Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 11.06.2021 zum Aktenzeichen 2 Rb 35 Ss 94/21 entschieden, dass gegen die Maskenpflicht bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gemäß der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg (in der Fassung vom 22.09.2020) keine Bedenken bestehen. Dies gilt unabhängig davon, wie viele andere Menschen sich in einem Zugabteil befinden.
Aus der Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 25.06.2021 ergibt sich:
Dem Verfahren zugrunde liegt ein Urteil des Amtsgerichts Mosbach vom 3. Dezember 2020, durch das die Betroffene wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt worden war. Nach den durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen hatte eine Polizeistreife in einem Zug bemerkt, dass die Betroffene ihre Maske unter dem Kinn trug und sich mit einer Pinzette Barthaare am Kinn herauszupfte. Den Einwand der Betroffenen, sie habe zu jeder Zeit über 1,5 Meter Abstand zu den wenigen Mitreisenden eingehalten und die Maske nur kurz heruntergezogen, hatte das Amtsgericht als unbeachtlich angesehen.
Die gegen das Urteil des Amtsgerichts erhobene Rechtsbeschwerde der Betroffenen hatte nur insoweit Erfolg, als die Geldbuße durch das Oberlandesgericht auf 70 Euro reduziert wurde.
Der Senat hat festgestellt, dass das Infektionsschutzgesetz eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung für die in der Corona-Verordnung enthaltene Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und deren Bußgeldbewehrung darstellte. Nach dem Willen des Verordnungsgebers kommt es für diese Pflicht nicht darauf an, welchen Abstand die Personen, die sich in dem Verkehrsmittel befinden, zueinander haben und einhalten können. Gegen diese Regelung bestehen nach Auffassung des Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie zum Beispiel einem Zug ein dynamisches Geschehen herrscht. Durch das ständige Ein- und Aussteigen von Fahrgästen sowie andere Bewegungen von Fahrgästen durch den Zug auf der Suche nach einem Sitzplatz oder auf dem Weg zur Toilette werden Mindestabstände (angesichts der beengten Verhältnisse in der Bahn) ständig unvorhersehbar unterschritten. Das Ziel des Verordnungsgebers, mit der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung eine gegen die Ausbreitung des SARS-CoV-2 geeignete Maßnahme anzuordnen, kann daher nur erreicht werden, wenn die Maskenpflicht von jedem Einzelnen – unabhängig von einer (versuchten) Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern ¬– während der gesamten Zeit des Aufenthaltes in dem Verkehrsmittel einzuhalten ist. Hinzu kommt, dass sich bei längerem Aufenthalt in kleinen und schlecht belüfteten Räumen die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 Meter erhöht und dann das Einhalten des Mindestabstands zur Infektionsprävention nicht mehr ausreichend ist. Soweit die zur Tatzeit maßgebliche Corona-Verordnung eine Ausnahme von der Maskenpflicht „bei der Inanspruchnahme gastronomischer Dienstleistungen“ vorgesehen hat, stellt dies eine klar definierte Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung dar, die eine Abnahme der Maske zur „Gesichtspflege“ oder aus anderen Gründen nicht rechtfertigen kann.
Die Reduzierung der Geldbuße um 30 Euro ist darauf zurückzuführen, dass der maßgebliche Bußgeldkatalog zur Tatzeit zwar eine Regelgeldbuße für einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Maskenpflicht von 100 Euro vorsah, der Regelsatz aber zwischenzeitlich auf 70 Euro reduziert wurde.
Der Beschluss ist rechtskräftig.