Das Landgericht Hannover hat mit Urteil vom 12.08.2020 zum Aktenzeichen 7 S 7/20 entschieden, dass die niedersächsische Mieterschutzverordnung unwirksam ist. Die Kammer hält die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Juli 2019 – VIII ZR 130/18 -, die sich mit der Unwirksamkeit der hessischen Mieterschutzverordnung befasst, auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt für anwendbar.
Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung aus:
„Der Zielrichtung des Begründungserfordernisses genügt es nicht, wenn der Verordnungsgeber die dem Begründungsgebot innewohnenden Verpflichtung, die Verordnungsbegründung in zumutbarer Weise an allgemein zugänglicher Stelle amtlich bekannt zu machen, erst nach dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung erfüllt. Denn die Entscheidung der Landesregierung, bestimmte Gemeinden oder Gemeindeteile zu Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen, ist für die Mietvertragsparteien bei Vertragsabschluss nicht nachvollziehbar und erst recht nicht nach-prüfbar, sofern ihnen eine Begründung für die Gebietsbestimmung, die in besonderer Weise von den seitens der Landesregierung für maßgeblich erachteten Kriterien ab-hängt, bei Inkrafttreten der Verordnung vorenthalten wird (Rn. 40, juris). […] Da die Pflicht zur Begründung der Gebietsverordnung zwingender Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage des § 556 d Abs. 2 Satz 5 BGB ist und eine Rechtsverordnung zu Bestimmung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmarkt ohne öffentlich bekannt gemachte Begründung mit dem Wortlaut und Normzweck der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist, handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung deren Fehlen zur Nichtigkeit der Verordnung führt (Rn. 42, juris) […].“
Die Klägerin dringt mit dem Einwand, dass das Amtsgericht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Verordnungsbegründung weitere Nachforschungen hätte anstellen müssen, nicht durch. Die Kammer hält es für offenkundig, dass die Begründung der Verordnung nicht zeitgleich mit der Veröffentlichung der Verordnung der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurde. Neben der durch das Amtsgericht nachvollziehbar dargelegten digitalen Dokumentenlage auf der Webseite des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz findet sich dort nunmehr folgender Hinweis, der auszugsweise wie folgt lautet:
„Nunmehr hat sich auch ein Amtsgericht in Niedersachsen (Amtsgericht Hannover) dieser Auffassung angeschlossen. Es hat sich dabei auf ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Juli 2019 berufen, das einen Fall in Hessen entschieden hatte. Der hessische Sachverhalt unterscheidet sich jedoch von dem nieder-sächsischen insofern, als in Hessen beim Erlass der Verordnung noch keine ausformulierte, abschließende Begründung vorlag. Das war Niedersachsen anders; es gab die Begründung aber sie wurde entsprechend der allgemeinen Praxis nicht zusammen mit der Verordnung veröffentlicht, sondern erst später (2018). […].“
Die dort geäußerten Bedenken des Verordnungsgebers im Hinblick auf die Anwendung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf den hiesigen Sachverhalt teilt die Kammer nicht. Aus hiesiger Sicht kommt es -der Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgend- nicht darauf an, ob die Begründung der Verordnung im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung vollständig abgefasst war, sondern vielmehr darauf, ob die Begründung der Verordnung im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung der Allgemeinheit auch zugänglich gemacht wurde.
Dies war hier offenkundig nicht der Fall, weshalb die Verordnung formell rechtswidrig erlassen wurde und damit nichtig ist.
Zuvor hatte bereits das Amtsgericht Hannover die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es für die geltend gemachten Ansprüche an einer wirksamen Mieterschutzverordnung im Sinne von § 556 Abs. 2 BGB für den Bezirk, in dem die Wohnung der Zedenten gelegen ist, bezüglich derer die Auskünfte und Rückzahlungen verlangt wer-den, fehle. Zur Begründung seiner Entscheidung stützt sich das Amtsgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.7.2019 -VIII ZR 130/18- (in Bezug auf die hessische Mietenbegrenzungsverordnung), aus der sich im Wesentlichen ergibt, dass die Pflicht zur Begründung der Gebietsverordnung zwingender Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage des § 556 d Abs. 2 S. 5 BGB sei und eine Rechtsverordnung zur Bestimmung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmarkt ohne öffentlich bekannt gemachte Begründung mit dem Wortlaut und Normzweck der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar sei, was zur Nichtigkeit der Verordnung führe. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass sich aus der digitalen Dokumentenlage des Internetauftritts des niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz ergebe, dass der Verordnungstext bereits am 29.11.2016 veröffentlicht, die Begründung der Verordnung der Öffentlichkeit jedoch erst mit Erstellungsdatum vom 20.3.2018 zugänglich gemacht worden sei.