Das OLG Rostock hat mit Urteil vom 25.10.2019 zum Aktenzeichen 5 U 55/17 entschieden, dass ein bei einem Verkehrsunfall schwer verletzter Beifahrer ein Mitverschulden an seinen unfallbedingten Verletzungen trägt, wenn er zum Zeitpunkt des Unfalls den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte.
Aus der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Rostock vom 25.10.2019 ergibt sich:
Die zum Unfallzeitpunkt 16-jährige Klägerin war zu zwei Bekannten ins Auto gestiegen. Nach kurzer Fahrt kam das vom damals 21-jährigen Beklagten geführte Fahrzeug von der Straße ab und kollidierte mit Straßenbäumen. Der Fahrer und die Klägerin erlitten schwere Verletzungen. Der weitere Beifahrer verstarb noch an der Unfallstelle. Die Klägerin erlitt u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und ist seit dem Unfall schwerbehindert. Sie benötigt eine Betreuung rund um die Uhr und besucht eine Einrichtung zur Förderung von behinderten Menschen. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro an die Klägerin.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 320.000 Euro sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von mindestens 500 Euro monatlich sowie den Ersatz ihres Verdienstausfalls.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme festgestellt, dass die Klägerin als Beifahrerin auf der Rückbank des klägerischen Fahrzeuges beim Unfall nicht angeschnallt war und sie bei Anlegen des Sicherheitsgurtes einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten hätte. Das Landgericht hat deshalb das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro für ausreichend erachtet und die Klage abgewiesen. Neben anderen Fragen wird es in der Verhandlung über die Berufung der Klägerin insbesondere um die Rechtsfrage gehen, nach welchen Kriterien das Mitverschulden der Klägerin zu bewerten ist, die zum Zeitpunkt des Unfalls den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte.
Das OLG Rostock hat in der Sache ein Grundurteil erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die geltend gemachten Ansprüche (Schmerzensgeld, monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall ab dem Unfall bis zum fiktiven Renteneintritt und weiterer Schadensersatz), zu 2/3 berechtigt sind.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist – abweichend vom Landgericht – die Mitverursachung nicht danach zu bemessen, welche unfallbedingten Verletzungen der Klägerin aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr habe eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Um eine so zu bildende Mithaftungsquote seien dann die Ansprüche zu kürzen.
Vorliegend sei die Mitverursachung der Klägerin mit 1/3 zu bemessen, weil der Anteil des Unfallverursachers, der die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25% überschritten und eine Kurve geschnitten hatte, deutlich überwogen habe.
Durch das Grundurteil besteht die Möglichkeit, im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ggf. die Überprüfung durch den BGH herbeizuführen. Da die genauen gesundheitlichen Folgen für die Klägerin und auch ihre Verdienstchancen noch nicht feststehen, wird das Oberlandesgericht weiteren Beweis zu erheben haben. Ein entsprechender Beweisbeschluss, mit dem ein fachärztliches Gutachten beauftragt worden ist, ist ebenfalls verkündet worden.