Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Urteil vom 25.10.2022 zum Aktenzeichen 8 K 2390/21.GI die Klage zweier Marburger Bürger auf Feststellung der Ungültigkeit der Wahl des Marburger Oberbürgermeisters vom 28. März 2021 abgewiesen. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist die Wahl von Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, der mit einem Vorsprung von 95 Stimmen gegenüber seiner Mitbewerberin Nadine Bernshausen in das das Amt gewählt worden war, gültig.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 25.10.2022 ergibt sich:
Die Kläger hatten gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch eingelegt und die Verletzung des Wahlgrundsatzes der gleichen Wahl gerügt, weil bei der Stimmauszählung 188 Briefwahlstimmen, die erst nach Schließung der Wahllokale eingegangen waren, unberücksichtigt geblieben sind. Die Kläger vertreten die Ansicht, die Stadtverordnetenversammlung habe den Termin der Stichwahl rechtsfehlerhaft festgesetzt. Der Abstand von zwei Wochen zwischen der ursprünglichen Wahl und der Stichwahl am 28. März 2021 sei zu kurz gewesen. Bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Wahltag habe man davon ausgehen müssen, dass pandemiebedingt im Vergleich zu früheren Kommunalwahlen eine erheblich höhere Anzahl von Wahlberechtigten von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch machen werde und sich organisatorisch darauf einstellen müssen.
Nach der Entscheidung des Gerichts liegen keine Unregelmäßigkeiten der Wahl vor, die zur Ungültigkeit führen. Der Abstand zwischen den beiden Wahlgängen sei mit (nur) zwei Wochen zwar ambitioniert gewesen. Die Wahlbriefe hätten aber noch so rechtzeitig versandt werden können, dass bis auf wenige Einzelfälle, die sich auf das Gesamtergebnis nicht ausgewirkt hätten, alle Wählerinnen und Wähler noch rechtzeitig hätten ihre Stimme abgeben können.
Der Gesetzgeber verlange vom Briefwähler, dass er seine Unterlagen so rechtzeitig zurücksende, dass der Wahlbrief spätestens am Wahltag bis 18:00 Uhr beim Wahlamt eingeht. Notfalls müsse er ihn dort einwerfen (lassen).
Die verspäteten Wahlbriefe hätten auch nicht als rechtzeitig zugegangen behandelt werden müssen. Nach der Entscheidung der Kammer stellt die Corona-Pandemie keine mit Naturkatastrophen vergleichbare Situation dar, für die Erleichterungen und Fristerstreckungen möglich sind. Die Corona-Pandemie habe sich auf den Transport der Wahlbriefe nicht ausgewirkt.
Der Oberbürgermeister habe auch nicht gegen seine Neutralitätspflicht im Wahlkampf verstoßen. Die hierzu von den Klägern gerügten Tätigkeiten seien in Ausübung seiner Amtspflichten bzw. seiner Pflichten als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Marburg erbracht worden. Dass eine Wählervereinigung für ihn Wahlkampf betrieben habe, sei ihm nicht zuzurechnen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können innerhalb eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.