Pirmasenser Zeitung hat keinen Anspruch auf Auskunft über Infektionszahlen in Ortsgemeinden

31. Oktober 2020 -

Das Verwaltungsgericht Neustadt hat mit Beschluss vom 29.10.2020 zum Aktenzeichen 5 L 930/20.NW entschieden, dass die Pirmasenser Zeitung gegenüber dem Landkreis Südwestpfalz keinen Anspruch auf Auskunft über die Corona-Infektionszahlen aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ortsgemeinden des Landkreises Südwestpfalz hat.

Aus der Pressemitteilung des VG Neustadt Nr. 24/2020 vom 30.10.2020 ergibt sich:

Die Antragstellerin ist Herausgeberin der in Pirmasens erscheinenden Regionalzeitung „Pirmasenser Zeitung“. Ihren beim Landkreis Südwestpfalz (im Folgenden: Antragsgegner) gestellten Antrag, ihr die Corona-Infektionszahlen aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ortsgemeinden des Landkreises Südwestpfalz mitzuteilen, lehnte der Antragsgegner mit der Begründung ab, auf Empfehlung des Landesdatenschutzbeauftragten würden keine Infektionszahlen auf Ebene der Ortsgemeinde bekanntgegeben. Am 26.10.2020 hat die Antragstellerin um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Begründung nachgesucht, es sei ein Informationsbedürfnis der Bürger über das Infektionsgeschehen in ihrem Heimatort und regionalen Umfeld vorhanden, und zwar nicht nur aus Neugierde, sondern auch deshalb, weil sich jeder dann besser schützen könne, wenn er wisse, ob evtl. ein Infektionsgeschehen im direkten Umfeld vorhanden sei. Mit den erwünschten Auskünften sei eine individuelle Zuordnung von Zahlen zu konkret Betroffenen auch in kleinen Ortsgemeinden nicht möglich. Die begehrte Aufschlüsselung führe auch nicht dazu, dass aus der Berichterstattung Rückschlüsse auf bestimmte Personen möglich seien. Sie berufe sich auf das grundgesetzliche geschützte Selbstbestimmungsrecht der Presse.

Das VG Neustadt hat den Eilantrag des Antragstellers abgelehnt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin keinen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegen den Antragsgegner auf Erteilung der begehrten Auskünfte über die Gesamtzahl der seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie dokumentierten Infektionszahlen, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Ortsgemeinden bzw. entsprechende Zahlen aktiver Infektionen im Landkreis Südwestpfalz. Die Antragstellerin könne sich für ihr Begehren zunächst ohne Weiteres auf den grundgesetzlich geschützten Auskunftsanspruch der Presse stützen, indem sie darauf hinweise, dass gebietsbezogene Informationen zu den Corona-Fallzahlen aktuell auf ein sehr hohes öffentliches Interesse treffen. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass vielfach diskutierte Eindämmungsstrategien derzeit auch an aktuelle, gebietsbezogene Infektionsfallzahlen anknüpften. Damit böten die umstrittenen Daten zweifellos eine Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung.

Zwar veröffentliche das zuständige Gesundheitsministerium des Landes Rheinland-Pfalz nur Zahlen auf der Ebene der Landkreise. Es müsse allerdings der Presse unbenommen bleiben, selbst zu entscheiden, welche Datengrundlage sie für ihre Berichterstattung heranziehe. Eine Bewertung und Gewichtung des Informationsinteresses der Presse komme grundsätzlich nicht in Betracht.

Jedoch könne der Antragsgegner die begehrten Auskünfte verweigern, wenn ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Dies sei hier der Fall. Das Verwaltungsgericht sehe eine beachtliche Gefahr, dass die Veröffentlichung der Infektionszahlen auf Ortsgemeindeebene zu einer Bestimmbarkeit der betroffenen Personen führen werde. Maßgeblich dafür sei vor allem die äußerst kleinteilige Gemeindestruktur im Landkreis Südwestpfalz. So hätten die betreffenden Ortsgemeinden etwa in den Verbandsgemeinden Thaleischweiler-Wallhalben oder Hauenstein zum Teil weniger als 200 Einwohner, die Ortsgemeinde Hirschthal in der Verbandsgemeinde Dahner Felsenland habe sogar weniger als 100 Einwohner. Dementsprechend gering seien die Infektionszahlen. Angesichts dessen sei es nicht nur wahrscheinlich, dass infizierte Personen in den kleinteiligen Gemeinden insbesondere über den Austausch in sozialen Netzwerken bestimmbar seien, sondern dass von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht werde.

Die bisherige Entwicklung seit dem Ausbruch der Pandemie habe nämlich gezeigt, dass im Zuge der zunehmend angespannten politischen Diskussion über den richtigen Umgang auch immer wieder versucht worden sei, anknüpfend an Statistiken darüber zu spekulieren, ob sich infizierte bzw. unter Quarantäne stehende Einzelpersonen, einzelne Familien oder auch bestimmte Gruppen – möglicherweise zu Unrecht – nicht an die vorgeschriebenen bzw. empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen hielten. Gerade die sehr geringen (absoluten) Infektionszahlen in den maßgeblichen kleinen pfälzischen Ortsgemeinden könnten zu einer solchen Vorgehensweise herausfordern. Damit setze sich der Schutzanspruch der Betroffenen hier gegenüber dem Informationsrecht der Presse durch.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum OVG Koblenz zulässig.