Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 28. September 2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 1435/20 entschieden, dass ein nationalen Haftbefehl und eines Europäischen Haftbefehls verfassungsgemäß sind.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Grundrechts auf die Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG. Er macht unter anderem geltend, derzeit bestehe keine nationale Rechtsgrundlage für den Erlass eines Europäischen Haftbefehls. Insbesondere sei es verfassungsrechtlich nicht tragfähig, auf § 131 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 77 Abs. 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) zurückzugreifen.
Die Verfassungsrichter führen dazu aus, dass das Landgericht und Oberlandesgericht das Strafverfahrensrecht nicht in einer das Verfassungsrecht verletzenden Weise angewandt haben.
Das Analogieverbot des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG steht der Annahme der Fachgerichte, § 131 Abs. 1 StPO bilde in Verbindung mit § 162 StPO und § 77 Abs. 1 IRG in europarechtskonformer Auslegung eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls, nicht entgegen. § 131 Abs. 1 StPO erlaubt den zuständigen Behörden die Ausschreibung eines Beschuldigten zur Festnahme, wenn gegen den Beschuldigten ein Haft– oder Unterbringungsbefehl besteht. Der Europäische Haftbefehl entspricht dieser Zielrichtung, denn ausweislich Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 handelt es sich bei dem Europäischen Haftbefehl um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt. Die Einordnung des Europäischen Haftbefehls als besondere Art der Ausschreibung zur Festnahme ergibt sich überdies aus Art. 9 Abs. 3 Satz 2 RbEuHb, der die Ausschreibung eines Beschuldigten zur Festnahme im Schengener Informationssystem unter bestimmten Voraussetzungen dem Europäischen Haftbefehl ausdrücklich gleichstellt.
Da § 131 Abs. 1 StPO auch Rechtsgrundlage für eine internationale Ausschreibung ist, ist es nicht willkürlich, § 131 Abs. 1 StPO auch als Rechtsgrundlage für die internationale Ausschreibung mittels eines Europäischen Haftbefehls heranzuziehen. Dass auch eine andere Auslegung der einfachrechtlichen Normen der § 77 Abs. 1 IRG, § 131 Abs. 1, § 162 StPO möglich ist, begründet keinen Verfassungsverstoß.
Die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts in den angegriffenen Beschlüssen ist auch ansonsten mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) zu vereinbaren und erweist sich nicht als objektiv willkürlich.