Das Sozialgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 28.01.2020 zum Aktenzeichen 11 KR 2576/14 die gegenüber dem BKK-Landesverband erhobene Klage einer Betriebskrankenkasse (BKK) auf Erstattung von mehr als 5.500.000 Euro aus aufwendigen Leistungsausgaben für das Geschäftsjahr 2011 abgewiesen, da die Krankenkasse die anspruchsbegründenden Unterlagen erst nach Ablauf der Frist nachgereicht hat.
Aus der Pressemitteilung des SG Heilbronn vom 21.02.2020 ergibt sich:
Eine Krankenkasse müsse zur Erstattung der Leistungsausgaben eines Kalenderjahres innerhalb der Antragsfrist auch die anspruchsbegründenden Unterlagen beifügen und könne diese nicht nachträglich (nach Ablauf der Frist) nachreichen, so das Sozialgericht.
Nach den seinerzeit gültigen Vorschriften des BKK-Landesverbandes (§ 6 Ausgleichsordnung <AO> 2011) sind „die ausgleichsfähigen Leistungsausgaben eines Kalenderjahres (…) bis spätestens 31. Oktober des Folgejahres (…) unter Beifügung von Kopien der anspruchsbegründenden Unterlagen zu beantragen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Zugangs beim Landesverband.“ Mit E-Mail vom 29.10.2012 beantragte die BKK die ausgleichsfähigen Leistungsausgaben für 2011 und listete in einer Excel-Tabelle die betroffenen Fälle auf. Sie kündigte an, die Kopien der anspruchsbegründenden Unterlagen zeitnah nachzureichen. Erst am 15.11.2012 überreichte sie ihrem Landesverband drei DVDs mit spezifizierten Angaben für insgesamt 52 aufwendige Leistungsfälle mit der Bitte um Erstattung in millionenfacher Höhe. Anfang Dezember 2012 informierte der Beklagte die Klägerin telefonisch darüber, dass er deren Antrag für verfristet erachte. Daraufhin beantragte die Klägerin noch im Dezember 2012 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Ihr für die Stellung des Antrags zuständiger Mitarbeiter M habe versehentlich nicht darauf geachtet, dem Antrag Unterlagen in Kopie beizufügen. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund er die Einhaltung von § 6 AO 2011 nicht beachtet habe. Davon auszugehen sei, dass er die Regelung nicht genau gelesen habe. Nach Einschaltung anwaltlicher Vertretung machte die BKK im Juni 2013 erstmals geltend, zwei Mitarbeiter des Landesverbandes hätten gegenüber M und seinem Vorgesetzten V am 29.10.2012 telefonisch Fristverlängerungen eingeräumt. Der BKK-Landesverband lehnte den Antrag sodann wegen Fristversäumnisses ab, da die anspruchsbegründenden Unterlagen verspätet eingereicht worden seien. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die BKK geltend, die Formulierung in § 6 AO 2011 („unter Beifügung der anspruchsbegründenden Unterlagen“) sei zu unbestimmt und daher unwirksam. Denn es sei unklar, was hiermit genau gemeint sei. Zudem hätten zwei Mitarbeiter des BKK-Landesverbandes ihr gegenüber noch kurz vor Fristablauf telefonisch versichert, dass die anspruchsbegründenden Unterlagen noch nachträglich eingereicht werden können. Ihr stehe ein Erstattungsanspruch i.H.v. mehr als 5.500.000 Euro gegenüber dem BKK-Landesverband zu.
Das SG Heilbronn hat die Klage nach Zeugenvernehmung von Mitarbeitern der BKK und des beklagten Landesverbandes abgewiesen.
Nach Auffassung des Sozialgerichts hat der Beklagte zu Recht den Antrag der Klägerin im Hinblick auf die erst am 15.11.2012 nachgereichten Unterlagen als verspätet zurückgewiesen. § 6 Abs. 1 AO 2011 sei hinreichend bestimmt. Aus dem Wortlaut „unter Beifügung von Kopien der anspruchsbegründenden Unterlagen“ folge bereits eindeutig, dass diese als Bestandteil des Antrags innerhalb der Antragsfrist („bis spätestens 31. Oktober des Folgejahres“) und nicht zu einem späteren Zeitpunkt einzureichen seien. Zugleich werde mit der Verwendung des offenen Begriffs der „Kopien anspruchsbegründender Unterlagen“ und gleichzeitigem Verzicht auf eine abschließende Konkretisierung der Vielgestaltigkeit der zu bewältigenden Lebenssachverhalte Rechnung getragen. Der klagenden BKK sei auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn sie habe die Frist des § 6 AO Abs. 1 2011 nicht unverschuldet versäumt. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wäre es für die Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, dem Antrag vom 29.10.2012 nicht nur eine Excel-Tabelle, sondern auch die Kopien anspruchsbegründender Unterlagen wie z.B. der entsprechenden Rechnungen und Rezepte beizufügen oder zumindest bis zum Fristablauf am 31.10.2012 noch nachzureichen. Im Übrigen habe der Landesverband die Mitgliedskassen mit E-Mail vom 22.10.2012 noch einmal ausdrücklich auf den bevorstehenden Fristablauf hingewiesen. Der Landesverband habe der BKK auch nicht fernmündlich eine Fristverlängerung eingeräumt. So hätten sich weder M noch sein Vorgesetzter V im Zeugenstand erklären können, weshalb im Wiedereinsetzungsantrag nicht auf die angeblichen telefonischen Fristverlängerungen eingegangen wurde, obwohl sie nach eigener Aussage unmittelbar nach Mitteilung des Landesverbandes von Dezember 2012, dass der Antrag verfristet sei, zusammen mit dem hausinternen, für den Wiedereinsetzungsantrag zuständigen Justiziariat am Tisch saßen und intern darstellen mussten, was sie da gemacht hätten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Zeugen M und V die angeblich vom Landesverband telefonisch eingeräumten Fristverlängerungen nicht noch kurzfristig schriftlich, per Telefax oder zumindest formlos per E-Mail hätten bestätigen lassen. Angesichts von einem im Raum stehenden Erstattungsvolumen von mehr als 5 Mio. Euro hätte dies auf der Hand gelegen. Unter Berücksichtigung dieser Widersprüchlichkeiten erscheine der Eindruck des Zeugen und leitenden Mitarbeiters des Landesverbandes Z verständlich, dass die Idee der BKK, Mitarbeiter des Landesverbandes Ende Oktober 2012 hätten telefonisch die sonst ablaufende Frist gegenüber zwei Mitarbeitern der Klägerin verlängert, erst nach anwaltlicher Einschaltung im Juni 2013 entstanden sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.