Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluss vom 14.09.2020 zum Aktenzeichen 4 L 3000/20.GI im Verfahren um Mahnwachen gegen den Ausbau der A49 im Gebiet rund um den Dannenröder Forst entschieden, dass „Blockadetrainings“ grundsätzlich als friedliche Versammlungen im Sinne des Grundgesetzes anzusehen sind.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 14.09.2020 ergibt sich:
Das Regierungspräsidium Gießen hatte mit Bescheid vom 04.09.2020 über Versammlungsanmeldungen des Antragstellers entschieden. Dieser wollte an insgesamt sieben Zufahrtswegen in den Dannenröder Forst in der Zeit vom 05.09.2020 bis 01.03.2021 Mahnwachen mit täglichen „Blockadetrainings“ organisieren. Vier dieser Mahnwachen fielen in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Stadtallendorf, die dem Regierungspräsidium Gießen ihre Überlastung anzeigte. Das Regierungspräsidium erließ für einen der vier Standorte ein Versammlungsverbot, weil sich dieses in einem Wasserschutzgebiet befindet. Für die anderen drei Versammlungen erließ das Regierungspräsidium mehrere Auflagen. Hinsichtlich aller vier angemeldeter Mahnwachen stellte das Regierungspräsidium jeweils fest, dass der Aufbau und das Bewohnen von Zelten oder Wohnwagen zum Übernachten sowie auf eine gewisse Dauer angelegte Versorgungseinrichtungen nicht von dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit umfasst seien. Ferner stellte das Regierungspräsidium fest, dass die Durchführung von (unfriedlichen) Verhinderungsblockaden, das Training von (unfriedlichen) Verhinderungsblockaden sowie von sonstigen Blockadeaktionen nicht von der Versammlungsfreiheit umfasst seien.
Der Antragsteller machte mit seinen Eilanträgen geltend, es sei unzutreffend, dass die angemeldeten Mahnwachen (teilweise) nicht dem Versammlungsrecht unterliegen. Eine Übernachtung sei notwendig, um auch nachts die vorhandene Infrastruktur durch eine Nachtwache sichern zu können. Bei den „Blockadetrainings“ handele es sich um die Übung friedlicher Sitzblockaden.
Das VG Gießen hat dem Eilantrag teilweise stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Bescheid des Regierungspräsidiums Gießen insoweit rechtswidrig, als das Regierungspräsidium festgestellt habe, dass die Durchführung jeglicher Blockadeaktionen nicht der Versammlungsfreiheit unterfallen würde. Daraus folge auch die Rechtswidrigkeit von Verfügungen zum Verbot von Blockadetrainings, die das Regierungspräsidium nicht auf das Versammlungsgesetz gestützt habe und daher die Versammlungsfreiheit in seine Erwägungen gar nicht einbeziehen konnte.
Für das Versammlungsrecht gelte, dass Blockadeaktionen und Sitzdemonstrationen friedliche Versammlungen i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG seien. Sie könnten allerdings nach dem Versammlungsgesetz verboten und aufgelöst werden, wenn es ausschließlich um die tatsächliche Behinderung der Räumung der im Wald errichteten Baumhäuser und der geplanten Rodung zum Ausbau der A49 ginge. Entsprechende Regelungen habe das Regierungspräsidium jedoch (bisher) nicht getroffen.
In den – gerichtlich bestätigten – Auflagen regelte das Regierungspräsidium lediglich, dass sowohl Einsatzkräften als auch dem land- und forstwirtschaftlichen Verkehr jederzeit die Durchfahrt zu ermöglichen sei.
Im Übrigen – insbesondere hinsichtlich der nach Ansicht des Regierungspräsidiums nicht geschützten Übernachtungsinfrastruktur – hat das Verwaltungsgericht den Bescheid bestätigt.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim VGH Kassel einlegen.