Der Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am 12.04.2021.
Aus hib – heute im bundestag Nr. 457 vom 12.04.2021 ergibt sich:
Die zehn eingeladenen Sachverständigen bescheinigten in ihren schriftlichen Stellungnahmen dem Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/27426 – PDF, 3,1 MB) Nachbesserungsbedarf, jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven. Wie schon in der öffentlichen Diskussion über den Entwurf ging es auch in der Anhörung um die Abwägung der Interessen der Urheber gegen die der Nutzer. Die Abgeordneten fragten in Anbetracht des Umfangs und der Komplexität des Entwurfs vor allem nach möglichen Problemen bei der Umsetzung und den Konsequenzen für die Betroffenen.
Mit der Vorlage sollen die Vorgaben einer EU-Richtlinie (DSM-RL) in deutsches Recht umgesetzt werden. Diese enthält unter anderem umfassende Regelungen zur Ausgestaltung des Urheberrechts und zu den Rechten und Pflichten von digitalen Plattformen. Besonders umstritten ist der Artikel 17 der DSM-RL, der die Haftung großer Internet-Plattformen für Urheberrechtsverletzungen vorsieht und eine Diskussion über die Einführung von Upload-Filtern nach sich gezogen hat.
Der Rechtswissenschaftler Christoph Möllers von der Humboldt-Universität zu Berlin erklärte, die Umsetzung begegne zum Teil sowohl verfassungs- als auch europarechtlichen Bedenken. So solle die „mutmaßlich erlaubte Nutzung“ zum einen die Zielvorgaben des Artikels 17 umsetzen und damit zum anderen einen Ausgleich zwischen dem Eigentumsgrundrecht und den Kommunikationsgrundrechten herstellen. Dies gelinge aber nicht, denn sie gebe geschützte Inhalte einem unüberschaubaren Kreis von Nutzern auf Kosten der Rechteinhaber preis.
Louisa Specht-Riemenschneider von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sieht in dem in der Vorlage enthaltenen Entwurf eines Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) einen im Grundsatz gelungenen Interessenausgleich, der mit einigen wenigen Modifikationen den unionsrechtlichen Vorgaben noch standhalten dürfte. Im Gegensatz zu Möller sieht sie in dem Entwurf die Gefahr einer erheblichen Kürzung der Nutzerrechte. Für den Fall der Einführung automatisierter Filterpflichten habe der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden, dass dies nicht mit den unionsrechtlich garantierten Kommunikationsgrundrechten vereinbar sei.
Der Medienrechtler Christian-Henner Hentsch von der Technischen Hochschule Köln erklärte, der Gesetzentwurf sei zwar ein deutscher Sonderweg, der teils weit über die umzusetzende Richtlinie hinausgehe. Im Ergebnis sei er aber weitgehend gelungen, auch weil er erkennbar um einen fairen Interessenausgleich bemüht sei. Jedoch gebe es im Detail insbesondere bei den Regelungen zum UrhDaG Überarbeitungs- und Anpassungsbedarf. So müssten Maßnahmen gegen Overblocking nutzersicher formuliert und Öffnungsklauseln im Urhebervertragsrecht genutzt werden.
Eduard Hüffer, Verleger und Geschäftsführer der „Westfälischen Nachrichten“, sprach sich für ein robustes Urheberrecht zum Schutz der Urheber und der Verlage aus. Mit der Richtlinie werde das Ziel verfolgt, die Kreativen und die Rechteinhaber, zu denen besonders auch die Zeitungsverleger zählten, in der digitalen Welt zu stärken. Dazu gehöre auch, die bisherigen Missstände und Ungleichgewichte zu korrigieren. Umso kritischer sähen die Verleger den nun vorliegenden Regierungsentwurf. Anstatt sich konsequent zu einer dringend notwendigen Stärkung der Kreativwirtschaft durchzuringen, werde wirtschaftlichen Interessen von Megaplattformen nachgegeben.
Sabine Frank, Leiterin Regulierung, Verbraucher- und Jugendschutz bei der Google Germany GmbH, betonte in ihrer Stellungnahme, dass die DSM-RL die widerstreitenden Interessen der beteiligten Akteure zum Ausgleich bringen wolle. Der vorliegende Entwurf enthalte hingegen Bestimmungen, die nicht mit der Richtlinie in Einklang stünden und zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Mitgliedsstaaten führen würden. Er bürde den Diensteanbietern einseitig die Verantwortung auch für solche Probleme eines komplexen Ökosystems auf, die außerhalb ihrer Kontrolle lägen.
Dieter Frey, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, betonte, mit der Umsetzung des Artikels 17 werde den Mitgliedstaaten nichts weniger als die Quadratur des Kreises abverlangt. Dabei sollen eine Pflicht der Diensteanbieter zum Lizenzerwerb, der Schutz der Rechteinhaber durch die Blockade rechtsverletzender Inhalte sowie der Schutz der Nutzer vor Overblocking und allgemeiner Überwachung in Einklang gebracht werden. Für dieses – allerdings kaum vollständig zu erreichende Ziel – schaffe der Gesetzentwurf eine Struktur, mit der die unterschiedlichen Rechtsposition zum Ausgleich gebracht werden sollen. Im Detail seien jedoch Anpassungen erforderlich. Sascha Schlösser, ebenfalls Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, erklärte, die wesentlichen Ziele der Richtlinie würden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur näherungshaft erreicht. Zudem bedürfe es keiner Upload-Filter. Der Nutzen sei angesichts der Komplexität der möglichen Fragestellungen höchst fraglich.
Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, in der über 35 Verbände und Gewerkschaften zusammenarbeiten, begrüßte die Umsetzung wesentlicher Neuregelungen der DSM-Richtlinie. Dazu zähle insbesondere die Neuregelung der Verantwortung für auf Plattformen genutzte geschützte Inhalte und damit verbunden die Lizenzierungspflicht und die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Rechtenutzern (Uploadern) einerseits und Urhebern und Urheberinnen und ausübenden Künstlern und Künstlerinnen andererseits. In allen Punkten halte die Initiative jedoch weitere Stärkungen der Positionen der Kreativen im Gesetzestext für erforderlich.
Julia Reda, Projektleiterin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, erklärte, die Bundesregierung habe erkennbar versucht, eine ausgewogene gesetzliche Regelung zu finden. Der Kompromiss gehe jedoch an entscheidenden Stellen zu Lasten der Nutzer und Nutzerinnen. Er werde zur systematischen Sperrung rechtmäßiger Inhalte führen, die laut Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie nicht stattfinden dürfe.
Paul Keller, Präsident der Communia Association, einer internationalen Vereinigung zur Förderung der Public Domain, betonte, europaweit sei das UrhDaG der erste Umsetzungsvorschlag, der tatsächlich versuche, die sich teilweise widersprechenden Zielsetzungen des Artikels 17 der Richtlinie miteinander in Einklang zu bringen. Der Entwurf weise jedoch erhebliche Mängel auf. Die Communia Assocation setze sich für eine Politik ein, die die Rolle von Gemeingütern im digitalen Raum stärkt und so den Zugang zu Kultur und Wissen verbessert. Dabei sollen die Grundrechte der Nutzer und Nutzerinnen in diesem Bereich gewahrt werden.