Wenn ein Gericht in einem anhängigen Rechtsstreit entscheidet, dass eine Partei vor einem anderen Gericht vernommen oder angehört werden soll, geschieht dies im Wege eines Rechtshilfegesuchs.
Ein Ersuchen um Rechtshilfe darf nach § 158 I GVG grundsätzlich nicht abgelehnt werden.
Die Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens eines nicht im Rechtszug vorgesetzten Gerichts ist nach § 158 II GVG ausnahmsweise dann statthaft, wenn die vorzunehmende Amtshandlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist.
Diese Ausnahmevorschrift ist nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung eng auszulegen, weshalb eine Ablehnung nur dann in Betracht kommt, wenn die von dem ersuchten Gericht vorzunehmende Handlung schlechthin unzulässig ist (BGH NJW 1990, 2936 f; BAG NJW 2001, 2196; Zöller / Gummer, 25. Auflage, § 158 GVG, Rd. 3 – jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ein solches Verbot ist vorliegend nicht zu erkennen. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass die Anhörung einer Partei im Sinne des § 141 ZPO kein Instrument der Beweisaufnahme, sondern ein solches der materiellen Prozessleitung ist (vgl. statt vieler: Zöller / Greger, 25. Auflage, § 141 ZPO, Rd. 1 sowie vor § 445, Rd. 1).
Die Regelung für die Zeugenvernehmung in § 451 ZPO kann daher ebenso wenig unmittelbar zur Begründung der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtshilfeersuchens herangezogen werden wie Bestimmungen in § 375 ZPO.
Allerdings enthält § 141 ZPO auch kein ausdrückliches Verbot der Rechtshilfe.
Diese Bestimmung gibt vielmehr dem „Gericht“ im Sinne einer Sollbestimmung auf, das persönliche Erscheinen einer Partei anzuordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint.
Obwohl in der Zivilprozessordnung unter anderem zwischen den Begriffen „Gericht“, „Prozessgericht“, „Mitglied des Prozessgerichts“ und „ein anderes Gericht“ differenziert wird ( vgl. z. B. §§ 355 I, 361 I, 362 I, 375, 613 I ZPO ) wird in § 141 ZPO schlicht von dem „Gericht“ gesprochen, ein Begriff, welcher sich auch in § 156 GVG wieder findet, der die „Gerichte“ verpflichtet, u. a. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Rechtshilfe zu leisten.
Gemessen an der Verwendung des Begriffes „Gericht“ kann also nicht angenommen werden, § 141 ZPO schließe die Möglichkeit eines Rechtshilfeersuchens von vornherein aus.
Vor diesem Hintergrund wird die Frage der Zulässigkeit eines Rechtshilfeersuchens zwecks Parteianhörung in der Kommentarliteratur auch kontrovers – meist jedoch ohne nähere Begründung – behandelt (für die Zulässigkeit sprechen sich aus: Kissel / Mayer, GVG, 4. Auflage, § 158 GVG, Rd. 38; Münchener Kommentar / Wolf, 2. Auflage, § 158 GVG, Rd. 11; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, 62. Auflage, § 158 GVG, Rd. 5; so wohl auch Zöller / Gummer, 25. Auflage, § 156 GVG, Rd. 2 und § 158 GVG, Rd. 5; gegen die Zulässigkeit sprechen sich aus: Zöller / Greger, 25. Auflage, § 141 ZPO, Rd. 6; Musielak / Stadler, 3. Auflage, § 141 ZPO, Rd. 11; ).
Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen hat zwar in einer Entscheidung vom 29. 03. 1996 ( Az. 3 (III) AR 9 / 96; OLGReport Bremen 1996, 173 ) ausgeführt, aus der Regelung in § 141 I 2 ZPO – wonach das Gericht von der Anordnung des persönlichen Erscheinens absieht, wenn die Wahrnehmung des Termins einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigen Gründen nicht zuzumuten ist – folge, dass die Anhörung der Partei im Sinne § 141 ZPO nicht im Wege der Rechtshilfe delegiert werden könne.
Dieser Würdigung vermag der vorliegend angerufene Senat sich nicht anzuschließen. Nach § 158 II GVG ist der Ausnahmefall der Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens daran geknüpft, dass die vorzunehmende Handlung schlechterdings „verboten“ ist.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Gesetzgeber über § 141 I 2 ZPO ein Verbot und nicht nur eine Sollvorschrift aufstellt, so ist doch nicht anzunehmen, dass ein solches Verbot die Parteianhörung im Wege der Rechtshilfe betrifft.
Aus dem Umstand, dass eine Partei zu einem Termin vor einem bestimmten Gericht nicht geladen werden darf / soll, wenn es ihr unzumutbar ist, kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass diese Partei auch vor ein anderes Gericht, nämlich das Rechtshilfegericht, nicht geladen werden darf. Immerhin mögen die Zumutbarkeitserwägungen hier zu einem anderen Ergebnis gelangen.
Dass § 141 I 2 ZPO den Umkehrschluss zuließe, dass Rechtshilfeersuchen in Fällen der Parteivernehmung generell unzulässig seien, ist danach nicht erkennbar.
Dagegen spricht auch die Tatsache, dass die Zivilprozessordnung für Ehesachen in § 613 ZPO expressis verbis die Möglichkeit eröffnet, einen Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen zu Fragen der elterlichen Sorge durch einen ersuchten Richter anhören zu lassen.
Ein generelles Verbot der Anhörung einer Partei im Wege der Rechtshilfe ist der Zivilprozessordnung somit fremd.
Warum eine solche dann für andere, u. U. sogar weniger gewichtige Angelegenheiten, nicht zulässig sein sollte, ist nicht ersichtlich.
Dagegen spricht auch die Tatsache, dass unter bestimmten, in §§ 375, 451 ZPO geregelten Prämissen, nicht nur eine Zeugenvernehmung, sondern auch eine Parteivernehmung im Wege der Rechtshilfe zulässig ist.