Nachbarklage gegen Swingerclub in Koblenz erfolglos

01. Dezember 2021 -

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat am 23.11.2021 zum Aktenzeichen 6 A 10687/21.OVG und 6 A 10689/21.OVG entschieden, dass die Nachbarn des Swingerclubs „Big Bamboo“ und der angrenzenden Gaststätte „The Saloon Koblenz“ keinen Anspruch auf ein gaststätten- bzw. immissionsschutzrechtliches Einschreiten der Stadt Koblenz gegen deren Betrieb haben.

Aus der Pressemitteilung des OVG Koblenz Nr. 26/2021 vom 01.12.2021 ergibt sich:

Die Kläger, die ein Wohngebäude außerhalb der Ortslage des Koblenzer Stadtteils Stolzenfels bewohnen, sind Nachbarn der von den Beigeladenen geführten Betriebe „Big Bamboo“ und „The Saloon Koblenz“, die sich in einem aus zwei Häusern bestehenden Gebäudekomplex befinden. Für den Betrieb des „Big Bamboo“ erteilte die Stadt Koblenz im Jahr 2002 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis als „Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit“. Nach Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung für die Nutzungsänderung wird das „Big Bamboo“ spätestens seit Mai 2006 in erster Linie als „Swingerclub“ betrieben. Die gaststättenrechtliche Erlaubnis blieb jedoch zunächst unverändert. Im Jahr 2014 erteilte die Stadt Koblenz eine Gaststättenerlaubnis zur Weiterführung des ehemaligen „Coyote Ugly Koblenz“ unter dem neuen Namen „The Saloon Koblenz“ für den Betrieb einer „Schankwirtschaft mit Musikdarbietungen“. Beide gaststättenrechtlichen Erlaubnisse wurden mit der Auflage versehen, dass der vom Betrieb ausgehende Lärmpegel nicht zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwertes von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) führen dürfe und zwar gemessen 0,5 Meter vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses.

Insbesondere seit dem Jahr 2015 beschwerten sich die Kläger wiederholt bei der Stadt Koblenz über Lärm und sonstige Belästigungen, die von den Betrieben „Big Bamboo“ und „The Saloon Koblenz“ ausgehen würden. Ihren Antrag vom Februar 2019 auf Einschreiten gegen die beiden Betriebe lehnte die Stadt ab, da unzumutbare Einwirkungen durch den Betrieb nicht feststellbar seien. Dies belegten die zahlreichen von ihr durchgeführten Kontrollen. Gegen die bereits erteilten Auflagen hätten die Betreiber nicht verstoßen. Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs erhoben die Kläger Klage, mit der sie ihr auf Einschreiten gegen den Betrieb gerichtetes Begehren weiterverfolgen. Das Verwaltungsgericht gab den Klagen statt und verpflichtete die beklagte Stadt, geeignete gaststättenrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor den Immissionen zu ergreifen, die von dem Gaststättenbetrieb der Beigeladenen ausgingen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der tatsächliche Betrieb des „Big Bamboo“ und des „The Saloon Koblenz“ sei von den bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnissen nicht gedeckt. Den Klägern stehe aufgrund festzustellender Lärm- und sonstiger Belästigungen auch ein subjektiver Rechtsanspruch auf ein gaststättenrechtliches Einschreiten zu.

Nach Erlass der Urteile erteilte die Beklagte der Beigeladenen mit Bescheid vom 22. Januar 2021 eine Änderungserlaubnis zum Betrieb einer „Schank- und Speisewirtschaft im Rahmen eines Swinger-Clubs“. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzlichen Urteile auf und wies die Klagen ab.

Der tatsächliche Betrieb der Gaststätten „Big Bamboo“ und „The Saloon Koblenz“ sei von der derzeit bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnislage zwar nicht gedeckt, in Ermangelung eines Verstoßes gegen nachbarschützende Normen könnten die Kläger jedoch keinen Anspruch auf behördliches Tätigwerden herleiten.

Für die als Swingerclub betriebene Gaststätte „Big Bamboo“ sei lediglich der Betrieb einer „Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit“ gemäß der Erlaubnis aus dem Jahr 2002 formell legitimiert. Aufgrund des Eintritts der durch den Widerspruch der Kläger gegen die Änderungserlaubnis vom 22. Januar 2021 ausgelösten aufschiebenden Wirkung könne die Beigeladene aus der geänderten Konzession nämlich noch keine für sie günstigen Folgen ableiten. Die tatsächliche Betriebsart des „The Saloon Koblenz“, das eine Konzession als „Schankwirtschaft mit Musikdarbietungen“ besitze, dürfte – ohne Berücksichtigung der dort nach Angaben der Beklagten bis 2019 durchgeführten Veranstaltungen, die als „erotische Partys“ beworben worden seien –  insgesamt dem Betriebstyp einer Diskothek näherkommen.

Allein auf die formelle Illegalität des Gaststättenbetriebs könne ein Anspruch der Kläger auf gaststätten- oder immissionsbehördliches Einschreiten jedoch nicht gestützt werden. Vielmehr bedürfe es eines Verstoßes gegen materielle nachbarschützende Normen, um hieraus einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Einschreiten ableiten zu können. Ein solcher Verstoß sei hier nicht feststellbar. Soweit die Kläger insbesondere den vom Betrieb der Beigeladenen ausgehenden Lärm und die Basstöne anführten, die sie als schädliche Immissionen einstuften, habe bislang keine Belastung festgestellt werden können, die für die vorbelastete Umgebung – im Außenbereich und in der Nähe der Bundesstraße 9 und der parallel dazu verlaufenden Bahnlinie – nicht zumutbar wäre. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach die in der Gaststättenerlaubnis festgelegten Grenzen (tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A), gemessen 0,5 m vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses) „gleich mehrfach“ überschritten worden sein sollen, finde in den zugrundeliegenden umfangreichen Verwaltungsvorgängen in tatsächlicher Hinsicht keinen hinreichenden Niederschlag. Die Werte, die das Verwaltungsgericht zur Untermauerung der Lärmbeeinträchtigung herangezogen habe, seien allesamt nicht unmittelbar am maßgeblichen Immissionsort und zudem bereits vor mehreren Jahren gemessen worden. Des Weiteren ergebe sich aus den seitdem von den Ordnungsbehörden vielfach durchgeführten Kontrollen und den übrigen objektivierbaren tatsächlichen Umständen, dass der feststellbare Lärm regelmäßig nicht ausreichend gewesen sei, um eine Lärmmessung zu veranlassen. Aus der Vielzahl der genannten Kontrollen folge zudem, dass der Vorwurf, die Beklagte sei untätig geblieben, sachlich nicht gerechtfertigt sei. Der Hinweis auf – naturgemäß subjektive – Nachbarbeschwerden vermöge objektiv nachvollziehbare Feststellungen nicht zu ersetzen. Für weitergehende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung habe aufgrund der fehlenden konkreten Anknüpfungstatsachen kein Bedarf bestanden. Durchgreifende Anhaltspunkte für sonstige erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen lägen ebenfalls nicht vor.