Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 04.12.2019 zum Aktenzeichen 6 A 532/18 entschieden, dass eine vollständige Streckensperrung für Krafträder wegen einer erhöhten Unfallgefahr rechtswidrig ist, wenn der Landkreis zuvor nicht alle weniger einschneidenden Maßnahmen zur Minimierung der Unfallzahlen ergriffen hat.
Aus der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Braunschweig Nr. 6/2019 vom 04.12.2019 ergibt sich:
Auf dem Streckenabschnitt auf der K 83 bei Werlaburgdorf kam es in den Jahren 2015 bis 2018 zu 13 Motorradunfällen. Die Unfälle ereigneten sich sämtlich im Bereich einer Kurve. In der weit überwiegenden Zahl der dokumentierten Fälle verletzten sich die Fahrer. Der beklagte Landkreis ordnete im April 2017 vor der Kurve eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h an und stellte Warnschilder auf. Im Juni 2018 ordnete der Landkreis ein Verbot für Krafträder – dazu gehören auch Kleinkrafträder und Mofas – für die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres an (Verkehrszeichen 255). Dagegen erhoben die beiden Kläger, bei denen es sich um Motorradfahrer aus dem Landkreis handelt, Klage beim Verwaltungsgericht.
Das VG Braunschweig hat den Klagen stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind derzeit die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verbots für Krafträder nicht erfüllt. Der Landkreis müsse bei der Aufstellung von Verkehrszeichen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Dies gelte insbesondere auch für das Motorradverbot, weil damit alle Motorradfahrer von der Benutzung der Straße mit ihren Fahrzeugen ausgeschlossen werden, auch diejenigen, die sich verkehrsgerecht verhalten. Ein Verbot dürfe der Kreis erst aussprechen, wenn er alle anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen ausgeschöpft habe, um die Verkehrsunfallzahlen deutlich zu verringern. Dies sei noch nicht der Fall.
Es genüge nicht, eine Geschwindigkeitsbegrenzung anzuordnen. Diese müsse auch konsequent durch Geschwindigkeitsmessungen durchgesetzt werden. Das sei hier nicht ausreichend geschehen. Insgesamt zeigten Verkehrsuntersuchungen, dass ein auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnittenes Maßnahmenpaket die Zahl von Motorradunfällen deutlich verringern könne. Dazu seien neben Geschwindigkeitskontrollen auch bauliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen, wie die Anbringung von Leitschwellen oder Maßnahmen zur Verdeutlichung des Kurvenverlaufs sowie die Aufklärung der Motorradfahrer, z.B. im Zusammenhang mit Fahrzeugkontrollen. An vergleichbaren Strecken in anderen Gebieten der Bundesrepublik habe man mit solchen Maßnahmenpaketen Motorradunfälle verhindern können. Zu prüfen sei vor der Anordnung eines Vollverbots auch, ob das Verbot nicht auf bestimmte besonders unfallträchtige Wochentage beschränkt werden könne oder eine weitere Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit Erfolg verspreche. Die Verkehrsbehörden müssten die Unfallursachen so weit wie möglich aufklären und fachliche Erkenntnisse auswerten, um beurteilen zu können, welche der vielen grundsätzlich denkbaren Alternativmaßnahmen nach den besonderen örtlichen Gegebenheiten erfolgversprechend eingesetzt werden können. Diese Aufklärung habe der Landkreis nicht hinreichend betrieben.
Ein Motorradverbot auf der K 83 sei damit nicht für alle Zeiten ausgeschlossen. Es könne rechtmäßig werden, wenn sich herausstellen sollte, dass alle anderen jetzt zunächst erforderlichen Maßnahmen wirkungslos sind. Dass der Landkreis Maßnahmen zur Minimierung der Unfallzahlen ergriffen habe, sei richtig. Das angeordnete Verbot für Krafträder gehe nach derzeitigem Stand aber zu weit und sei daher nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.