Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 08.10.2020 zum Aktenzeichen 1 L 339/20 entschieden, dass ein für Ende Oktober 2020 angemeldeter Motorrad-Korso eines Motorradclubs eine von der Versammlungsfreiheit geschützte Versammlung ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 48/2020 vom 09.10.2020 ergibt sich:
Der Antragsteller plant am 31.10.2020 einen Motorradkorso mit 60 Teilnehmer(inne)n. Seinen Angaben zufolge steht der Korso unter dem Motto „Gegen die Abschaffung der Vereinsfreiheit, insbesondere die Änderung des § 9 Vereinsgesetz“. Nach der Anmeldung dieser Veranstaltung beim Polizeipräsidenten als Versammlung erließ dieser am 17.09.2020 einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid, mit dem festgestellt wurde, dass der Korso keine von der Verfassung geschützte Versammlung darstelle. Dem lag die Annahme zugrunde, dass das Veranstaltungsthema nur vorgeschoben sei. Bereits in den vergangenen Jahren hätten jeweils am 31.10.2020 Motorradkorsos des Motorradclubs stattgefunden, die jeweils vom Clubhaus zum Alten St. Matthäus-Kirchhof geführt hätten, wo ein am 31.10.2015 verstorbenes prominentes Clubmitglied beerdigt sei. Der Anlass dieser Fahrten sei allein das Gedenken an das verstorbene Mitglied gewesen. Die Teilnehmer, deren Zahl über die Jahre gewachsen sei, seien dabei nach eigenen Regeln gefahren und hätten deshalb 2019 Probleme mit der Polizei bekommen. Deshalb erfolge die Anmeldung als Versammlung dem Polizeipräsidenten zufolge in Wahrheit nur, um Schwierigkeiten beim Erhalt der erforderlichen verkehrsrechtlichen Erlaubnis zu umgehen.
Dagegen setzte sich der Antragsteller mit seinem Eilantrag zur Wehr.
Das VG Berlin hat dem Eilantrag stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich der Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig. Die Versammlungsfreiheit schütze die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe zur Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Diese Meinungskundgabe könne auch in Form eines Aufzugs mit Motorrädern erfolgen. Es sei auch nicht feststellbar, dass der Zweck der kollektiven Meinungskundgabe nur vorgeschoben sei. Der Antragsteller habe plausibel dargelegt, dass die Teilnehmer T-Shirts mit Aussagen gegen das sog. Kuttenverbot tragen würden. Für die Stichhaltigkeit dieser Angaben spreche, dass die vom Antragsteller bereits 2017 und 2019 durchgeführten Aufzüge sich ebenfalls in einheitlicher Bekleidung gegen die vom ihm besorgte „Abschaffung der Vereinsfreiheit“ gerichtet hätten, worüber Aufmerksamkeit in den sozialen Medien erzeugt worden sei. Der Annahme kollektiver Meinungskundgabe stehe schließlich nicht die vom Antragsgegner angenommene Fahrtroute zum Alten St. Matthäus-Kirchhof entgegen. Auch diese stehe im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema. Denn infolge der zum Veranstaltungsthema gemachten Gesetzesänderung habe die Inschrift auf dem Grabstein des verstorbenen Mitglieds in nicht unerheblichem Umfang unkenntlich gemacht werden müssen.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim OVG Berlin-Brandenburg eingelegt werden.