Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.03.2021 zum Aktenzeichen 3 Ca 1779 e/20 entschieden, dass eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer enthalten muss.
Die Parteien streiten darüber, ob die Einführung von Kurzarbeit Auswirkungen auf den Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers hat.
Die Beklagte schloss mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat am 24.03.2020 eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit (BV Kurzarbeit). Die Betriebsvereinbarung bestimmt in § 1 nur den Geltungsbereich.
Kurzarbeit kann nach § 2 BV Kurzarbeit ab Unterzeichnung bis zum 31.12.2020 nach Maßgaben des § 3 eingeführt werden.
In § 3 „Umfang der Kurzarbeit“ heißt es lediglich allgemein, Kurzarbeit werde dergestalt eingeführt, dass „für die betroffenen Beschäftigten bzw. Abteilungen die betriebliche wöchentliche Arbeitszeit reduziert wird.“
Für den Umfang der Reduzierung, die einzelnen betroffenen Beschäftigten, dem Beginn und der Verteilung auf die Wochentage verweist die BV Kurzarbeit sodann auf verschiedene Anlagen dieser Betriebsvereinbarung.
Diese Anlagen verweisen wiederum jeweils auf eine weitere mit Großbuchstaben fortlaufend nummerierte Anlage.
Diese Anlagen wurden aus Gründen des Datenschutzes nicht unternehmensweit veröffentlicht. Sie wurden lediglich den jeweiligen Führungskräften zur Verfügung gestellt.
Die Arbeitnehmer hatten keinen Einblick in die mit Großbuchstaben nummerieren Anlagen.
Sie sind über Beginn und Dauer der Kurzarbeit wie auch über die Lage und Verteilung der Arbeitszeit durch ihre Vorgesetzten mündlich informiert worden.
Mit E-Mails vom 26. Juni 2020 sowie 24.09.2020 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sie den Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 um 1,5 sowie einem weiteren Tag kürze, da der Kläger zu Kurzarbeitstagen „eingeteilt“ war.
Der Kläger hält die „Kürzung“ seines Jahresurlaubsanspruchs für 2020 für rechtswidrig.
Er beantragte zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, ihm 2,5 Urlaubstage für das Jahr 2020 zu gewähren.
Diese Klage hat vor dem ArbG Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von 2,5 (weiteren) Urlaubstagen für das Jahr 2020.
Die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang sich durch die Einführung von Kurzarbeit der jährliche Urlaubsanspruch reduziert hat, hat das ArbG Kiel nicht entschieden.
Denn die Kurzarbeit wurde bereits nicht wirksam eingeführt, es fehlt an einer notwendigen Rechtsgrundlage für die wirksame Einführung von Kurzarbeit.
Die BV Kurzarbeit kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht.
Diese Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Sie verstößt gegen das Gebot der Bestimmtheit und Rechtsnormenklarheit.
Das Gebot der Bestimmtheit und Rechtsnormenklarheit verlangt im Hinblick auf eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit nach der Rechtsprechung des BAG demnach, dass die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich geregelt sind, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind.
Erforderlich sind mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer.
Fehlt es an einer dieser notwendigen Festlegungen in die Schriftform wahrender und für die Normunterworfenen erkennbaren Weise, kann der Betriebsvereinbarung eine normative Wirkung nicht zukommen.
Denn in diesem Fall ist es dem Normunterworfenen nicht möglich, aus der Norm unmittelbar oder den in Bezug genommenen Anlagen selbst zu erkennen, ob und in welchem Umfang seine arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten – ggf. entgegen seinem Willen – (vorübergehend) eingeschränkt oder verändert werden.
Die BV Kurzarbeit enthält unmittelbar keine Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit sowie Regelungen der Lage und Verteilung der Arbeitszeit und die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer.
Umfang und Verteilung der Kurzarbeit für jeden Beschäftigten ergibt sich erst aus den mit Großbuchstaben nummerierten Anlagen.
Diese Anlagen sind indes aus Gründen des Datenschutzes nicht unternehmensweit veröffentlicht worden, sondern lagen nur den jeweiligen Führungskräften für ihren Verantwortungsbereich vor.
Unter diesen Umständen war für die Arbeitnehmer nicht zuverlässig aus der normativen Regelung selbst zu erkennen, wer in welchem Umfang wann von der Kurzarbeit betroffen ist.
Weder, dass sie betroffen sind, noch die Lage und Verteilung der Arbeitszeit und der Kurzarbeit war für sie aus den verschriftlichen und für sie erkennbar einsehbaren normativen Regelungen zu ermitteln.
Fehlt es hiernach an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit, scheidet eine Verringerung der Urlaubsansprüche wegen Kurzarbeit aus.
Ob und inwieweit die Arbeitnehmer schriftlich, mündlich oder durch Eintragungen in Kalender über den Inhalt der normativen Regelung informiert worden sind, bedarf keiner näheren Aufklärung.
Das Gebot der Rechtsnormenklarheit verlangt gerade, dass der Inhalt der Norm dieser selbst entnommen werden kann. Nicht ausreichend ist, dass er durch Dritte lediglich wiedergegeben wird.
Ob die Arbeitnehmer auch die Anlagen A, B etc. hätten jederzeit im Betriebsratsbüro einsehen können, bedarf keiner weiteren Aufklärung.
Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so ergibt sich diese Möglichkeit jedenfalls nicht aus den für die Arbeitnehmer verfügbaren normativen Regelungen.