NPD verliert vor Bundesverfassungsgericht wegen Zahlungsverpflichtungen nach dem Parteiengesetz

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09. Juli 2019 zum Aktenzeichen 2 BvR 547/13 entschieden, dass eine Verfassungsbeschwerde der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) nicht zur Entscheidung angenommen, mit der diese sich gegen die Auferlegung von Zahlungsverpflichtungen wegen unrichtiger Angaben in ihrem Rechenschaftsbericht für das Jahr 2007 und diese bestätigende Gerichtsentscheidungen gewandt hatte.

Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 54/2019 vom 8. August 2019 ergibt sich:

Zur Begründung hat die Kammer angeführt, dass sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin eine Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Norm des Parteiengesetzes, die Sanktionszahlungen in Höhe des zweifachen des den unrichtigen Angaben entsprechenden Betrages vorsieht, nicht entnehmen lässt. Auch war nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Anwendung der Vorschriften des Parteiengesetzes durch das Bundesverwaltungsgericht gegen die Verfassung verstieße.

Sachverhalt:

Die NPD erhält Leistungen aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Mit Bescheid vom 28. Januar 2008 setzte der Präsident des Deutschen Bundestages diese Leistungen für 2007 auf einen Betrag von 1.448.519,55 Euro fest. Am 31. Dezember 2008 reichte die Beschwerdeführerin einen Rechenschaftsbericht für das Jahr 2007 ein. Auf den Seiten 1 und 5 des Dokuments gab sie die gewährten staatlichen Mittel mit einem Betrag von 561.692,12 Euro an. Auf Seite 23 listete sie hingegen staatliche Zuwendungen für das Jahr 2007 in Höhe von insgesamt 859.692,62 Euro auf. Nachdem die Beschwerdeführerin vom Präsidenten des Deutschen Bundestages Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte, legte sie eine Neufassung der ersten sieben Seiten des Rechenschaftsberichts vor, die auf Seite 1 staatliche Mittel in Höhe von 859.692,62 Euro auswies. In einer Fußnote ist hierzu vermerkt: „Im Berichtsjahr = 1.448.519,55 Euro abzüglich 71.841,03 Euro (Zahlung in 2008) abzüglich 516.985,90 Euro (gemäß Bescheid vom 12.02.2007)“. Mit angefochtenem Bescheid vom 26. März 2009 stellte der Präsident des Deutschen Bundestages Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht der Beschwerdeführerin für das Jahr 2007 in Höhe von 1.252.399,55 Euro und eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 2.504.799,10 Euro fest. Hiergegen beschritt die Beschwerdeführerin den Verwaltungsrechtsweg. In der Revisionsinstanz hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid unter Abweisung der Klage im Übrigen auf, soweit darin Unrichtigkeiten des Rechenschaftsberichts der Beschwerdeführerin für das Jahr 2007 über den Betrag in Höhe von 635.677,88 Euro hinaus festgestellt und Zahlungsverpflichtungen über den Betrag von 1.271.355,76 Euro hinaus angeordnet wurden. Die Beschwerdeführerin macht insbesondere mittelbar die Verfassungswidrigkeit von § 31b des Gesetzes über die politischen Parteien (PartG) geltend, der eine Zahlungsverpflichtung in Höhe des zweifachen Betrages festgestellter Unrichtigkeiten vorsieht.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die mit § 31b PartG verbundene Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Parteien ist nicht verfassungswidrig.

§ 31b PartG knüpft an die Verpflichtung der Parteien an, über die Herkunft und Verwendung der Mittel sowie über das Vermögen der Partei zum Ende des Kalenderjahres in einem Rechenschaftsbericht wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen öffentlich Rechenschaft zu geben (§ 23 PartG). Die Vorschrift bestimmt für den Fall unrichtiger Angaben in diesem Rechenschaftsbericht die Entstehung eines Anspruchs in Höhe des Zweifachen des den unrichtigen Angaben entsprechenden Betrages.

Mit § 31b PartG hat der Gesetzgeber von der ihm durch Art. 21 Abs. 5 GG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, festzulegen, wie die Parteien ihrer Verpflichtung zur Rechenschaftslegung nachzukommen haben. Es steht ihm dabei frei, für den Fall der Verletzung der Offenlegungspflichten das Nichtentstehen von Ansprüchen oder angemessene Sanktionen vorzusehen. Dem trägt § 31b PartG Rechnung. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Verabschiedung dieser Vorschrift seine aus Art. 21 Abs. 5 GG sich ergebende Regelungsbefugnis überschritten hat.

Die von der Beschwerdeführerin hiergegen unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn erhobenen Einwände gehen fehl.

Der Auffassung, der Anwendungsbereich von § 31b PartG sei ungeachtet seines Wortlautes aus verfassungsrechtlichen Gründen auf Fälle zu beschränken, in denen die Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts durch vorsätzliches Handeln verursacht wurde, ist nicht zu folgen. Vielmehr ergibt die gebotene Gesamtabwägung, dass in allen Fällen, in denen bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts vermeidbar gewesen wäre, die Schwere des Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit der Parteien nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Der Zweck der Vorschrift, die Parteien zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erfüllung ihrer Offenlegungspflichten anzuhalten, damit die Öffentlichkeit und andere Parteien die finanziellen Verhältnisse einer Partei zur Kenntnis nehmen und bewerten können, rechtfertigt es, die Norm jedenfalls auch dann zur Anwendung kommen zu lassen, wenn die Unrichtigkeiten des Rechenschaftsberichts auf einer vermeidbaren Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruhen.

Soweit die Beschwerdeführerin § 31b PartG als unverhältnismäßig ansieht, weil die Bundestagsverwaltung die Höhe der staatlichen Mittel kenne und diese veröffentliche, lässt sie den Schutzzweck der Norm außer Betracht. § 31b PartG zielt auf die Beachtung des verfassungsrechtlichen Transparenz- und Publizitätsgebots. Öffentlichkeit und konkurrierende politische Parteien sollen in die Lage versetzt werden, die zur politischen Einflussnahme verfügbaren Mittel, mögliche finanzielle Abhängigkeiten und die Einhaltung der Grenzen staatlicher Zuwendungen bewerten zu können. In diesen Schutzzweck der Norm wird durch einen unrichtigen Rechenschaftsbericht unabhängig davon eingegriffen, ob die Unrichtigkeiten der Bundestagsverwaltung bekannt oder für diese erkennbar sind.

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass § 31b PartG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Zwar bestimmt § 31b Satz 2 PartG, dass bei Unrichtigkeiten, die das Haus- und Grundvermögen oder Unternehmensbeteiligungen betreffen, die Sanktionszahlung lediglich 10 vom Hundert der nicht aufgeführten oder unrichtig angegebenen Vermögenswerte beträgt. Diese von § 31b Satz 1 PartG abweichende Bestimmung der Sanktionshöhe ist jedoch gerechtfertigt. § 31b Satz 2 PartG betrifft typischerweise Vermögenspositionen von beträchtlicher Höhe, bei denen erhebliche Bewertungsunsicherheiten bestehen können. Dem daraus sich ergebenden Risiko regelmäßig hoher, möglicherweise existenzgefährdender Sanktionszahlungen im Falle hierauf bezogener unrichtiger Angaben im Rechenschaftsbericht soll durch die Sonderregelung Rechnung getragen werden. Verfassungsrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern.

Die Anwendung von § 31b PartG durch das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall begegnet im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, die staatlichen Zuweisungen an die Beschwerdeführerin seien im Rechenschaftsbericht für das Jahr 2007 in Höhe von 588.826,93 Euro fehlerhaft ausgewiesen worden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass im Rechenschaftsbericht unter der Position „Staatliche Mittel“ grundsätzlich nicht der Betrag der tatsächlichen Zuflüsse, sondern derjenige Betrag auszuweisen ist, den der Präsident des Bundestages gemäß § 19a Abs. 1 Satz 1 PartG zum 15. Februar des Folgejahres für das Anspruchsjahr festsetzt. Mit dieser Auslegung trägt das Gericht dem auf eine möglichst vollständige Rechenschaftslegung gerichteten Transparenz- und Publizitätsgebot aus Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG Rechnung.

Die hiergegen erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin gehen fehl. Dem Vortrag der Beschwerdeführerin, der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liege ein unzutreffender Einnahmebegriff zugrunde, da als „Einnahme“ nichts ausgewiesen werden könne, was am Bewertungsstichtag noch nicht existiere, kann eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 2 GG oder sonstiger grundrechtlicher Gewährleistungen nicht entnommen werden. Die Beschwerdeführerin lässt außer Betracht, dass aufgrund des Transparenzgebots aus Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG der „Einnahme“-Begriff des § 26 PartG weit zu fassen ist und grundsätzlich jeden wirtschaftlich in Geld messbaren Vorteil umfasst. Bei einer Beschränkung auf die Darstellung der im Rechnungsjahr tatsächlich geflossenen Leistungen ist das Ziel einer möglichst umfassenden Rechenschaftslegung über die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Partei nicht erreichbar. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung den Festsetzungsbetrag gemäß § 31a PartG für das Anspruchsjahr 2007 in Höhe von 1.448.519,55 Euro als „Einnahme“ im Sinne von § 26 PartG qualifiziert hat, die im Rechenschaftsbericht der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 4 Nr. 8 PartG hätte ausgewiesen werden müssen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts mit der Behauptung bestreitet, bei der Ausweisung staatlicher Mittel seien Saldierungen zulässig und sie daher berechtigt gewesen sei, im Rechenschaftsbericht nur diejenigen staatlichen Mittel auszuweisen, die sich nach der Verrechnung mit Gegenforderungen auf Rückzahlung staatlicher Mittel aus vorangegangenen Jahren ergeben hätten.

Abgesehen davon, dass sich in diesem Fall zumindest eine Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts der Beschwerdeführerin in Höhe des nicht ausgewiesenen Festsetzungsbetrags von 71.841,07 Euro, der erst im Jahr 2008 ausgezahlt wurde, ergäbe, vermag auch dieser Sachvortrag eine Verletzung der geltend gemachten Grundrechte der Beschwerdeführerin nicht zu begründen. Vielmehr ist die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG ergeben, nicht vereinbar. Einfachrechtlich spricht bereits der Wortlaut von § 26 Abs. 2 PartG, der bestimmt, dass alle Einnahmen „mit ihrem vollen Betrag an der für sie vorgesehenen Stelle einzusetzen und in die Vermögensbilanz zu berücksichtigen“ sind, für ein ausnahmsloses Verbot jeglicher Verrechnung von Einnahme- und Ausgabepositionen. Doch selbst wenn im Rahmen von § 24 Abs. 4 Nr. 8 PartG eine Verrechnung des Anspruchs auf staatliche Mittel mit Rückzahlungsverpflichtungen aus der staatlichen Teilfinanzierung früherer Jahre in Betracht gezogen werden könnte, erfordert das verfassungsrechtliche Publizitäts-und Transparenzgebot zumindest, dass eine solche Verrechnung offengelegt und nachvollziehbar erläutert würde. Nur unter dieser Voraussetzung eröffnet der Rechenschaftsbericht die durch die Publizitätspflichten der Parteien angestrebte Möglichkeit einer Bewertung ihrer finanziellen Verhältnisse.

Vorliegend fehlt es aber an einer Offenlegung der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Saldierungen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Anhörung eine Neufassung des Rechenschaftsberichts vorlegte. Jedenfalls lassen die dortigen Angaben Grund und Höhe der Forderungen, die dem in Bezug genommenen Bescheid zugrunde lagen, nicht erkennen, sodass diese von vorneherein nicht geeignet waren, den verfassungsrechtlich gebotenen Transparenzpflichten zu genügen.