Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat am 24.06.2021 zum Aktenzeichen L 8 SO 50/18 entschieden, dass die Miete eines Häftlings in bestimmten Fällen vom Sozialamt übernommen werden muss.
Aus der Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen Nr. 17/2021 vom 09.08.2021 ergibt sich:
Zugrunde lag das Verfahren eines 43-jähriges Mannes aus Stade. Seit 2005 bewohnt er eine Zweizimmerwohnung zu einer Kaltmiete von 225,- €, die bislang vom Jobcenter übernommen wurde. Wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung und Alkoholismus steht er unter Betreuung. Als er im Jahre 2014 eine rd. siebenmonatige Freiheitsstrafe antreten musste, beantragte er beim Sozialamt die Übernahme der Mietkosten während der Haftzeit.
Dort wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Haftzeit sechs Monate überschreite. Nach der Entlassung könne sich der Betreuer um eine neue Wohnung kümmern.
Das LSG hat das Sozialamt zur Übernahme der Mietkosten verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei dem Mann seien durch drohenden Wohnungsverlust bei Haftentlassung besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten zu prognostizieren gewesen, die er nicht aus eigener Kraft habe überwinden können. Bei ihm bestehe eine instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung. Es habe daher eine Verschärfung seiner Schwierigkeiten nach der Haftentlassung gedroht, so dass er jedenfalls geordnete Verhältnisse wie eine vertraute Wohnung vorfinden sollte. Außerdem wären auch durch einen Wohnungswechsel spürbare Kosten angefallen. Daher könne eine seit fast zehn Jahren bewohnte Wohnung gehalten werden. Selbst wenn ein Wohnungswechsel zumutbar gewesen wäre, habe das Sozialamt es versäumt, dem Mann angesichts der relativ kurzen Haftstrafe die nötige schnelle Orientierungshilfe anzubieten. Da das Amt die Kostenübernahme rechtswidrig abgelehnt habe, müsse es nicht nur die Mietkosten, sondern auch die Kosten für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage von rd. 2.000 € tragen.
„Ob die Miete übernommen werden muss, hängt immer von einer Prognose im Einzelfall ab“, erläutert Pressesprecher Carsten Kreschel „je näher die Entlassung rückt, desto konkreter kann ein Anspruch werden und je länger die Haft noch dauert, desto schwieriger wird es für die Betroffenen. Grundsätzlich gibt es aber keine starren Grenzen.“