Per Fax, wenn das beA nicht geht

14. September 2023 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Zwischenurteil vom 25. Juli 2023 zum Aktenzeichen X ZR 51/23 entschieden, dass die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung rechtzeitig ist, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO.

Die von einem Rechtsanwalt unterschriebene Berufungsschrift ist am 20. April 2023 um 15:15 Uhr per Telefax beim Bundesgerichtshof eingegangen. In einem am gleichen Tag um 20:09 Uhr per Telefax eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte dargelegt, weshalb ihre Prozessbevollmächtigten die Berufungs-schrift nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht haben.

Die Berufungsschrift ist form- und fristgerecht eingereicht worden.

Nach der Regelung in § 130d Satz 1 ZPO war die von einem Rechtsanwalt eingereichte Berufungsschrift grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Im Streitfall war die Übermittlung per Telefax gemäß § 130d Satz 2 ZPO ausnahmsweise ausreichend.

Die Beklagte hat hinreichend und rechtzeitig glaubhaft gemacht, dass eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Glaubhaftmachung rechtzeitig erfolgt.

Gemäß § 130d Satz 3 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Glaubhaftmachung danach möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt.

Eine noch am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangene Darlegung und Glaubhaftmachung ist als gleichzeitig im Sinne dieser Grundsätze anzusehen.

Der Regelung in § 130d Satz 3 ZPO ist allerdings zu entnehmen, dass die Gründe für die Ersatzeinreichung so schnell wie möglich darzulegen und glaubhaft zu machen sind. Bei Anlegung dieses Maßstabes darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Frist für die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tages ausgenutzt werden darf. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn die Ersatzeinreichung und die Darlegung und Glaubhaftmachung am gleichen Tag mit zwei getrennten Schriftsätzen übermittelt werden.

Die Darlegung und Glaubhaftmachung wäre auch vom Rechtsstandpunkt der Klägerin aus rechtzeitig erfolgt, wenn die Beklagte die Berufungsschrift zusammen mit diesem Schriftsatz erneut per Telefax übermittelt hätte. Ein solches Ansinnen liefe aber auf eine leere Förmelei hinaus, weil die Berufungsschrift in dieser Form dem Gericht bereits vorlag.

Die Beklagte hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass die in § 130d Satz 2 ZPO normierten Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung vorgelegen haben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind zur Glaubhaftmachung eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände und eine eidesstattliche oder anwaltliche Versicherung erforderlich

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten gerecht.

Die Beklagte hat dargelegt und anwaltlich versichert, dass zwei ihrer Prozessbevollmächtigten am 20. April 2023 zwischen 12:56 Uhr und 18:34 Uhr ins-gesamt zwölfmal versucht haben, die Berufungsschrift aus ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu übermitteln, und dass alle Übermittlungsversuche mit der Meldung geendet haben, die Nachricht habe nicht an den Intermdiär des Empfängers übermittelt werden können. Sie haben ferner dargelegt, dass am 20. April 2023 auf den Internetseiten des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (https://egvp.justiz.de) eine mit dem Status „aktuell“ gekennzeichnete Meldung veröffentlicht war, wonach (unter anderem) die Bundesgerichte seit dem 19. April 2023 um 14:12 Uhr „vorläufig nicht erreichbar“ seien.

Diese Schilderung ist aus sich heraus verständlich und in sich geschlossen. Sie wird bestätigt durch die anwaltliche Versicherung und durch die vorgelegten Screenshots des Postausgangsordners der beiden besonderen elektronischen Anwaltspostfächer und den Screenshot der Fehlermeldung bezüglich des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs.

Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen ergibt sich, dass die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war.

Durch die dokumentierten Fehlermeldungen ist glaubhaft gemacht, dass das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Bundesgerichtshofs seit 19. April 2023 nicht erreichbar war, dass dieser Zustand am 20. April 2023 angedauert hat und dass nicht abzusehen war, wann die Störung behoben sein würde. Danach ist der Tatbestand des § 130d Satz 2 ZPO verwirklicht.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob bereits jede noch so kurzfristige Störung die Möglichkeit der Ersatzeinreichung eröffnet und ob eine elektronische Übermittlung im Zeitraum zwischen dem letzten Sendeversuch um 18:34 Uhr und Mitternacht möglich gewesen wäre. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

Eine solche Situation liegt insbesondere dann vor, wenn sich aus einer Meldung auf den Internet-Seiten des elektronischen Gerichts- und Verwaltungs-postfachs oder einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird. Eine vergleichbare Situation liegt dann vor, wenn zwar keine Störungsmeldung veröffentlicht ist, aber mehrere Sendeversuche trotz ordnungsgemäßer Bedienung des Systems erfolglos geblieben sind.

Im Streitfall waren nach dem glaubhaft gemachten Vortrag beide dieser Voraussetzungen erfüllt. Aus der im Internet veröffentlichten Störungsmeldung war nicht ersichtlich, wann die Störung behoben sein wird. Unabhängig davon ergab sich aus den wiederholt erfolglos gebliebenen Sendeversuchen und den auf eine Störung beim Empfänger-Intermediär hindeutenden Fehlermeldungen, dass eine technische Störung vorlag.

Aus der Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten bei dem früher zulässigen Einreichen fristgebundener Schriftsätze per Telefax ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax nicht vorschnell abgebrochen werden, wenn eine Übersendung zunächst – insbesondere wegen einer Belegung des Empfangsgeräts mit anderweitigen Sendungen – nicht gelingt. Danach ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann zu versagen, wenn schon um 20 Uhr von weiteren Sendeversuchen abgesehen worden ist.

Diese Rechtsprechung ist auf § 130d Satz 2 ZPO nicht übertragbar.

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist ein Rechtsanwalt, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, und deshalb eine zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen.

Diese Unterscheidung ist konsequent, weil § 130d Satz 2 ZPO nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumen einer Frist betrifft, sondern die Möglichkeit zur Einhaltung einer Frist in einer von der Vorgabe aus § 130d Satz 1 ZPO abweichenden Form vorsieht. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass ein Telefaxgerät wegen Belegung mit anderweitigen Sendungen vorübergehend nicht erreichbar ist, auch bei ordnungsgemäßer Funktion aller Komponenten. § 130d Satz 2 ZPO betrifft demgegenüber Fälle, in denen die zur Übermittlung eingesetzten Systeme eine Störung aufweisen.