. 16 m.w.N.). Dem schließt sich die Kommentarliteratur einhellig an (vgl. etwa Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 145 Rn. 20; Armbrüster, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 145 Rn. 16b; Brinkmann, in: PWW, BGB, 18. Aufl. 2023, vor §§ 145 ff. Rn. 55; Mansel, in: Jauernig, BGB, 19. Aufl. 2023, § 145 Rn. 8; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 156 Rn. 3). Demgegenüber wird die Möglichkeit der Angebotsrücknahme nach anderer Ansicht als „anfechtungsähnliches Gestaltungsrecht“ (vgl. Alexander, JR 2015, S. 289 <295>) oder als auflösende Bedingung des Angebots (vgl. Wagner/Zenger, MMR 2013, S. 343 <346>) gewertet.
Sowohl unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs als auch bei Annahme eines „anfechtungsähnlichen Gestaltungsrechts“ beziehungsweise einer auflösenden Bedingung des Angebots ist aber nach hergebrachten Grundsätzen von einer Beweislast des Beklagten auszugehen. Denn es entspricht bislang einhelliger Auffassung, dass die zu einem vertraglichen Loslösungsrecht führenden Umstände – anders als die den Vertragsschluss begründenden Umstände – von demjenigen zu beweisen sind, der sich auf das entsprechende Recht beruft. Das gilt sowohl für den Widerrufsvorbehalt (vgl. Bork, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 145 Rn. 38; Riesenhuber, in: Soergel, BGB, 14. Aufl. 2022, § 145 Rn. 37; Armbrüster, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 145 Rn. 16b; Otto, in: jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 145 Rn. 129; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 145 Rn. 4) als auch für die Anfechtung (vgl. Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 119 Rn. 153; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, Einf. v. § 116 Rn. 21) und die auflösende Bedingung (vgl. Mansel, in: Jauernig, BGB, 19. Aufl. 2023, § 158 Rn. 15 m.w.N.; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, Einf. v. § 158 Rn. 14).
Dementsprechend geht auch die fachgerichtliche Rechtsprechung übereinstimmend davon aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines berechtigten Abbruchgrundes bei dem Anbietenden liegt. Ausdrücklich äußert sich in diese Richtung die – von der Beschwerdeführerin bereits in der Anhörungsrüge sowie auch in der Beschwerdebegründung zitierte – oberlandesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 26. Februar 2014 – 12 U 336/13 -, juris, Rn. 156 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Juli 2019 – 12 U 14/19 -, BeckRS 2019, 16119 Rn. 12; OLG Hamm, Urteil vom 30. Juli 2020 – 34 U 125/19 -, NJOZ 2020, S. 1426 <1429>). Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass der Bundesgerichtshof diese oberlandesgerichtliche Rechtsprechung bestätigt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 90/14 -, juris, Rn. 10, 12) und sich hiernach nicht mehr anderweitig geäußert hat. Ohnehin ergibt sich diese Beweislastverteilung nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bereits daraus, dass er hinsichtlich der Möglichkeit zum Abbruch der Internetauktion von einem Widerrufsvorbehalt ausgeht (vgl. oben Rn. 34).
Auch in der Kommentarliteratur wird folgerichtig davon ausgegangen, dass der Anbietende die Beweislast für den berechtigten Abbruch eines Angebotes im Rahmen einer Internetauktion trägt (ausdrücklich zur Internetauktion auf der Plattform eBay insoweit Brinkmann, in: PWW, BGB, 18. Aufl. 2023, vor §§ 145 ff. Rn. 55). Gegenteilige Ansichten werden – soweit ersichtlich – nicht vertreten.
Nach alledem war es für die Beschwerdeführerin nicht möglich, sich auf die insoweit völlig überraschende Rechtsansicht des Oberlandesgerichts einzustellen, die Beschwerdeführerin trage die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen der den Auktionsabbruch rechtfertigenden Umstände. Mithin stellt die Entscheidung des Oberlandesgerichts eine Überraschungsentscheidung dar, mit der auch unter Beachtung der von einem vernünftigen Prozessbeteiligten zu erwartenden Sorgfalt nicht gerechnet werden konnte. Auf diese Weise wurde der Beschwerdeführerin verwehrt, sich zu den nach Ansicht des Oberlandesgerichts entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu äußern.
Der Gehörsverstoß wurde auch nicht durch die Entscheidung über die Anhörungsrüge geheilt. Vielmehr stellt der Zurückweisungsbeschluss im Anhörungsrügeverfahren eine eigenständig angreifbare Verletzung rechtlichen Gehörs dar.
Der Zurückweisungsbeschluss ist nicht dazu geeignet, den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Anhörungsrügeverfahren zu heilen. Das Oberlandesgericht setzt sich nämlich nicht hinreichend mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwänden hinsichtlich der von ihr gerügten Gehörsverletzung auseinander. Soweit das Oberlandesgericht ausführt, es könne nicht feststellen, ob der von der Beschwerdeführerin nach einem gerichtlichen Hinweis nachgeholte Vortrag „für die Entscheidung des Senats (möglicherweise) erheblich gewesen“ wäre, überspannt es die Beruhensanforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG, weil danach lediglich erforderlich ist, dass die Erheblichkeit für den Verfahrensausgang nicht ausgeschlossen werden kann (im Einzelnen vgl. nachfolgend Rn. 47 ff.).
Soweit das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge auch mit der Begründung zurückweist, dass der Gehörsgrundsatz „keinen Anspruch darauf [vermittle], dass das Gericht auch [der] rechtlichen Beurteilung“ der Beschwerdeführerin folge, so verkennt es, dass die Beschwerdeführerin sich gerade nicht gegen die rechtliche Beurteilung in der Sache, sondern gegen das Unterbleiben eines gerichtlichen Hinweises aufgrund der abweichenden rechtlichen Beurteilung wendet. Gleiches gilt für die Ausführung, dass „eine ‚falsche rechtliche Einschätzung‘ […] nicht per se eine Verletzung rechtlichen Gehörs“ begründe und „das Gehörsrügeverfahren […] nicht der allgemeinen ‚Richtigkeitskontrolle‘ einer nicht anfechtbaren gerichtlichen Entscheidung“ diene. Auf die vorgebachten Argumente der Beschwerdeführerin in der Sache, insbesondere die in der Anhörungsrüge ausführlich zitierte entgegenstehende Rechtsprechung zur Beweislastverteilung, geht das Oberlandesgericht dagegen nicht ein. Damit gehen seine Ausführungen im Anhörungsrügeverfahren in weiten Teilen inhaltlich am Vorbringen der Beschwerdeführerin vorbei.
Zudem liegt eine eigenständige Gehörsverletzung darin, dass das Oberlandesgericht das im Anhörungsrügeverfahren vorgebrachte Beweisangebot unter Verweis auf die Präklusionsvorschriften der § 530, § 520 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 296 Abs. 1 ZPO zurückweist.
Den Parteien ist im Berufungsverfahren nach einem Hinweis des Berufungsgerichts, dass und aufgrund welcher Erwägungen es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, auch Gelegenheit zu geben, ihren Tatsachenvortrag sachdienlich zu ergänzen oder weiteren Beweis anzutreten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2016 – 2 BvR 1313/16 -, Rn. 11). Die Hinweispflicht des Berufungsgerichts und die Berücksichtigung neuen Vorbringens gehören insoweit zusammen. Die Pflicht zum Hinweis auf eine von der ersten Instanz abweichende Beurteilung liefe nämlich leer, wenn ein daraufhin erfolgter entscheidungserheblicher neuer Vortrag präkludiert wäre. Neues Vorbringen der Parteien des Berufungsverfahrens, das auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts erfolgt und den Prozessverlust wegen einer von der ersten Instanz abweichenden rechtlichen oder tatsächlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht vermeiden soll, ist daher zuzulassen, ohne dass es darauf ankommt, ob es schon in erster Instanz hätte vorgebracht werden können (vgl. BVerfGE 65, 227 <234>). So führt etwa ein Übersehen der richtigen Beweislastverteilung durch das erstinstanzliche Gericht dazu, dass der nach einem entsprechenden Hinweis in zweiter Instanz erfolgende Beweisantritt nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007 – IV ZR 145/07 -, juris, Rn. 5; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2016 – 2 BvR 1313/16 -, Rn. 12).
Entsprechendes muss gelten, wenn der Berufungskläger – wie hier – im Anhörungsrügeverfahren weiteren Beweis anbietet, weil das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ohne vorherigen Hinweis und unter Verletzung des Gehörsanspruchs des Berufungsklägers von einer nicht erwartbaren Beweislastverteilung ausgeht. Auch in diesem Fall darf das Berufungsgericht das im Anhörungsrügeverfahren nachgeholte Beweisangebot, das überhaupt erst durch die überraschende Beurteilung der Beweislast erforderlich wird, nicht unter Verweis auf die Präklusionsvorschriften des Berufungsverfahrens zurückweisen.
Die angefochtenen Entscheidungen beruhen auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ein Hinweis des Oberlandesgerichts zu einer Thematisierung der Beweislastfrage im Prozess geführt hätte und – insbesondere aufgrund des einhelligen Meinungsbildes in Rechtsprechung und Literatur – das Oberlandesgericht dadurch zu einer anderen rechtlichen Würdigung veranlasst worden wäre.
Des Weiteren legt die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung wie auch in der Begründung der Anhörungsrüge dar, dass sie im Falle eines entsprechenden Hinweises des Oberlandesgerichts ergänzend Beweis zur Frage der Gründe des Auktionsabbruches angeboten hätte. Auch insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass die Vernehmung der von der Beschwerdeführerin im Anhörungsrügeverfahren insoweit benannten Zeugen zur Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts im Sinne der Beschwerdeführerin hätte beitragen können.
Weiter führt die Beschwerdeführerin aus, sie hätte auf die Zulassung der Revision hingewirkt, wenn sie von der zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichenden Rechtsansicht des Oberlandesgerichts gewusst hätte. Zwar ist die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO unabhängig von einem Antrag der Parteien zuzulassen, sofern einer der in der Norm genannten Zulassungsgründe vorliegt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Oberlandesgericht vorliegend jedoch in seiner Entscheidung von der bislang einhellig vertretenen Auffassung zur Beweislastverteilung anderer Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs in entscheidungserheblicher Weise abweicht und damit jedenfalls eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO angezeigt war (vgl. Feskorn, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 543 Rn. 16), ist davon auszugehen, dass ein Vortrag der Beschwerdeführerin zu diesem Umstand das Oberlandesgericht mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu einer entsprechenden Zulassung veranlasst hätte. Erneut wird das Oberlandesgericht hier den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht gerecht, wenn es in der Entscheidung über die Anhörungsrüge zwar einerseits ausführt, dass es die Zulassungsgründe nach § 543 ZPO von Amts wegen prüfe, andererseits aber mit keinem Wort darauf eingeht, mit welchen Erwägungen es die Revisionszulassung ablehnt.
Auch die Entscheidung über die Anhörungsrüge beruht nach den dargelegten Maßstäben auf der insoweit vorliegenden eigenständigen Gehörsverletzung. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn es die im Rahmen der Anhörungsrüge von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Beweisangebote nicht unter Verweis auf die Präklusionsvorschriften des Berufungsverfahrens zurückgewiesen hätte. Vielmehr hätte es bei Berücksichtigung der Beweisangebote nahegelegen, Termin zur Beweisaufnahme zu bestimmen.