Organstreitverfahren wegen der polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung von Mitarbeitern der Abgeordneten unzulässig

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart hat am 26.04.2021 zum Aktenzeichen 1 GR 58/19 einen Antrag des Landtagsabgeordneten Dr. Heinrich Fiechtner, der sich gegen Regelungen in der Hausordnung des Landtags von Baden-Württemberg in der Fassung vom 25.06.2019 über eine polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung von Mitarbeitern der Abgeordneten richtete, als unzulässig zurückgewiesen.

Aus der Pressemitteilung des VerfGH BW vom 27.04.2021 ergibt sich:

Die angegriffenen Regelungen der Hausordnung wurden am 10. Februar 2021 neu gefasst. Diese neuen Regelungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern eines von der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg zwischenzeitlich neu eingeleiteten Organstreitverfahrens (1 GR 69/21).

Sachverhalt

Die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg erließ am 25. Juni 2019 eine neue Hausordnung des Landtags. In dieser ist in den §§ 11 und 12 vorgesehen, dass Mitarbeiter der Abgeordneten nur dann uneingeschränkten Zugang zu den Räumlichkeiten des Landtags erhalten, wenn keine begründeten Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit bestehen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, soll mittels einer polizeilichen Zuverlässigkeitsüberprüfung festgestellt werden. Einer solchen Überprüfung müssen sich auch die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Hausordnung bereits beschäftigten Mitarbeiter der Abgeordneten unterziehen, wenn sie weiterhin uneingeschränkten Zugang haben möchten.

Hiergegen hat der Antragsteller im September 2019 ein Organstreitverfahren eingeleitet und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, den der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg mit Beschluss vom 18. November 2019 zurückgewiesen hat. Im Januar 2020 ist die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg dem Verfahren beigetreten. Nach der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2021 hat die Präsidentin des Landtags die angegriffenen Bestimmungen der Hausordnung am 10. Februar 2021 neu gefasst (Hausordnung n.F.). Der Antragsteller hat die Hausordnung n.F. jedoch nicht in das Organstreitverfahren einbezogen, sondern begehrt weiterhin die Feststellung, dass die Regelungen der Hausordnung in der Fassung vom 25. Juni 2019 (Hausordnung a.F.) seine Abgeordnetenrechte, insbesondere sein Recht aus Art. 27 Abs. 3 der Landesverfassung (LV), verletzen.

Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs

Das Organstreitverfahren gegen den Landtag von Baden-Württemberg und seine Präsidentin ist unzulässig.

  1. Der Landtag ist bereits nicht der richtige Antragsgegner. Der Erlass der Hausordnung a.F. ist von der Präsidentin des Landtags ausgegangen und von ihr allein rechtlich verantwortet.
  2. Dem Antragsteller und der AfD-Fraktion fehlt für die begehrte Feststellung der Verletzung von Art. 27 Abs. 3 LV aufgrund des Erlasses der §§ 11, 12 Hausordnung a.F. durch die Präsidentin des Landtags mittlerweile das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
  3. a) Der – hier allein angegriffene – Erlass der §§ 11, 12 Hausordnung a.F. bewirkt, nachdem diese Vorschriften durch die modifizierten §§ 11, 12 Hausordnung n.F. ersetzt worden sind, keine fortdauernde Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers und der beigetretenen Fraktion aus Art. 27 Abs. 3 LV mehr, sondern stellt sich als abgeschlossener und ausschließlich die Vergangenheit betreffender Sachverhalt dar. Eine Auswirkung auf die künftige Einstellung und Beschäftigung von Mitarbeitern hat die streitgegenständliche Maßnahme nicht mehr. Insbesondere könnte die Mitarbeiterin des Antragstellers, die aufgrund ihrer verweigerten Zustimmung zu einer Zuverlässigkeitsüberprüfung bislang nur eine reduzierte Zutrittsberechtigung hat, die umfassende Zutrittsberechtigung nunmehr allein nach den Regelungen der Hausordnung n.F. erlangen. Der unbeschränkte Zutritt wird ihr derzeit auch allein auf Grundlage der Hausordnung n.F. verweigert.
  4. b) Der Erlass der modifizierten §§ 11, 12 Hausordnung n.F. durch die Antragsgegnerin zu 2. wird durch den Antragsteller und die AfD-Fraktion ausdrücklich nicht zur Überprüfung gestellt, obwohl diese Regelungen aus der früheren Fassung hervorgegangen sind und eine im Kern ähnliche Zielrichtung verfolgen, dabei jedoch bestimmter formuliert, um verbindliche Verfahrensregelungen ergänzt und auch inhaltlich enger gefasst worden sind. Im Gegenteil haben der Antragsteller und die beigetretene Fraktion das Verfahren hinsichtlich der Hausordnung n.F. für „erledigt“ erklärt. Sie haben damit zu erkennen gegeben, dass sie in diesem Verfahren kein Interesse mehr an einer gegenwarts- bzw. zukunftsbezogenen Klärung eines etwaigen Kompetenzkonflikts haben. Es fehlt im Übrigen auch an einer Wiederholungsgefahr hinsichtlich der beanstandeten Maßnahme. Ein objektives Klarstellungsinteresse liegt ebenfalls nicht vor.