Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 19.11.2020 zum Aktenzeichen 4 B 397/20 in einem Eilverfahren entschieden, dass ärztliche Bescheinigungen zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Schulunterricht in Niedersachsen konkrete Angaben unter anderem zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen enthalten müssen.
Aus der Pressemitteilung des VG Braunschweig vom 24.11.2020 ergibt sich:
Bei den Antragstellern handelt es sich um Geschwister, die seit Beginn des Schuljahres ein Helmstedter Gymnasium besuchen. Sie legten der Schule das Attest einer Berliner Hausarztpraxis vor, in dem es heißt, dass sich die Antragsteller dort in ambulanter Behandlung befänden und aus ärztlicher Sicht nicht empfohlen sei, eine Maske zu tragen. Weitere Angaben hat die Bescheinigung nicht enthalten. Die Schule forderte die Antragsteller auf, eine aussagekräftige ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Daraufhin machten die Antragsteller geltend, sie sähen sich nicht verpflichtet, ihre Erkrankungen anzugeben, eine dahin gehende Aufforderung verletze sie in ihren grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechten. Im Wege eines Eilantrages beantragten sie bei Gericht die Feststellung, dass sie ohne Mundschutz zur Teilnahme am Unterricht berechtigt seien und dass sie nicht verpflichtet seien mitzuteilen, unter welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sie leiden.
Das VG Braunschweig hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht eine Maskenpflicht für Schüler der Sekundarbereiche I und II, wenn es in dem betreffenden Landkreis oder der betreffenden kreisfreien Stadt 50 oder mehr Neuinfektionen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in den letzten sieben Tagen gegeben hat (§ 13 Abs. 1 Satz 6 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 v. 30.10.2020). Gesetzliche Grundlage für die Regelungen in der Verordnung sei das Infektionsschutzgesetz (im Einzelnen: § 32 Sätze 1 und 2 IfSG i.V.m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 IfSG).
Auch Schüler könnten zwar aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Vorerkrankung von der Maskenpflicht befreit sein. Dafür sei aber erforderlich, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung wegen der Beeinträchtigungen unzumutbar sei und dies mit ärztlichem Attest glaubhaft gemacht werde. Das Attest müsse die Schule und im Streitfall das Gericht durch nachvollziehbare Angaben in die Lage versetzen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme vorlägen. Daher sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Schulen verlangen, dass sich der ärztlichen Bescheinigung die beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht zu erwartenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie eventuelle Vorerkrankungen entnehmen lassen. Außerdem dürften die Schulen verlangen, dass im Regelfall erkennbar werden müsse, auf welcher Grundlage die attestierende Ärztin oder der attestierende Arzt zu ihrer oder seiner Einschätzung gelangt sei. Diese Anforderungen erfülle das von den Antragstellern vorgelegte Attest nicht.
Grundrechte der Schüler sowie das Datenschutzrecht stünden dem nicht entgegen. In der derzeitigen Phase der Pandemie gehe es auch um die Grundrechte der Mitschüler und der Lehrkräfte, nämlich um deren Rechte auf Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Die Schulen trügen insoweit eine herausgehobene Verantwortung. Die Maskenpflicht diene dazu, andere Personen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Persönlichkeitsrechte der Antragsteller müssten in dieser Situation zurückstehen. Die Rechtsgrundlage dafür, dass Schulen die in einem ärztlichen Attest enthaltenen personenbezogenen Daten von Schülern verarbeiten dürfen, ergebe sich aus dem Niedersächsischen Schulgesetz (§ 31 Abs. 1 und Abs. 10 Nr. 1 NSchG).
Gegen die Entscheidung des VG Braunschweig können die Antragsteller Beschwerde beim OVG Lüneburg einlegen.