Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am 26.06.2020 zum Aktenzeichen 4 UF 176/19 entschieden, dass die Deckung des Wohnbedarfs eines Kindes durch die mietfreie Überlassung einer dem unterhaltspflichtigen Elternteil gehörenden Wohnung durch eine angemessene Herabstufung der für die Unterhaltshöhe maßgeblichen Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu berücksichtigen ist.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 72/2020 vom 23.09.2020 ergibt sich:
Dies gelte jedenfalls, wenn der betreuende Elternteil keinen Ehegattenunterhalt geltend mache und der barunterhaltspflichtige Elternteil keine Nutzungsentschädigung für die Überlassung der Wohnung beanspruche, so das Oberlandesgericht.
Die getrenntlebenden Eltern streiten um Unterhalt für die drei aus ihrer Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder. Die Mutter begehrt eine Erhöhung der derzeit mit 115% des Mindestunterhalts festgelegten Unterhaltsverpflichtung des Vaters. Die Mutter wohnt mit den Kindern in der vormaligen Ehewohnung. Diese gehört dem Vater zu 60%; er hat seinen Anteil mietfrei überlassen. Eins der Kinder erhielt eine private außerschulische Förderung in den Fächern Deutsch und Englisch. Ein anderes Kind wurde aufgrund einer Lese- und Rechtschreibschwäche sowie einer Aufmerksamkeitsstörung gesondert gefördert. Für die damit jeweils verbundene finanzielle Belastung macht die Mutter einen Mehrbedarf geltend. Sie verlangt außerdem die Beteiligung des Vaters an den Kosten einer mit sog. Speed Brackets durchgeführten kieferorthopädischen Behandlung eines Kindes.
Das Amtsgericht hatte die Anträge zurückgewiesen.
Die Beschwerde hatte vor dem OLG Frankfurt nur hinsichtlich des geltend gemachten Mehr- und Sonderbedarfs Erfolg.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts muss der laufende Elementarunterhalt nicht erhöht werden. Der Vater decke einen Teil seiner Unterhaltsverpflichtung, die auch den Wohnbedarf umfasse, durch die mietfreie Überlassung der Wohnung an die Mutter und die Kinder ab. Das sei durch eine angemessene Herabstufung der für die Unterhaltshöhe grundsätzlich maßgeblichen Einkommensgruppe des Vaters (nach der Düsseldorfer Tabelle) zu berücksichtigen. Angesichts eines Miteigentumsanteils von 60% und eines in der Düsseldorfer Tabelle veranschlagten Wohnkostenanteils von etwa 20% erscheine eine Herabstufung um eine weitere Einkommensgruppe angemessen. Dies gelte jedenfalls, soweit – wie hier – weder der betreuende Elternteil Ehegattenunterhalt noch der barunterhaltspflichtige Elternteil eine Nutzungsentschädigung geltend mache.
An den für die außerschulische Förderung der Kinder entstandenen Kosten sei der Vater dagegen anteilig zu beteiligen. Es handele sich um Mehrbedarf, der das übliche derart übersteige, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht erfasst werde. Hieran müssten sich beide Eltern entsprechend ihren Einkommensverhältnissen beteiligen, da beide hier den Maßnahmen zugestimmt hatten. Die kieferorthopädische Behandlung stelle einen Sonderbedarf dar, der ebenfalls vom Vater anteilig zu tragen sei. Auch ohne Vortrag zur medizinischen Notwendigkeit der verwendeten Speed Brackets stelle sich seine Beteiligung angesichts der zu erwartenden Verkürzung der Behandlungsdauer bei gleichzeitiger Gewährleistung einer besseren Zahnreinigung und des vom Vater selbst in Anspruch genommenen Krankenversicherungsschutzes als angemessen dar.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG Frankfurt hat die Rechtsbeschwerde zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser bislang höchstrichterlich nicht entschiedenen Frage zugelassen (AZ BGH: XII ZB 325/20).