Der Bundesgerichtshof hat am 17.11.2020 zum Aktenzeichen XI ZR 171/19 entschieden, dass die von dem Musterkläger, einem Verbraucherschutzverein, erhobene Musterfeststellungsklage unzulässig ist, weil der Musterkläger die für die Klagebefugnis erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 139/2020 vom 17.11.2020 ergibt sich:
Der Musterkläger begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage die Feststellung, dass Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen, die die beklagte Bank mit Verbrauchern zum Zweck der Finanzierung von Kraftfahrzeug-Kaufverträgen abgeschlossen hat, den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen, dass aus diesem Grund die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat und dass im Fall eines wirksamen Widerrufs bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrages kein Ersatz für Wertverluste des Kraftfahrzeugs zu leisten ist. Der satzungsmäßige Zweck des Musterklägers besteht darin, Verbraucher vor unredlichen Finanzdienstleistern zu schützen. Die Verwirklichung des Vereinszwecks strebt er nach § 5 seiner Satzung u.a. dadurch an, dass er gegen Regelungen, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, und gegen Verhaltensweisen von Finanzdienstleistern vorgeht, die der zugunsten der Verbraucher bestehenden Rechtslage widersprechen und dass er zur Durchsetzung solcher Maßnahmen bei Bedarf gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt.
Das Oberlandesgericht hatte die Musterfeststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Musterkläger die Aufhebung des Musterfeststellungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
Der BGH hat entschieden, dass die Musterfeststellungsklage unzulässig ist und hat deshalb die Revision des Musterklägers zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BGH wurde die Musterfeststellungsklage nicht von einer qualifizierten Einrichtung nach § 606 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 ZPO erhoben worden ist. Bei den in § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Voraussetzungen handele es sich um besondere Voraussetzungen der Klagebefugnis, die der Musterkläger nicht alle erfüllt. Dieser habe nicht schlüssig vorgetragen, dass er gemäß § 606 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO mindestens 350 natürliche Personen als Mitglieder habe.
Darüber hinaus ergebe sich aus dem Vortrag des Musterklägers nicht, dass dieser gemäß § 606 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehme. Entscheidend für die Erfüllung dieser Voraussetzung sei, dass der Verbraucherschutz, der durch die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten des Vereins erzielt werde, bei wertender Gesamtbetrachtung ganz maßgebend auf eine nicht gewerbsmäßige Aufklärung oder Beratung zurückzuführen sei und die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen nur eine untergeordnete Rolle daneben habe. Die Tätigkeit des Musterklägers bestehe allerdings ganz überwiegend darin, durch Analyse der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten Rechtsverstöße zu identifizieren, die betreffenden Institute mit anwaltlicher Hilfe abzumahnen und die Fehlerhaftigkeit der Geschäftsbedingungen anschließend gerichtlich durchzusetzen. So habe der Musterkläger nach den von ihm vorgelegten Presseberichten „in knapp 3.400 Fällen Gebühren abgemahnt“ und in „hunderten von Fällen“ Klage erhoben. Zwischen 97% und 99% der Einnahmen des Musterklägers im Jahr 2017 und im ersten Halbjahr 2018 stammen aus dem Bereich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung, so dass diese Einnahmen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen um ein Vielfaches übersteigen. Damit spreche auch die Einnahmenstruktur des Musterklägers dafür, dass die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen beim Schutz der Verbraucher vor unredlichen Geschäftspraktiken keine nur untergeordnete Rolle spiele.