Nachzug zu einem subsidiär Schutzberechtigten bei Eheschließung nach Verlassen des Herkunftslandes?

18. Dezember 2020 -

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 17.12.2020 zum Aktenzeichen 1 C 30.19 entschieden, dass einem Nachzug des Ehegatten eines subsidiär Schutzberechtigten der Umstand, dass die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, nicht entgegen steht, wenn der besondere Schutz von Ehe und Familie die Gestattung einer Wiederaufnahme der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet gebietet.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 78/2020 vom 17.12.2020 ergibt sich:

Die Kläger, eine Mutter und ihr im März 2016 geborener Sohn, begehren für die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem subsidiär schutzberechtigten Ehemann bzw. Vater, dem Beigeladenen. Dieser und die Klägerin flohen eigenen Angaben zufolge im Jahr 2012 aus Syrien nach Jordanien. Dort schlossen sie im Juli 2014 die Ehe. Im September 2015 reiste der Beigeladene in das Bundesgebiet ein. Nach Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wurde ihm im November 2017 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG erteilt. Im März 2019 erteilte die beklagte Bundesrepublik dem Kläger ein nationales Visum zum Familiennachzug. Ein entsprechender Antrag der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hatte die insoweit erhobene Klage abgewiesen.

Das BVerwG hat auf die Sprungrevision der Kläger das Urteil aufgehoben und das Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BVerwG scheidet ein Anspruch des Ehegatten auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs zum subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG in der Regel aus, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde. Dies sei der Fall, wenn sie erst nach Verlassen des Herkunftslandes eingegangen wurde. Eine Ausnahme von diesem Regelausschlussgrund könne sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht allein aus Situationen ergeben, die ihren Grund unmittelbar in der allgemeinen Lage im Herkunftsland des subsidiär Schutzberechtigten haben. Der besondere Schutz von Ehe und Familie gebiete es vielmehr, das Interesse an der Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem subsidiär Schutzberechtigten bereits bei der Prüfung eines Ausnahmefalles angemessen zu berücksichtigen. Dabei sei von maßgeblicher Bedeutung, ob der Familie eine Fortdauer der räumlichen Trennung zumutbar und eine Wiederaufnahme der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des den Nachzug begehrenden Ehegatten möglich und zumutbar sei. Bei der Bemessung der zumutbaren Trennungsdauer sei dem Wohl eines gemeinsamen Kleinkindes besonderes Gewicht beizumessen. Dem Verwaltungsgericht sei daher Gelegenheit zu geben, die insoweit erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen.

Mit Blick auf die in § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehene Beschränkung der Erteilung von monatlich höchstens 1.000 Visa könne es zudem geboten sein, die Beklagte zugleich für den Fall einer Nichtberücksichtigung bei der Auswahlentscheidung nach § 36a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zur Erteilung eines Visums zum Zwecke einer Aufnahme aus dem Ausland nach Maßgabe des § 22 Satz 1 AufenthG zu verpflichten, sofern der Schutz von Ehe und Familie verfassungsrechtlich ein solches Gewicht erreiche, dass der Nachzug im konkreten Einzelfall ausnahmsweise geboten sei.

Demgegenüber stehe der Erteilung eines Visums zum Zwecke des Nachzugs zu dem subsidiär Schutzberechtigten nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, dass der Ehegatte nicht sonstiger Familienangehöriger im Sinne der Norm sei.