Das Gericht der Europäischen Union hat am 01.12.2021 zum Aktenzeichen T-700/20 entschieden, ob das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) auf Antrag der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark (Österreich) zu Recht die für Kürbiskernöl (entsprechend der geschützten geografischen Angabe Steirisches Kürbiskernöl) eingetragene Unionsmarke mit der Begründung für nichtig erklärt hat, dass diese Marke das Zeichen g.g.A. vollständig aufnehme, und weder die Berechtigung noch die Verpflichtung zur Benutzung dieses Zeichens das Recht umfassten, es als Markenbestandteil schützen zu lassen.
Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 01.12.2021 ergibt sich:
Zusammenfassung
Frau S. ist Inhaberin einer Unionsmarke, die für „Kürbiskernöl, entsprechend der geschützten geografischen Angabe ,Steirisches Kürbiskernöl‘“ eingetragen ist. Diese Bildmarke enthält das Zeichen der Europäischen Union für „geschützte geografische Angaben“ (im Folgenden: Zeichen g.g.A.). Aus diesem Grund stellte die Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark (Österreich) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) einen Antrag auf Nichtigerklärung.
Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO erklärte die angegriffene Marke für nichtig. Die Beschwerdekammer des EUIPO bestätigte diese Nichtigerklärung mit der Begründung, dass die angegriffene Marke das Zeichen g.g.A. vollständig aufnehme, und weder die Berechtigung noch die Verpflichtung zur Benutzung dieses Zeichens das Recht umfassten, es als Markenbestandteil schützen zu lassen.
Das Gericht hat die Entscheidung der Beschwerdekammer aufgehoben. Die Beschwerdekammer hätte prüfen müssen, ob die Marke, die ein durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009[1] geschütztes Emblem enthält, als Ganzes geeignet ist, das Publikum hinsichtlich des Vorliegens einer Verbindung zwischen ihrem Inhaber oder ihrem Benutzer einerseits und der Stelle andererseits, auf die das betreffende Emblem verweist, irrezuführen. Im Rahmen dieser Beurteilung sind die einzelnen Bestandteile einer solchen Marke zu berücksichtigen.
Würdigung durch das Gericht
Zunächst hat das Gericht festgestellt, dass das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Verbot anzuwenden ist, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind:
– das betreffende Abzeichen, Emblem oder Wappen ist von besonderem öffentlichen Interesse; für den Nachweis, dass ein öffentliches Interesse an seinem Schutz besteht, genügt es, dass es mit einer der Tätigkeiten der Union in Verbindung steht;
– die zuständige Stelle hat der Eintragung nicht zugestimmt;
– die Marke, die das betreffende Abzeichen, Emblem oder Wappen enthält, ist geeignet, das Publikum hinsichtlich des Vorliegens einer Verbindung zwischen ihrem Inhaber oder ihrem Benutzer einerseits und der Stelle andererseits, auf die der betreffende Bestandteil verweist, irrezuführen.
Diese dritte Voraussetzung ergibt sich daraus, dass der Umfang des durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 gewährten Schutzes nicht größer sein kann als der Schutz, der den Emblemen der internationalen zwischenstaatlichen Organisationen gewährt wird, die ordnungsgemäß den Vertragsstaaten der Pariser Verbandsübereinkunft mitgeteilt wurden[2]. Diese Embleme sind aber nur dann geschützt, wenn die Marke, die ein solches Emblem enthält, als Ganzes beim Publikum den Eindruck einer Verbindung zwischen ihrem Inhaber oder ihrem Benutzer einerseits und der betreffenden internationalen zwischenstaatlichen Organisation andererseits hervorruft[3].
Somit ist Art. 7 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar, wenn das Publikum glauben könnte, dass die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen von der Stelle stammen, auf die das in der Marke wiedergegebene Emblem verweist, oder dass sie mit einer Genehmigung oder Garantie dieser Stelle ausgestattet sind oder in anderer Weise mit ihr in Verbindung stehen.
Sodann hat das Gericht festgestellt, dass die Beschwerdekammer die dritte Voraussetzung nicht geprüft und somit einen Rechtsfehler begangen hat. Sie hat nämlich weder die Art, wie die Verkehrskreise das Zeichen g.g.A. als Bestandteil der angegriffenen Marke als Ganzes wahrnehmen, noch die Frage geprüft, ob diese Wahrnehmung die Verkehrskreise zu der Annahme führen könnte, dass die mit einer solchen Marke gekennzeichneten Waren mit einer Garantie durch die Union ausgestattet sind.
Schließlich hat das Gericht klargestellt, dass das EUIPO nicht nur prüfen muss, ob das betreffende Emblem vollständig oder teilweise in der Marke enthalten ist, in die es integriert ist. Im Rahmen dieser Beurteilung sind auch die einzelnen Bestandteile einer solchen Marke zu berücksichtigen. Diese Pflicht zu einer konkreten und umfassenden Beurteilung wird nicht durch die Tatsache in Frage gestellt, dass die Gewährung von markenrechtlichem Schutz für das Zeichen g.g.A. im Allgemeinen geeignet ist, das von der Union errichtete System zum Schutz von geografischen Angaben zu beeinträchtigen.