Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss 14.06.2021 zum Aktenzeichen 13 MN 158/21 die Niedersächsische Corona-Verordnung in der derzeit geltende Fassung vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit danach auch für den Führer eines Kraftfahrzeugs bei beruflichen Fahrgemeinschaften angeordnet wird, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 27/2021 vom 16.04.2021 ergibt sich:
Soweit sich der Eilantrag darüber hinaus gegen § 18 Abs. 2 bis 4 Corona-VO, der Regelungen über den Erlass von Ausgangsbeschränkungen enthält, richtete, hat ihn der Senat abgelehnt.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er hat vorgetragen, regelmäßig zusammen mit Mandanten zu Gerichtsterminen zu fahren. Die aus § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) folgende Pflicht, wonach auch der Kraftfahrzeugführer im Rahmen einer beruflichen Fahrgemeinschaft eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen muss, gefährde die Verkehrssicherheit.
Der 13. Senat des OVG Lüneburg ist dem gefolgt und hat § 3 Abs. 1 Satz 3 Corona-VO insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Dabei ging der Senat unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens davon aus, dass die Corona-VO und die auf diese bezogenen Änderungsverordnungen auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruhen, formell rechtmäßig sind und hinsichtlich deren materieller Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
Die Verpflichtung für den Führer eines Kraftfahrzeugs, im Rahmen einer beruflichen Fahrgemeinschaft eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, stelle jedoch keine notwendige Maßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes dar, weil sie unangemessen sei.
Im Rahmen der Abwägung sei nicht nur der als gering zu bewertende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Führers eines Kraftfahrzeugs zu berücksichtigen, sondern insbesondere auch die Gefährdungen für die Verkehrssicherheit, die mit dem Tragen einer Maske einhergingen. Durch § 23 Abs. 4 StVO werde geregelt, dass, wer ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist. Dies diene der effektiven Verkehrsüberwachung, einer uneingeschränkten Rundumsicht und dadurch der allgemeinen Verkehrssicherheit. Beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung würden jedoch wesentliche Teile des Gesichts verdeckt, insbesondere, wenn zusätzlich eine Brille oder Sonnenbrille getragen werde, die jedoch notwendig sein könne, um eine bestmögliche Sicht des Fahrers zu gewährleisten.
Hinzu komme, dass gerade für Brillenträger die Gefahr steige, dass diese während der Fahrt beschlage und hierdurch die Sicht zusätzlich beeinträchtigt werde. Auch wenn die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung dem Infektionsschutz diene, seien die Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen, wenn der Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft keine Maske trage, als gering einzuschätzen. Eine berufliche Fahrgemeinschaft bestehe aus einer überschaubaren Anzahl an Personen, die sich untereinander kennen, wodurch auch die Kontaktnachverfolgung möglich bleibe. Zudem könne auch durch eine Pflicht zur Testung vor Fahrtantritt ein hoher Grad an Sicherheit vor Ansteckung gewährleistet werden, ohne die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen.
Die Außervollzugsetzung ist allgemeinverbindlich, d.h. die betroffene Regelung ist in Niedersachsen gegenwärtig nicht zu beachten.
Soweit sich der Antragsteller darüber hinaus gegen die Regelungen des § 18 Abs. 2 bis 4 Corona-VO, der Regelungen zum Erlass von Ausgangsbeschränkungen durch die örtlich zuständigen Behörden enthält, gewandt hat, hat der 13. Senat eine einstweilige Außervollzugsetzung abgelehnt.
Der Antrag sei teilweise bereits unzulässig, da § 18 Abs. 2 und 3 Corona-VO lediglich die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte für den Erlass von Ausgangsbeschränkungen regele und im Übrigen höhere Anforderungen an deren Erlass stelle, als gesetzlich vorgesehen seien. Hierdurch könne der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt werden. Soweit § 18 Abs. 4 Corona-VO vorsehe, dass bei einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 150 die örtlich zuständigen Behörden eine Ausgangsbeschränkung erlassen „sollen“, sei die einstweilige Außervollzugsetzung nicht dringend geboten. Aufgrund der Regelungen des Infektionsschutzgesetzes hätten die zuständigen Behörden ohnehin effektive Maßnahmen zu treffen, die sich an den Inzidenzen zu orientieren hätten. Somit konkretisiere § 18 Abs. 4 Corona-VO lediglich die gesetzlichen Regelungen, weshalb die mit dieser Regelung einhergehenden Einschränkungen für diese bloß ermessensleitende Vorschrift gering sei. § 18 Abs. 4 Corona-VO erfordere zudem noch einen Umsetzungsakt.
Es sei deshalb zumutbar, unmittelbar gegen eine durch die örtlich zuständige Behörde erlassene Ausgangsbeschränkung Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.