Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in Kiel hat am 25.03.2020 zum Aktenzeichen 6 Sa 102/20 entschieden, dass eine Berufung unzulässig ist, wenn sie von einer Partei durch ihren Rechtsanwalt innerhalb der Berufungsfrist nur per Fax eingereicht wird, nicht aber über den elektronischen Rechtsverkehr.
Aus der Pressemitteilung des LArbG Kiel Nr. 7/2020 vom 05.06.2020 ergibt sich:
Seit dem 01.01.2020 können Rechtsanwälte und auch Behörden in Schleswig-Holstein nur noch über den elektronischen Rechtsverkehr Schriftsätze bei den Arbeitsgerichten einreichen. Diese Nutzungspflicht ergibt sich aus § 46g ArbGG, eine Vorschrift, die Schleswig-Holstein als bisher einziges Bundesland per Landesverordnung vorzeitig eingeführt hat.
Die Klägerin hatte sich mit ihrer Klage u.a. gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewehrt.
Das ArbG Lübeck hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Dem schriftlichen Urteil war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die über die bestehende Pflicht für Rechtsanwälte aufklärte, Anträge zweitinstanzlich ausschließlich per elektronischem Rechtsverkehr einzureichen. Dennoch reichte der in Niedersachsen ansässige Rechtsanwalt der Klägerin die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist lediglich per Fax ein.
Das LArbG Kiel hat die Berufung als unzulässig verworfen und hat auch dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht stattgegeben.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin mit der mittels Fax eingereichten Berufung die Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts ignoriert und die Berufung nicht formgemäß eingelegt. Durch die Landesverordnung konnte § 46g ArbGG schon vor dem 01.01.2022 in Kraft gesetzt werden. Ermächtigungsgrundlage für die Landesverordnung ist Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786). § 46g ArbGG gelte auch für die zweite Instanz, obwohl sich die Regelung im Gesetzesabschnitt für den ersten Rechtszug befinde und die Vorschrift in § 64 Abs. 7 ArbGG (Übernahme erstinstanzlicher Vorschriften für das Berufungsverfahren) nicht erwähnt sei. Die Geltung entspreche aber dem Willen des Gesetzgebers, dem ein Redaktionsversehen unterlaufen sei. Die im Gesetzgebungsverfahren immer wieder betonte gerichtsbarkeitsbezogene Nutzungsverpflichtung solle der gesamten Gerichtsbarkeit – und nicht nur einer einzelnen Instanz – Gelegenheit geben, zu überprüfen, wie der elektronische Rechtsverkehr funktioniere. Das lasse sich nur dann sinnvoll beurteilen, wenn der Rechtsverkehr instanzübergreifend einheitlich stattfinde.
Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung beibe der Klägerin versagt. Sie konnte sich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum ihres in Niedersachsen ansässigen Prozessbevollmächtigten als Wiedereinsetzungsgrund berufen, der die Schleswig-Holsteinische Landesverordnung nicht gekannt habe. Für ihn ergab sich aus der zutreffenden und unmissverständlichen Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil ohne Weiteres, dass er die Berufung elektronisch einzureichen hatte. Das hätte er bei sorgfältigem und vollständigem Lesen der Rechtsmittelbelehrung feststellen können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das LArbG Kiel hat die Revisionsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.